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# taz.de -- Greta Thunbergs Atlantiküberquerung: Rennbootcharme statt Flugscham
> Den Atlantik emissionsfrei zu überqueren ist nahezu unmöglich. Die
> schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg versucht es trotzdem.
Bild: Auf 18 Metern um die Welt: die emmissionsfreie Rennjacht „Malizia“
Romantische Sonnenuntergänge, imposante Wolkenformationen, wechselnde
Farben des Ozeans, von Delfinen begleitet, womöglich Fontänen von Walen:
Zweifellos ist eine Atlantiküberquerung auf einer Segeljacht mit
Naturschauspielen verbunden und kann schöne Momente bieten. Doch Greta
Thunbergs Reise zum UN-Klimagipfel in New York an Bord der Rennjacht
„Malizia“ wird keine Kreuzfahrt, sondern strapaziös. Später geht es auf
andere Weise noch weiter nach Chile.
Das gut 18 Meter lange Hightech-Boot hat aus Gründen der Gewichtsersparnis
einen ungedämmten Rumpf aus Karbon. Jedes Krachen auf die Wellen, jede
knarzende Leine, jeder wackelnde Beschlag, jedes flatternde Segel und
klatschende Spritzwasser erzeugen innerhalb des Rumpfes einen
nervenzehrenden Lärm.
Das Boot ist kompromisslos auf Geschwindigkeit gebaut und hat keinerlei
Komfort, kein Klo, keine Dusche. Kojen sind aus einfachem Segeltuch, das
über Rohre gestülpt wird.
Laut dem deutschen Skipper, dem Profisegler Boris Herrmann, wird es für die
16-jährige Thunberg und ihren Vater Svante eigens Matratzen und einen
Vorhang geben – minimale Privatsphäre auf dem ansonsten unveränderten Boot.
## Festhalten und anleinen
Auf der mit 13 Tagen kalkulierten und 3.000 Seemeilen langen Reise von
Plymoth nach New Yok werden sie gefriergetrocknete vegane Nahrung essen,
die mit geringstem Aufwand zubereitet wird.
Da das Boot mit möglichst hoher Geschwindigkeit (die Höchstgeschwindigkeit
liegt bei 25 Knoten, rund 46 km/h) über und öfter auch durch die Wellen
rast, wird es ständig krachen, wackeln, schaukeln und vibrieren. Die
Rennmaschine beschleunigt, wird abrupt von einer Welle gebremst, legt sich
auf die Seite und richtet sich wieder auf. Das Boot stürzt Wellentäler
runter oder bolzt gegen Wasserwände – bei entsprechendem Wetter über
Stunden und Tage.
Wer sich nicht festhält oder beim Schlafen einkeilt, kann sich verletzen.
An Deck, wo der Aufenthalt bei Wind und Wellen einer Dauerdusche gleicht,
bewegt man sich nur angeleint. Der Autopilot steuert, die Crew muss die
Segel optimal auswählen und einstellen und ansonsten mit
satellitengestützten Navigations- und Wettercomputern den optimalen Kurs
auswählen und ständig Daten checken.
„Wir haben 12.000 Routings vom Server ausführen lassen. Statistisch kommen
dabei 11 Prozent, also etwa eineinhalb von rund 13 berechneten Tagen als
anstrengend heraus,“ wiegelt Herrmann auf der Onlineseite des Fachmagazins
yacht ab.
## „Ein totales Abenteuer“
Thunberg ist Gast, sie muss also nicht unbedingt arbeiten, doch Langeweile,
Seekrankheit, Müdigkeit, Nässe und Erschöpfung könnten ständige Begleiter
werden. Normalerweise gewöhnt man sich nach ein paar Tagen daran, doch
nicht jeder kommt damit klar. Herrman und sein Co-Skipper, der
monegassische Fürstenneffe Pierre Casiraghi, hatten die Thunbergs schon am
Sonntag zum Briefing an Bord.
Danach sagte Herrmann über Greta, die noch nie gesegelt ist: „Man kann ihr
diese Reise zumuten. Ich habe sie gefragt, ob sie Angst hat. Sie hat das
mit einem klaren Nein beantwortet. Für sie ist es die Chance auf eine ganz
intensive Naturerfahrung und auf eine emissionsfreie Überfahrt. Es wird für
uns alle eine neue Erfahrung, ein totales Abenteuer sein, aber wir müssen
den Druck aus der Sache nehmen und in einem guten Wetterfenster
rüberfahren.“
Für den geplanten Start am Mittwoch sind 32, 33 Knoten Wind vorhergesagt (7
Windstärken), was schon heftig ist. Thunberg, die für den Trip nichts
bezahlt, könnte auf einem komfortableren Segelschiff sicher viel
entspannter reisen. Das würde aber länger dauern und wäre weniger
emissionsfrei.
## Solarzellen und Notmotor
Die „Malizia“ produziert mit 1,3 Kilowatt-Solarzellen und zwei
Hydrogeneratoren mehr Strom, als sie für Navigation und Kommunikation
benötigt. Das Boot hat vorschriftsmäßig für Notfälle einen Motor, der laut
Herrmann versiegelt wird. Die „Malizia“ wird deshalb von Elektrobooten in
den Hafen geschleppt.
Ein Problem ist das Material des Bootes. Fasern und Harz sind aus Erdöl,
der Rumpf wurde bei 120 Grad „gebacken“. Die Kunststoffsegel sollen aus
recycelbarem Material bestehen.
Noch ist unklar, wie die Thunbergs später aus Amerika zurückreisen werden.
Ihr Pressesprecher sagte der taz: „Es gibt noch keine Arrangements für
Gretas Rückkehr. Ich kann aber schon sagen, dass es wie auf der Hinfahrt
eine emissionsfreie Reise sein wird.“
13 Aug 2019
## AUTOREN
Sven Hansen
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Lesestück Recherche und Reportage
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