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# taz.de -- Offener Brief zu Gestapo-Gedenkort: 70 Quadratmeter sind nicht genug
> Zum Wirrwarr um den Hamburger Gedenkort Stadthaus haben Historiker einen
> offenen Brief verfasst. Und fragen: Was macht ihr da bloß?
Bild: Verbindungsgang im „Geschichtsort Stadthaus“: Seit Anfang Mai wird in…
Hamburg taz | In einem offenen Brief haben renommierte Historiker*innen,
die sich in den vergangenen Jahren mit der Aufarbeitung der Polizei- und
Verfolgungsgeschichte der NS-Zeit beschäftigt haben, ihren Unmut über den
Umgang der Stadt Hamburg mit dem geplanten Gedenk- und Lernort Stadthaus
formuliert. Es sei befremdlich, dass diese gesellschaftliche Aufgabe an den
privaten Investor Quantum delegiert worden sei, Bürgermeister Peter
Tschentscher (SPD) solle persönlich für einen angemessen Lern- und
Gedenkort sorgen, schreiben sie.
Die Liste der Unterzeichner ist ob deren Fachlichkeit beeindruckend:
Michael Wildt von der Berliner Humboldt-Uni hat ebenso unterschrieben wie
Thomas Lutz von der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin oder
Christel Trouvé und Marcus Meyer vom Denkort Bunker Valentin in Bremen.
Dabei ist auch Gerhard Paul aus Flensburg, Herausgeber der Grundlagenwerke
der Geschichte der Geheimen Staatspolizei und der Kieler
Geschichtsdidaktiker Karl Heinrich Pohl.
„Es gab bundesweit ein hohes Interesse führender Experten, die wissen
wollten: ‚Was macht ihr da eigentlich in Hamburg?‘“, sagt Wolfgang
Kopitzsch, der den Brief mit auf den Weg gebracht hat. Der Historiker ist
nicht nur Bundes- und Landesvorsitzender des Arbeitskreises ehemals
verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten, er war auch von 2012 bis 2014
Polizeipräsident in Hamburg. Er gilt als einer der besten Kenner der
Polizeigeschichte Hamburgs.
Kopitzsch sieht Spielraum für eine Neubewertung der Situation: „Der
Hamburgischen Bürgerschaft ist immer wieder berichtet worden, im Stadthaus
würde ein Gedenk- und Lernort entstehen; so steht es auch in diversen
Bürgerschaftsdrucksachen. Davon kann aber keine Rede sein.“ Entsprechend
könne man sich fragen, ob Quantum seinen Vertrag zur Errichtung eines
solchen Ortes erfüllt habe.
Interessant ist, dass auch die Historiker*innen des Gedenk- und
Informationsortes Villa Ten Hompel in der Stadt Münster den offenen Brief
unterzeichnet haben. In Münster, einer 312.000-Einwohner-Stadt, hat man in
der ehemaligen Villa eines Fabrikanten, in der ab 1940 die Ordnungspolizei
untergebracht war, die unheilvoll im Ruhrgebiet, aber auch in Belgien
agierte, auf 250 Quadratmetern eine Dauerausstellung errichtet. Dieser
schließen sich Seminarräume, ein Veranstaltungssaal sowie eine Bibliothek
an, so dass man am Ende auf 1.300 Quadratmeter Fläche kommt.
In der Stadt Hamburg mit ihren rund. 1,83 Millionen Einwohnern sollen nun
70 Quadratmeter reichen, um sowohl die Arbeit der Norddeutschen Gestapo,
der Sicherheits- wie der Ordnungspolizei zu beleuchten. Die Verfolgung
politischer Oppositioneller, die Überwachung der in und um Hamburg
eingesetzten Zwangsarbeiter durch polizeiliche Abteilungen soll Thema
werden, ebenso die Beteiligung Hamburger Polizeikräfte an den Deportationen
von Juden, Sinti und Homosexuellen. Und auch die Geschichte des
Widerstandes der Kommunisten über die Sozialdemokraten bis zu Christen
gegen das NS-Regime, und derjenigen, die im Stadthaus verhört und gefoltert
wurden, soll auf der Fläche berücksichtigt werden.
Es wird spannend, ob dieser offene Brief die zurzeit zurückhaltende
Hamburger Historikerszene dazu animieren wird, sich gleichfalls zu
öffentlichen Statements zu entschließen. Der auf Drängen von
protestierenden Opferverbänden von der Hamburger Kulturbehörde eher
widerwillig eingerichtete Beirat, der die Ausarbeitung und Gestaltung der
kommenden Mini-Ausstellung in 2019 begleiten soll und der in
nichtöffentlichen Sitzungen tagt, schweigt sich jedenfalls öffentlich
bisher aus.
Hinter den Kulissen, so ist zu hören, sei man recht ratlos, wie man aus der
verfahrenen Situation herauskommen könne. Völlig abgetaucht ist der grüne
Koalitionspartner, der in der Vergangenheit das Feld der Erinnerungspolitik
ohnehin weitgehend unbesetzt ließ.
1 Jul 2018
## AUTOREN
Frank Keil
## TAGS
Gedenkort
Gestapo
Hamburg
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Erinnerungskultur
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NS-Gedenken
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