# taz.de -- Koalitionsvertrag und EU-Digitalreform: Eine Sache des Wordings | |
> GegnerInnen der EU-Urheberrechtsreform kritisieren, die GroKo breche den | |
> eigenenen Koalitionsvertrag. Das sehen auch Fachpolitikerinnen so. | |
Bild: Die Justizministerin ist in der Zwickmühle | |
Berlin taz | Der Vorwurf von Seiten der KritikerInnen ist nicht neu, doch | |
liegt er nach der [1][Abstimmung auf Botschafterebene im Rat der EU am | |
Mittwoch] wieder auf dem Tisch: Die Bundesregierung bricht mit ihrer | |
Zustimmung für die geplante EU-Urheberrechtsreform mit dem eigenen | |
Koalitionsvertrag. Neben Kritik aus dem EU-Parlament sehen auch | |
FachpolitikerInnen im Bundestag in der jüngsten Abstimmung ein Problem. | |
Ein besonderes Augenmerk liegt bei dem Vorwurf des Bruchs auf dem Artikel | |
13 [2][im Reformtext], der mit sogenannten Uploadfilern in Verbindung | |
gebracht wird. So [3][twitterte] die ressortmäßig zuständige | |
Justizministerin und Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl, Katarina | |
Barley, nach der jüngsten Entscheidung am Mittwoch in Brüssel, dass sie | |
sich für eine Streichung des Artikel 13 eingesetzt habe, der aber geblieben | |
sei. | |
Das ist er in der Tat. In Artikel 13 „Verwendung von geschützten Inhalten | |
durch Online Sharing Provider“ ist festgehalten, dass Mitgliedsländer | |
Online-Plattformen dazu verpflichten sollen, dafür zu sorgen, dass bei der | |
Veröffentlichung von Inhalten keine Urheberrechtsverletzung begangen wird. | |
BeobachterInnen geben zu bedenken, dass das [4][den Einsatz von | |
Uploadfilter wahrscheinlich nach sich ziehen würde], da Plattformen vorab | |
filtern müssen. Und auf diesen Punkt zielt der Vorwurf des Bruchs, denn | |
tatsächlich hat die Große Koalition im [5][Koalitionsvertrags (.pdf)] von | |
2018 einen solchen verpflichtenden Einsatz als „unverhältnismäßig“ | |
abgelehnt. | |
Die Krux ist nun, dass der Uploadfilter nicht wortwörtlich im derzeitigen | |
Text zur Reform steht. Nach der Trilog-Einigung in Straßburg Mitte Februar, | |
hob das EU-Parlament unter Federführung von Verhandlungsführer Axel Voss | |
(CDU) [6][in einer Pressemitteilung gar hervor], dass keine Uploadfilter | |
vorgesehen seien. Ist der Vorwurf an die Bundesregierung trotzdem | |
angebracht? | |
## Vorsichtige Kritik | |
„Ja“ und „Nein“, befindet Oppositionspolitikerin Tabea Rößner, die f�… | |
Grünen stellvertretendes Mitglied im Digitalausschuss des Bundestags ist. | |
Die Anforderungen an die Plattform, so wie sie im Text formuliert sind, | |
würden Uploadfilter notwendig machen. „Insofern ist das schon ein Bruch mit | |
dem Koalitionsversprechen“, antwortet Rößner auf Anfrage der taz. Die | |
Sorge, dass auch legale Inhalte aus Angst vor Strafe von den Plattformen | |
rausgefiltert würden, sei berechtigt. „Dass durch die gesamte Reform aber | |
gleichzeitig das ganze Internet kaputt gehen würde, das hat nichts mehr mit | |
einer sachlichen und sachgerechten Diskussion zu tun,“ so | |
Grünen-Politikerin Rößner. | |
Drastischer sieht das der Vorsitzende des Digitalausschusses des | |
Bundestages, Jimmy Schulz, von der FPD. „Das Abstimmungsverhalten ist | |
enttäuschend!“, erklärt er auf taz-Anfrage. „Gestern hätte die SPD | |
Gelegenheit gehabt, Rückgrat zu beweisen und uns allen zu zeigen, dass sie | |
zu ihrem Wort steht. Frau Barley hat für Uploadfilter, und somit gegen den | |
Koalitionsvertrag in Berlin gestimmt.“ Mit der Reform würden Unternehmen | |
faktisch dazu gezwungen werden, eine Zensurinfrastruktur aufzubauen. „Nach | |
dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz wäre das ein weiterer Schlag gegen das | |
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.“ | |
Die Nachfrage der taz, ob Justizministerin Barley in der Abstimmung selbst | |
auch einen Bruch mit dem Koalitionsvertrag sehe, erklärte das Ministerium | |
lediglich, dass die Bundesregierung sich bei den Verhandlungen eingesetzt | |
habe, die unterschiedlichen Interessen in Einklang zu bringen, so wie es | |
der Koalitionsvertrag vorsehe – und verweist auf Ausnahmeregelungen in dem | |
vorliegenden Text zur EU-Reform. | |
Nach der EU-Abstimmung am Mittwoch sagte Barley gegenüber der Deutschen | |
Presseagentur: „Ich habe mich regierungsintern dafür eingesetzt, dass die | |
Urheberrechtsrichtlinie ohne Artikel 13 verabschiedet wird. Ich sehe die | |
Möglichkeit, dass die vorgelegte Richtlinie am Ende auf Grund der der | |
anhaltenden Diskussionen um Artikel 13 im europäischen Parlament keine | |
Mehrheit erhält.“ | |
## Petition und Proteste | |
GegnerInnen der Reform überreichten vergangenen Montag [7][eine Petition] | |
von über 4,7 Millionen Unterschriften an Barley, in der sie die Streichung | |
der Artikel 11 und 13 fordern. Barley sagte in diesem Zusammenhang, eine | |
Änderung sei nicht ihre alleinige Entscheidung, sondern die der | |
Bundesregierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel [8][verteidigte auf einer | |
Digitalkonferenz] des Vodafone-Instituts am Dienstag den ausgehandelten | |
Kompromiss zur EU-Reform. | |
Nach den Trilog-Verhandlungen Mitte Februar protestierten mehrere Tausend | |
Menschen gegen das Ergebnis in Köln. Neue Demos sind bereits angekündigt. | |
Ob die Reform durchgeht oder nicht, liegt nun fast ausschließlich beim | |
EU-Parlament. Formal muss der Rat die Entscheidung der Botschafter noch | |
einmal absegnen. Ein konkretes Datum für die finale Abstimmung im | |
Europaparlament steht noch nicht fest. | |
21 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Urheberrechtsreform-der-EU/!5575122 | |
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CONSIL%3AST_6637_20… | |
[3] https://twitter.com/katarinabarley/status/1098229171338338312 | |
[4] /EU-Urheberrechtsreform/!5573394 | |
[5] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb28… | |
[6] http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20190212IPR26152/einigung-… | |
[7] /Petition-gegen-EU-Urheberrechtsreform/!5573929 | |
[8] https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-m… | |
## AUTOREN | |
Anna Grieben | |
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