| # taz.de -- Gestapo-Gedenken in Hamburg: Die Zentrale des Terrors | |
| > Der Gedenkort „Stadthaus“ in Hamburg ist eine Blamage. Im Stuttgarter | |
| > „Hotel Silber“ ist zu sehen, wie es hätte werden können. | |
| Bild: Historischer Verbindungsgang, gescheitertes Konzept: Der „Geschichtsort… | |
| Hamburg taz | Es ist ein Gründerzeithaus der Stuttgarter Innenstadt, nur | |
| ein paar Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt. In der Dorotheenstraße Nummer | |
| 10 steht das ehemalige „Hotel Silber“, das ab 1933 Zentrale der Politischen | |
| Polizei Stuttgarts und ab 1936 Leitstelle der Gestapo war. Seit dem | |
| vergangenen Dezember beherbergt es einen [1][Erinnerungsort]. | |
| Die Parallelen zu Hamburg sind deutlich: Auch dort befindet sich der | |
| frühere Sitz von Gestapo, Kripo und Sicherheitsdienst, das „Stadthaus“, in | |
| bester Innenstadtlage. In Stuttgart war geplant, das geschichtsträchtige | |
| Gebäude rigoros abzureißen und etwas Neues zu bauen; in Hamburg sollte | |
| komplett umgebaut werden. In beiden Städten sollte irgendwo inmitten des | |
| anvisierten baulichen Neubeginns eine Art kleinerer Gedenk- und | |
| Informationsort entstehen. Nur gibt es einen entscheidenden Unterschied: In | |
| Stuttgart ist schließlich das Projekt einer informativen wie würdigen | |
| Erinnerungsstätte überzeugend gelungen. In Hamburg ist man nach derzeitigem | |
| Stand krachend gescheitert. | |
| Dort beginnt die neuere Geschichte des Stadthauses, das die neuen | |
| Eigentümer unter dem werbischen Namen Stadthöfe vermarkten, als der | |
| damalige CDU-Senat 2009 das Gebäude für 54 Millionen Euro an den | |
| Immobilien-Entwickler Quantum verkauft. Der wandelt das Gebäude um, schickt | |
| es auf. Heute ist ein hochpreisiges Hotel eingezogen, dazu gesellen sich | |
| Gastronomie und exquisiter Einzelhandel, Glas und Stahl bestimmen die | |
| Szenerie. | |
| Anfangs waren im Erdgeschoss 700 Quadratmeter für einen Informations- und | |
| Gedenkort eingeplant und auch vertraglich mit der Stadt vereinbart. Doch | |
| nun lädt auf der vorgesehenen Fläche ein Café zum Verweilen ein, eine | |
| Buchhandlung zum Bücherkaufen. Wer etwas über die Historie des Ortes | |
| erfahren möchte, findet sich auf lediglich 70 Quadratmetern | |
| Ausstellungsfläche wieder. | |
| Bei den dort präsentierten Materialien und Dokumenten handelt es sich | |
| mitnichten um die geplante Dauerausstellung zur NS-Geschichte des | |
| Stadthauses. Denn obwohl seit 2009 feststand, dass es diese Ausstellung | |
| geben soll, wurde bei der Eröffnung neun Jahre später lediglich eine Art | |
| Best-of einer Ausstellung über die NS-Geschichte der Hamburger Polizei aus | |
| dem Jahr 2012 präsentiert. Eine eigens auf den Raum zugeschnittene | |
| Dauerausstellung werde derzeit unter der Regie der KZ-Gedenkstätte | |
| Neuengamme erarbeitet, heißt es aus der zuständigen Hamburger | |
| Kulturbehörde. Zu sehen sein sollte sie zunächst im Sommer 2019, nun soll | |
| es der Herbst werden. | |
| Da hat man in Stuttgart ganz anders gehandelt, auch wenn es kein leichter | |
| Weg dorthin war: „Auch bei uns hatte das Land als Eigentümer des Gebäudes | |
| mit dem Kaufhaus Breuningen einen Partner mit eigenen Interessen“, beginnt | |
| Friedemann Rincke zu erzählen, einer der beiden Kuratoren der | |
| Dauerausstellung im Hotel Silber. „Das ist ja auch nicht verwerflich. Aber | |
| dagegen hat sich Widerstand formiert und es hat ein anderes Ende genommen.“ | |
| Rincke war vorher in der Gedenkstätte Buchenwald und im Deutsch-Russischen | |
