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# taz.de -- Deutsche IS-Kämpfer in kurdischer Haft: Pass weg, Problem weg?
> Behörden prüfen Rückholung deutscher IS-Kämpfer aus Syrien. Und die
> Bundesregierung streitet über einen zweiten Weg: Passentzüge.
Bild: Festnahme eines IS-Mitglieds im syrischen Idlib
Berlin taz | Bei der [1][Diskussion um die Rückholung deutscher
IS-Angehöriger,] die in Syrien in kurdischer Haft sitzen, bereitet die
Bundesregierung nun auch einen zweiten Weg vor. Bereits im November hatte
das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen
Passentzug von deutschen IS-Kämpfern vorsieht, wenn diese noch eine zweite
Staatsbürgerschaft haben. Über diesen aber gibt es Streit in der Koalition.
Das Vorhaben ist bereits im Koalitionsvertrag verankert. Günter Krings,
Staatssekretär von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), sprach am
Montag auf dem Polizeikongress in Berlin von einem wichtigen Vorhaben – und
kritisierte zugleich das Bundesjustizministerium, wo der Gesetzentwurf seit
November zur Ressortabstimmung liege. Es wäre erfreulich, wenn das Thema
dort „mit Dringlichkeit behandelt würde“. Auch CSU-Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt warf Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD)
„Verschleppung“ vor. Diese sei bei diesem Thema „höchst fahrlässig“.
Barley wies die Kritik zurück: Sie sei sich mit Seehofer einig, dass
Vorhaben „zeitnah“ umzusetzen. „Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält
allerdings Regelungen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen.“ Darüber
führe man momentan Gespräche. „Wir brauchen verfassungskonforme Lösungen�…
betonte Barley.
Tatsächlich ist das Vorhaben juristisch heikel. Ein Passentzug kann nur
stattfinden, wenn die Betroffenen damit nicht staatenlos werden. Laut einem
BKA-Papier dürfte das etwa ein Drittel der gut 1.000 ausgewanderten,
deutschen IS-Anhänger betreffen, die Doppelstaatler sind – die meisten von
ihnen haben noch türkische, marokkanische oder tunesische Pässe.
## Aufforderung von Trump
Die Zahl derer, die aber tatsächlich die deutsche Staatsbürgerschaft
verlieren könnten, ist weit kleiner. Denn laut Gesetzentwurf müssen ihnen
dafür konkrete terroristische Kampfhandlungen nachgewiesen werden – und
diese Beweisführung ist alles andere als leicht. Zudem sind Minderjährige
von der Maßnahme ausgenommen. Und auch rückwirkend soll das Gesetz nicht
gelten. Heißt: Für die jetzt in Syrien inhaftierten Islamisten gilt das
nicht.
Das geplante Gesetz sei dennoch eine „klare Botschaft an die salafistische
Szene“, erklärte ein Sprecher Seehofers. Damit würde klargemacht, dass
terroristische Kampfhandlungen künftig nicht nur strafrechtliche, sondern
auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen hätten. Wer für den IS kämpfe,
manifestiere, dass er „sich von Deutschland und seiner grundlegenden
Werteordnung abgewandt hat“.
Dieses Ansinnen unterstützt Justizministerin Barley. Den Gesetzentwurf aber
sieht sie dennoch kritisch, weil das Innenministerium dort auch noch andere
Maßnahmen untergebracht hat. So soll etwa die Erteilung einer doppelte
Staatsbürgerschaft an sich erschwert werden. Auch soll die Frist verlängert
werden, mit der „rechtswidrige“ Einbürgerungen, die etwa aufgrund der
Angabe einer falschen Identität erfolgten, wieder zurückgenommen werden
kann: von fünf auf zehn Jahre.
Besonders eilig hatte man es mit dem Gesetzentwurf im Justizministerium
deshalb nicht. Auch, weil dieser vom Innenministerium selbst nicht als
prioritär erklärt wurde, wie es heißt. Dort drängte man vor allem mit dem
Gesetz zu strafferen Abschiebungen. [2][Nachdem nun aber US-Präsident
Donald Trump Deutschland und andere aufforderte,] IS-Gefangene aus ihren
Ländern zurückzuholen, änderte sich die Lage.
## Massiver Personaleinsatz
Tatsächlich prüfen Sicherheitsbehörden seit Monaten hinter den Kulissen die
Rückholung von einigen gefangenen deutschen IS-Anhängern aus Syrien. Laut
einem Dossier des Auswärtigen Amtes, aus dem die ARD zitiert, sitzen dort
63 Islamisten aus Deutschland in kurdischer Haft, 42 haben die deutsche
Staatsbürgerschaft. Gegen 32 von ihnen laufen Ermittlungen, in 18 Fällen
liege ein Haftbefehl durch die Bundesanwaltschaft vor.
Wer IS-Kämpfer ist, hat sich damit bereits als Mitglied einer ausländischen
terroristischen Vereinigung strafbar gemacht. Der Nachweis einer konkreten
Beteiligung an Kampfhandlungen oder Folter ist nicht erforderlich. Manchmal
lässt sich aber auch dies belegen, trotz des weit entfernten Tatorts.
Unvorsichtige Dschihadisten, die Selfies mit abgeschlagenen Köpfen posten
oder auf beschlagnahmten Smartphones speicherten, ermöglichten schon manche
Anklage wegen Mordes oder anderer konkreter Delikte.
Ein kleinerer Teil der Rückkehrer sind Frauen. Vor einem Jahr kündigte
Generalbundesanwalt Peter Frank an, er werde Frauen als IS-Mitglieder
anklagen, wenn sie einen IS-Kämpfer geheiratet haben und im IS-Gebiet ein
Kind zur Welt brachten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Idee jedoch
abgelehnt. Das bloße Hausfrauen-Dasein genügt nicht für eine
IS-Mitgliedschaft. Frank aber gab nicht auf und stellte fest, dass er den
IS-Rückkehrerinnen oft auch mehr nachweisen kann: Unterstützung der
Religionspolizei, Patrouillentätigkeit, werbende Aufrufe im Internet,
Plünderungen. Das genügte dem BGH.
Wenn der BGH-Ermittlungsrichter keinen Haftbefehl erlässt, können die
IS-Rückkehrer polizeirechtlich überwacht werden. Die Befugnisse sind in
jedem Bundesland anders. Zumindest wird in jedem Fall geprüft, ob eine
Einstufung als Gefährder erforderlich ist. Wenn ja, prüfen die
Sicherheitsbehörden laufend, welche Maßnahmen möglich sind. Allerdings
erfordert ein Rund-um-die-Uhr-Überwachung einen massiven Personaleinsatz
von rund 30 Polizisten pro Person.
19 Feb 2019
## LINKS
[1] /Deutsche-IS-Kaempfer-in-Syrien/!5571057
[2] /Ruecknahme-von-deutschen-IS-Kaempfern/!5573801
## AUTOREN
Konrad Litschko
Christian Rath
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