# taz.de -- Verlust deutscher Staatsangehörigkeit: Ein Gesetz für die Zukunft | |
> Die Koalition plant eine Regelung zum Verlust der Staatsbürgerschaft. Sie | |
> kann nicht auf rückkehrwillige IS-Kämpfer angewandt werden. | |
Bild: Auch die kurdische YPG, die in Syrien den IS bekämpft, wäre von der Reg… | |
Freiburg taz | Wer als Doppelstaatler für eine ausländische Terrormiliz | |
kämpft, soll künftig seine deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Auf einen | |
entsprechenden Gesetzentwurf haben sich jetzt [1][Innenministerium und | |
Justizministerium geeinigt]. | |
Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann die Regelung nur Wirkung für die | |
Zukunft haben. Denn ein „Verlust“ der Staatsbürgerschaft darf nur an ein | |
Verhalten geknüpft werden, das der Betroffene vermeiden könnte (indem er | |
die Regeln beachtet). Ansonsten läge eine laut Artikel 16 Grundgesetz | |
verbotene „Entziehung“ der Staatsbürgerschaft vor. Dass die Regelung auf | |
aktuell rückkehrwillige IS-Kämpfer nicht anwendbar sein wird, war zwischen | |
Innen- und Justizministerium unstrittig. | |
Ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen kann die Regelung nur für | |
Doppelstaatler gelten. Denn laut Grundgesetz darf der Verlust der deutschen | |
Staatsbürgerschaft nicht dazu führen, dass jemand staatenlos wird. | |
Geändert werden soll Paragraf 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Darin | |
ist schon bisher der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vorgesehen, | |
wenn jemand ohne deutsche Genehmigung in Streitkräfte eines anderen Staates | |
eintritt, dessen Staatsbürgerschaft er auch innehat. Künftig soll Paragraf | |
28 auch dann gelten, wenn jemand „für eine Terrormiliz an Kampfhandlungen | |
im Ausland teilnimmt“. Das Innenministerium rechnet laut Gesetzentwurf mit | |
„Fallzahlen im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich“ pro Jahr. | |
## Automatischer Verlust der Staatsbürgerschaft | |
Der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft würde also automatisch | |
eintreten. Es gibt kein Ermessen der Behörden. Nur aus Gründen der | |
Rechtssicherheit soll der Verlust durch einen behördlichen Bescheid | |
„festgestellt“ werden. Zuständig wäre hierfür kein Gericht, sondern das | |
jeweilige Landesinnenministerium. | |
Diese Feststellung ist durchaus anspruchsvoll. Es muss bewiesen werden, | |
dass jemand etwa in Syrien an Kampfhandlungen teilgenommen hat. Der Verlust | |
der Staatsbürgerschaft träfe also nur diejenigen, denen man auch einen | |
Strafprozess machen könnte. Wer in Deutschland mangels Beweisen nur | |
überwacht werden kann, würde auch seine Staatsbürgerschaft behalten und | |
dürfte damit jederzeit einreisen. | |
Der Gesetzentwurf betrifft nicht jede Terrorgruppe, sondern nur den Kampf | |
für eine „Terrormiliz“. Diese ist im Gesetzentwurf definiert als | |
„paramilitärisch organisierter bewaffneter Verband, der das Ziel verfolgt, | |
in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates | |
gewaltsam zu beseitigen und an deren Stelle neue staatliche oder | |
staatsähnliche Strukturen zu errichten“. Dadurch ist nicht nur der IS | |
erfasst, sondern etwa auch die kurdische YPG, die in Syrien mit dem Westen | |
verbündet ist, den IS bekämpft und eigene autonome Territorien („Rojava“) | |
aufbaut. | |
## Welche Gruppen gelten als Terrormiliz? | |
Doch wer stellt fest, welche Gruppen als Terrormiliz gelten? Nach dem | |
bisherigen Gesetzentwurf kann dies jedes Bundesland selbst entscheiden. In | |
der Bundesregierung hofft man, dass sich die Länder schon irgendwie auf ein | |
einheitliches Vorgehen einigen werden. Sonst könnte ein Islamist einfach | |
seinen Wohnsitz in ein passendes anderes Land verlegen. | |
Die Änderung von Paragraf 28 war schon im Koalitionsvertrag vorgesehen. Den | |
Entwurf dazu hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) im November an | |
Justizministerin Katarina Barley (SPD) geschickt. Doch dort blieb er | |
liegen, weil Seehofer noch zahlreiche weitere Änderungen des | |
Staatsbürgerschaftsrechts vorsah, die nicht im Koalitionsvertrag stehen. | |
Jetzt einigten sich Seehofer und Barley darauf, dass zunächst nur Seehofers | |
Vorschlag zu den Terrormilizen umgesetzt werden soll – dieser aber | |
unverändert. | |
5 Mar 2019 | |
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[1] /Einigung-bei-Vorgehen-gegen-Islamisten/!5577667 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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