| Museum Karlshorst tätig. Als er nach Stuttgart kam, sei der Stand folgender | |
| gewesen, erinnert er sich: „Hier entsteht ein Quader mit einem | |
| Einkaufszentrum und weiteren Verkaufsflächen.“ Budgetiert war, wie in | |
| Hamburg, dass im Rahmen des Neubaus ein Informationsort eingerichtet werden | |
| sollte: „Was mit Polizei und Nationalsozialismus, konzeptionell war das | |
| noch sehr unausgereift“, sagt Rincke. | |
| ## Empörung prägte die Stadt | |
| Es folgte Stuttgart 21, Protest und Empörung prägten die Stadt. Die Bürger, | |
| die sich zuvor in der „Initiative Hotel Silber“ zusammengeschlossen hatten, | |
| um den Ort zu retten, ließen nicht locker: Mit Demonstrationen und | |
| Unterschriftenlisten, mit Eingaben und Flash-Mobs sorgten sie für | |
| anhaltende Aufmerksamkeit. | |
| Schließlich die Landtagswahl 2011 mit dem überraschenden Ergebnis, dass | |
| sich an der Seite des Grünen Ministerpräsidenten Wilfried Kretschmann die | |
| SPD als Juniorpartner in der Landesregierung wiederfand. Das sollte das | |
| Projekt „Hotel Silber“ beflügeln, für das die SPD im Wahlkampf geworben | |
| hatte. „Es war die Landes-SPD, die das Hotel Silber zu ihrem Herzensprojekt | |
| gemacht hat,“, sagt Rincke. Dessen Realisierung ließ sie nun in den | |
| Koalitionsvertrag eintragen: „Und damit war der Erhalt des Gebäudes | |
| politisch abgesegnet.“ | |
| Es folgte eine längere Planungsphase, immer unter dem kritischen Blick der | |
| Bürgerinitiative: „Es gab anfangs alle Varianten – von ‚wir brauchen das | |
| ganze Haus‘ bis ‚eine Etage muss reichen‘“, so Rincke. Am Ende musste er | |
| eine schmerzliche Kürzung hinnehmen: „Wir hatten gedacht, dass wir die | |
| Dauerausstellung auf zwei Stockwerken präsentieren können, das mussten wir | |
| halbieren.“ | |
| ## Mehr als eine Dauerausstellung | |
| So ist es nun eine Gesamtfläche von 1.400 Quadratmetern mit 330 | |
| Quadratmetern reiner Dauerausstellungsfläche geworden. „Für mich ist das | |
| knapp an der kritischen Masse, wo man es noch vernünftig machen kann“, sagt | |
| Rincke. Wo man einen thematischen roten Faden spinnen könne, der halte; wo | |
| man keine allzu großen zeitlichen Sprünge machen und nicht zu viele Themen | |
| weglassen müsse. | |
| Viereinhalb Millionen Euro wurden in die Sanierung des Gebäudes investiert; | |
| in den Innenausbau und die Gestaltung der Stuttgarter Dauerausstellung | |
| flossen drei Millionen Euro. Jährlich steht der Einrichtung ein Etat in | |
| Höhe von 560.000 Euro zur Verfügung. „Er sichert uns ein vernünftiges | |
| Überleben, auch wenn wir keine allzu großen Sprünge machen können“, sagt | |
| er. | |
| Immerhin kann das Haus mehr bieten als nur seine Dauerausstellung: 270 | |
| Quadratmeter sind für Wechselausstellungen vorgesehen; zur Verfügung stehen | |
| außerdem zwei Seminarräume und mit dem 125 Quadratmeter großen | |
| ausgestalteten Foyer ein Veranstaltungsraum. | |
| ## Anderer Umgang mit Akteuren | |
| Für ein vergleichbares Angebot sollen im Hamburger Stadthaus übrigens die | |
| schon erwähnten 70 Quadratmeter reichen: für „Ausstellung, Seminare, | |
| Veranstaltungen, Inszenierungen, Dokumentationen“, so listet es eine | |
| Senatsdrucksache auf. | |
| Grundsätzlich anders ist in Stuttgart auch der Umgang mit Akteuren | |
| außerhalb der Stadtverwaltung. Die wollte man in Hamburg zunächst außen vor | |
| lassen, auch wenn etwa die Hamburger Geschichtsinitiativen sich frühzeitig | |
| bei der verantwortlichen Kulturbehörde nach dem Stand der Konzeption | |
