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# taz.de -- EU-Urheberrechtsreform: Upload-Waaas?
> Die EU-Verhandler einigen sich auf einen Text für die geplante
> Urheberechtsreform. Eine Handreichung für alle, die nicht mehr
> durchblicken.
Bild: Hiermit kann man einiges filtern, Fotos und Filme fürs Netz allerdings n…
Berlin taz | Seit Jahren wird in der EU über eine Reform des Urheberrechts
gestritten, immer wieder wurden neue Texte und Kompromisse vorgelegt, nun
aber geht es auf die Zielgerade: Vertreter des Europaparlaments, der
EU-Staaten und der Kommission haben sich am Mittwochabend auf einen
endgültigen Text für die Reform geeinigt. Weitgehend entspricht der dem
[1][Kompromiss, den Deutschland und Frankreich] in der vergangenen Woche
ausgehandelt haben.
EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger hatte die Reform 2016 angestoßen, um
das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anzupassen. Im Kern geht es –
besonders in den heiß umstrittenen Paragraphen – darum, die Betreiber
großer Plattformen in die Pflicht zu nehmen, Rechteinhaber, also Künstler
und Medienschaffende, zuverlässiger zu vergüten.
Das klingt zunächst einmal unterstützenswert, doch bemängeln Kritiker, dass
die Maßnahmen, auf die sich die EU-Institutionen in diesem heiß umkämpften
Feld nun geeinigt haben, die [2][Meinungsfreiheit im Internet in Gefahr
bringen]. Besonders stark in der Kritik stehen die Artikel zum
Leistungsschutzrecht (Artikel 11) und zu Upload-Filtern (Artikel 13).
Alle reden über Upload-Filter. Warum ?
Laut Artikel 13 des Vorschlags müssen Betreiber von Internetplattformen wie
Youtube künftig „alles ihnen Mögliche“ tun, um Urheberrechtsverletzungen
auf ihren Seiten zu verhindern. Das heißt konkret: alle hochgeladenen
Inhalte, also Bilder, Tonaufnahmen und Videos, sind vor der
Veröffentlichung zu prüfen.
Im Grunde gibt es zwei Varianten, wie Plattformbetreiber diese Vorgaben
umsetzen könnten: Entweder sie einigen sich mit sämtlichen Rechteinhabern
und kaufen alle nötigen Lizenzen. Wie das allerdings in der Praxis aussehen
sollte, ist mehr als unklar, weil Plattformen wie Youtube und Facebook sich
die Rechte für alles, was Nutzer potentiell hochladen könnten sicher
müssten, also faktisch für jeden erdenklichen urheberrechtlich geschützten
Inhalt weltweit.
Darum halten viele Beobachter es für sehr wahrscheinlich, dass die
Plattformbetreiber so genannte Upload-Filter nutzen, um den Ansprüchen des
Gesetzestextes gerecht zu werden. Upload-Filter sind eine technische Lösung
für Urheberrechtsansprüche im Netz. Neu ist das im Grunde nicht:
Plattformen wie Youtube oder Facebook prüfen heute schon automatisch, ob
hochgeladene Inhalte gegen Urheberrecht verstoßen und sortieren aus, was
ihnen kritisch erscheint.
Neu wäre allerdings etwas anderes: Bislang läuft es so, dass die
Plattformen verpflichtet sind, zu reagieren, wenn ihnen
Urheberrechtsverstöße gemeldet werden. Das heißt: es wird erst geprüft und
dann gelöscht. Nun allerdings sollen die Plattformen direkt für
Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Was faktisch
bedeutet: Um Ärger zu vermeiden, müssen sie ihre Plattformen von vornherein
sauber von potentiellen Urheberrechtsverletzungen halten. Weswegen sie, so
die Befürchtung, ihre Upload-Filter wesentlich schärfer einstellen müssten
als bislang.
Ausgenommen von alledem wären laut dem Entwurfstext für die
EU-Urheberrechtsreform lediglich Plattformen, die drei Voraussetzungen
erfüllen müssen: sie müssen jünger als drei Jahre sein, weniger als 10
Millionen Euro Umsatz im Jahr machen und weniger als 5 Millionen Besucher
pro Monat haben. Auf diese Ausnahmen haben sich Frankreich und Deutschland
in der vergangenen Woche geeinigt und damit den Weg für den nun gefunden
Textvorschlag frei gemacht. Kritiker bemängeln allerdings, dass diese
Ausnahmen zu eng begrenzt seien, so dass auch viele kleine Unternehmen und
Firmen von der Filterpflicht betroffen sein werden.
Was ist so schlimm an Upload-Filtern?
Wie gesagt: schon heute haben große Betreiber Upload-Filter im Einsatz.
