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# taz.de -- Bayerisches Polizeiaufgabengesetz: Die nächste Verfassungsbeschwer…
> Das Bündnis NoPAG klagt weiter: Jetzt auch gegen die bundesweit
> beispiellose Verschärfung der bayrischen „Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“.
Bild: Der Widerstand gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz findet nicht nu…
Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht soll [1][das verschärfte
bayerische Polizeigesetz] kippen. Deshalb legt das Bündnis NoPAG mit
Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) jetzt eine
Verfassungsbeschwerde ein. „Das Gesetz verstößt gegen zentrale
rechtsstaatliche Grundsätze“, sagte der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer bei
der Vorstellung der Klage in München.
Der bayerische Landtag hatte das novellierte Polizeiaufgabengesetz (PAG) im
Mai 2018 beschlossen. Eigentlich wollte die CSU mit der Verschärfung bei
konservativen Wählern punkten. Dann aber gab es unerwartet große Proteste.
Höhepunkt war eine Demonstration in München [2][mit über 30.000
Teilnehmern], organisiert vom breiten Bündnis NoPAG, dem unter anderem die
Grünen, die FDP und die Linkspartei angehören.
Konkret klagen jetzt zehn Personen, die in München leben oder arbeiten. Mit
dabei ist die Journalisten Laura Meschede, die auch für die taz schreibt,
drei Anwälte, ein Arzt, und zwei Fußball-Fanaktivisten. Sie alle machen
sich Sorgen, weil sie oft mit Extremisten, Kriminellen, Drogenabhängigen
und Gewalttätern zu tun haben.
Das Polizeigesetz regelt Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und gilt, bevor etwas
passiert ist. Zentraler Kritikpunkt an der Novellierung ist die Absenkung
der polizeilichen Eingriffsschwelle. Traditionell kann die Polizei erst bei
einer konkreten Gefahr aktiv werden, also wenn der Eintritt des Schadens
unmittelbar bevorsteht.
Bayern hat die Schwelle aber schon 2017 für einzelne Maßnahmen auf eine
„drohende Gefahr“ abgesenkt. 2018 wurde dies auf viele weitere, auch sehr
schwerwiegende Maßnahmen ausgeweitet. Möglich sind bei einer drohenden
Gefahr jetzt etwa das Abhören von Telefonen, die Online-Durchsuchung von
Computern oder der Einsatz von Verdeckten Ermittlern und V-Leuten.
Eine „drohende Gefahr“ wird laut Gesetz angenommen, wenn es „in absehbarer
Zeit“ zu einem Angriff auf ein bedeutendes Rechtsgut, wie Leben, Freiheit
oder „erhebliche Eigentumspositionen“ kommen kann. Für die Annahme einer
drohenden Gefahr kann sich die Polizei auf das „individuelle Verhalten
einer Person“ berufen oder auf „Vorbereitungshandlungen“ (von wem auch
immer), die den Schluss auf ein „seiner Art nach konkretisiertes Geschehen“
zulassen.
## Zwei weitere Verfassungsbeschwerden anhängig
„Damit könnte die Polizei zum Beispiel Informationen über die Lieferung
einer gefährlichen Chemikalie in den Raum München ausreichen lassen, um
massenhaft Personen intensiv zu überwachen, weil sie Kontakte zu
islamistischen Kreisen pflegen“, schreibt der Freiburger Privatdozent
Matthias Hong in der von der GFF organisierten Klageschrift. Bayern beruft
sich bei seiner Schwellenabsenkung zwar auf das BKA-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 2016. Doch Hong weist detailliert nach, dass
Bayern die Vorgaben aus Karlsruhe nicht eingehalten hat.
Ein zweiter Klagegrund bezieht sich auf den Einsatz von Explosivmitteln wie
Panzerfäusten und Handgranaten. Nach der Analyse von Hong soll die Polizei
diese Mittel zur Gefahrenabwehr künftig auch dann einsetzen dürfen, wenn
„mit hoher Wahrscheinlichkeit“ auch Unbeteiligte verletzt oder getötet
würden.
Ein denkbares Szenario ist etwa der Angriff auf einen bayerischen
Weihnachtsmarkt mit einem Lastwagen, wie in Berlin vor zwei Jahren. Wenn
ein Polizist zufällig eine Panzerfaust dabei hätte, könnte er den LKW in
letzter Sekunde stoppen, auch wenn dabei Umherstehende oder eine Geisel im
Fahrerhaus hochgradig gefährdet würden. Hong lehnt die Opferung von
Unschuldigen in solchen Fällen jedoch ab, da dies die Menschenwürde
verletze. „Leben darf nicht gegen Leben aufgerechnet werden“, heißt es in
der Klageschrift. Die Polizei dürfe sich keiner „Kriegslogik“ unterwerfen.
Die Verfassungsbeschwerde soll am Samstag in Karlsruhe eingereicht werden.
Beim Bundesverfassungsgericht sind schon zwei weitere
Verfassungsbeschwerden gegen das PAG anhängig, unter anderem von
Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Dazu
kommt ein Antrag auf Normenkontrolle, den die
Bundestags-Oppositionsparteien FDP, Linkspartei und Grüne gemeinsam
eingereicht haben. Weitere Klagen liegen beim Bayerischen
Verfassungsgerichtshof in München.
Die Klagen könnten aber allesamt ins Leere gehen. Denn nach der
bevorstehenden Landtagswahl wird die CSU die bundesweit beispiellose
Verschärfung des Polizeigesetzes wohl zurücknehmen müssen – jedenfalls,
wenn sie mit einer anderen Partei als der AfD koalieren wird.
Im Polizeialltag nutzt die Polizei vor allem die Strafprozessordnung, die
die Aufklärung bereits begangener Straftaten regelt. Das präventive
Polizeigesetz eignet sich aber besser für die Symbolpolitik von
Landespolitikern, denn es ist ein Landesgesetz.
5 Oct 2018
## LINKS
[1] /Neues-Polizeigesetz-in-Bayern/!5529642
[2] /Muenchner-Demos-gegen-Politik-der-Angst/!5537916
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Polizei
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Bundesverfassungsgericht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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