| erkundigt und ihre Mitarbeit angeboten hatten. | |
| Erst als durchsickerte, wie sich die Ausstellungsfläche immer weiter | |
| verkleinerte, als der Projektentwickler Quantum die Oberlichter zum Keller | |
| mit den ehemaligen Gefängniszellen mit flotten Sprüchen wie „Kopp hoch, | |
| Chérie“ verzierte und nicht nur Angehörige von hier misshandelten NS-Opfern | |
| vor den Kopf stieß, als sich die Geschichtsinitiativen und Vertreter der | |
| Angehörigen-Verbände ehemaliger NS-Verfolgter zur [2][„Initiative Lernort | |
| Stadthaus“] zusammenschlossen – als also schlicht immer mehr Ärger in der | |
| Luft lag, wurde ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. Der hat aber | |
| lediglich beratende Funktion; die Hamburger Kulturbehörde kann ihn anhören, | |
| er hat aber nichts mitzuentscheiden. | |
| ## Lohnendes Aufeinanderzugehen | |
| Im Stuttgarter Hotel Silber sitzt man dagegen längst an einem Tisch. „Es | |
| war schnell klar, dass die Bürgerinitiative mit im Boot bleibt und auch | |
| akzeptiert wird und nicht nach und nach weggedrängt wird“, sagt Friedemann | |
| Rincke. | |
| Aber die Bereitschaft der Stadt zur Beteiligung und das Aufeinanderzugehen | |
| beider Seiten habe sich gelohnt: „Die Beteiligung der Bürgerinitiative, in | |
| welchen Gremien sie sitzt, welches Stimmrecht sie dort jeweils hat, aber | |
| auch ihre Pflichten wurden am Ende vertraglich geregelt“, so Rincke. Er | |
| betont mit einigem Stolz in der Stimme: „Alles, was Sie heute hier sehen, | |
| jeder Text und jede Beschriftung ist mit der Initiative diskutiert.“ Er | |
| holt tief Luft und sagt: „Wirklich jeder Satz!“ Gewiss, das sei mühsam | |
| gewesen – je mehr Beteiligte zusammensäßen, desto mehr Meinungen und | |
| Einschätzungen gebe es. | |
| Das fängt an im Eingangsbereich, wo anhand nur weniger Exponate pointiert | |
| die Nachkriegsgeschichte des Gebäudes erzählt wird – etwa mit einem Foto | |
| der Fassade, auf dem in den Nachkriegsjahren die Hakenkreuzfahnen lieber | |
| wegretuschiert wurden. | |
| ## Perfektes Unterdrückungshandwerk | |
| Gezeigt wird aber vor allem, wie stringent im Hotel Silber die Gestapo und | |
| auch die Kripo lückenlos ihr Unterdrückungshandwerk perfektionierten; wie | |
| aus den nüchternen Amtsstuben heraus politische Gegner erst überwacht, dann | |
| eingeschüchtert und schließlich verfolgt wurden; wie die Deportation der | |
| Stuttgarter Juden und der Roma und Sinti organisiert wurde; wie man | |
| Zwangsarbeiter drangsalierte; wie noch in den letzten Kriegstagen im Hause | |
| Verbrechen verübt wurden oder wie die vor den einrückenden Franzosen | |
| fliehenden Gestapobeamten sich zur Geheimorganisation „Elsa“ | |
| zusammenschlossen, die Verbindungen bis nach Hamburg knüpfte – da schließt | |
| sich der Kreis noch mal ganz anders. | |
| Es gibt viel zu lesen und zu betrachten, Originalexponate und Schautafeln | |
| ebenso wie auf Tablets. Dabei gelingt etwas Außerordentliches: Die | |
| Ausstellung zeigt so exemplarisch wie umfassend die Geschichte des Hauses; | |
| sie setzt auf viele Details und schafft es zugleich, den Blick auf das | |
| große Ganze des NS-Regimes zu schärfen. Sie macht damit überdeutlich, wie | |
| kolossal Hamburg an derselben Herausforderung gescheitert ist. | |
| 5 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.geschichtsort-hotel-silber.de/ | |
| [2] http://www.foerderkreis-stadthaus.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Frank Keil | |
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