Gegner der Gesetzesvorlage befürchten aber, dass diese nun so „scharf“
eingestellt werden, dass sie auch Inhalte aussortieren, die bei näherer
Betrachtung urheberrechtlich geschütztes Material legal einsetzen –
beispielsweise als Zitate, Rezension oder Satire. Das, so befürchten die
Kritiker des Vorhabens, würde die Vielfalt der Ausdrucksformen und der
Meinungsfreiheit massiv einschränken. Hinzu kommt, dass selbst die
teuersten derartigen Filter als fehleranfällig gelten.
[3][Youtube] hat im vergangenen Herbst schwarzgemalt, dass es angesichts
der EU-Richtlinie gezwungen wäre, nur noch „Inhalte einiger großer
Unternehmen zuzulassen“, weil die Veröffentlichung der Inhalte kleinerer
Videomacher angesichts der Haftung für potentielle
Urheberrechtsverletzungen „schlichtweg zu riskant“ sei. Das erregte zwar
massive Unruhe bei [4][vielen Youtubern und deren Fans], ist in dieser Form
aber sicherlich ein überzogener Versuch der Plattform, ihrerseits Lobbying
zu betreiben in einem Gesetzgebungsprozess, bei dem ohnehin massive
Lobbyinteressen aufeinanderprallen.
Außerdem ist zu bedenken, dass zu den am häufigsten genutzten Filtern der
Filter von Google zählt. Weswegen Kritiker befürchten, dass Google sich
auch in diesem Bereich eine Monopolstellung erarbeiten könnte, müssten
zahlreiche Plattformen Filter in Betrieb nehmen.
Das Leistungsschutzrecht steht auch wieder im Entwurf?
Ja. Und auch das verärgert viele Kritiker. Konkret geht es beim
Leistungsschutz, der in Artikel 11 der Reform festgeschrieben ist, darum,
dass Newsaggregatoren wie Google News oder Facebook sogenannte Snippets,
also kurze Anreißertexte und Titel von Artikeln in ihren Services nicht
mehr kostenlos anzeigen sollen dürfen. Im finalen Text ist nun die Rede
davon, dass „einzelne Wörter“ oder „sehr kurze Ausschnitte“ erlaubt se…
sollen.
Ein solches Leistungsschutzrecht ist in ganz ähnlicher Form in Deutschland
bereits in Kraft. Allerdings steht auch dieses seit jeher massiv in der
Kritik, unter anderem, weil es [5][eher Prozesskosten verursacht als
Einnahmen erzeugt] hat. Kürzlich erachtete gar ein [6][Gutachten des EuGH]
das Gesetz für nicht anwendbar. Mit dem Versuch ein Leistungsschutzrecht
nun wieder auf EU-Ebene einzuführen, versuchen Verleger erneut, ihr
Anliegen zu verankern. Federführend ist hier der Springer-Verlag.
Und Google hat sich im Vorfeld natürlich auch zu Wort gemeldet: Der Konzern
drohte damit, seinen Dienst Google News einfach einzustellen, wenn die
Regelung auf EU-Ebene kommen sollte.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst verteidigt das Europäische Parlament [7][in einer
Pressemitteilung] die nun gefundene Einigung, ebenso wie Axel Voss,
CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament und dort Chefunterhändler für
die Urheberrechtsreform. „Digitaler Urheberrechtsschutz beendet endlich das
Wildwest im Internet, bei dem die Rechteinhaber bisher oft untergebuttert
werden“, zitiert ihn der [8][Twitter-Account von CDU/CSU in Europa]. „Es
geht nicht um ‚Filtern‘, wie das von Unterstützern rechtsfreier Räume im
Internet propagiert wird.“ In diesem Punkt jedoch widersprechen Voss
zahlreiche Kritiker, etwa der [9][netzpolitik.org-Gründer Marcus
Beckedahl.] Die Konsequenz aus der Entscheidung seien Uploadfilter.
Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen voraussichtlich
bis Mitte April final zustimmen. Weil die Debatte sehr aufgeladen ist,
könnte die Reform noch scheitern. Kommt es aber durch, haben die
Mitgliedsländer der EU zwei Jahre Zeit, um die europäische Richtlinie in
nationales Recht umzuwandeln. Ziel ist es, die Reform noch vor der
Europawahl im Mai durchzubringen.
14 Feb 2019
## LINKS
[1] /Kompromiss-zur-EU-Urheberrechtsreform/!5571203
[2] https://netzpolitik.org/2018/upload-filter-eine-gefahr-fuer-die-netzkultur/
[3] https://youtube-creators-de.googleblog.com/2018/10/ein-letztes-update-zu-un…
[4] https://motherboard.vice.com/de/article/gy7xw7/youtube-trends-artikel-13-sa…
[5] /Lobbying-fuer-Leistungsschutzrecht/!5511528
[6] https://www.zeit.de/news/2018-12/13/deutsches-leistungsschutzrecht-nicht-an…
[7] http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20190212IPR26152/einigung-…
[8] https://twitter.com/CDU_CSU_EP/status/1095775161448624130
[9] https://twitter.com/netzpolitik/status/1095800998382194693
## AUTOREN
Meike Laaff
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