# taz.de -- Waffenverbot in Berliner S-Bahn: Gefährliches Partypublikum | |
> Die Bundespolizei will S-Bahnfahrer*innen auf gefährliche Gegenstände | |
> kontrollieren. Ziel sei vor allem das Partypublikum. | |
Bild: Bewaffnete Fahrgäst auf dem Weg zur S-Bahn? | |
BERLIN taz | Die Bundespolizei in Berlin hat für drei Monate die S-Bahn | |
[1][zur temporären Waffenverbotszone erklärt]. Ab 1. November will sie bis | |
zum 31. Januar an Wochenendnächten Bahnfahrer*innen kontrollieren und ihnen | |
potenziell gefährliche Gegenstände abnehmen. | |
Dabei geht es einerseits um Waffen, die ohnehin verboten sind, aber auch um | |
Gegenstände, deren Mitführen eigentlich erlaubt ist, wie Pfefferspray, | |
kleine Messer, Werkzeug oder gar Korkenzieher. Das Verbot umfasst alle | |
S-Bahn-, Regional- und Fernbahnhöfe zwischen den Stationen Zoologischer | |
Garten und Lichtenberg – also einmal quer durch die Berliner Innenstadt. | |
Der Grund dafür sei, dass es „immer wieder zu strafrechtlich relevanten | |
Ereignissen unter Anwendung gefährlicher Werkzeuge gekommen ist“, teilte | |
die Bundespolizei mit. Durch das Verbot wolle man Gewaltdelikte verhindern, | |
erklärte deren Sprecher Matthias Lehmann. | |
In den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag würden | |
dafür zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens Beamt*innen an den Bahnhöfen | |
und in Zügen patroullieren, Personalien aufnehmen, Durchsuchungen | |
durchführen und gegebenenfalls auch Zwangsgelder verhängen. 250 Euro kann | |
es kosten, mit einem „gefährlichen Gegenstand“ unterwegs zu sein. | |
## Zur Zielgruppe zählt jeder | |
Es gelten jedoch das Augenmaß und der gesunde Menschenverstand, sagte | |
Lehmann. Zur Zielgruppe zähle zwar grundsätzlicher jeder, allerdings sollen | |
die Beamt*innen ein verstärktes Augenmerk auf Jugendliche, junge Erwachsene | |
und das Partypublikum richten. Unter dem Einfluss von Alkohol würden oft | |
schon kleinste Auseinandersetzungen zu schweren Gewaltdelikten führen – dem | |
wolle man entgegenwirken. Die rechtliche Grundlage für das Verbot ist | |
[2][eine Allgemeinverfügung im Rahmen des Bundespolizeigesetzes]. | |
Es handele sich jedoch immer um Einzelfallentscheidungen. „Wenn Sie ein | |
berechtigtes Interesse haben, können Sie Ihren Korkenzieher eventuell | |
behalten“, sagte Lehmann. | |
Genau diese Abwägung nach Augenmaß aber kritisieren Kriminologen. Das | |
Problem sei, dass sich polizeiliches Eingreifen weit ins Vorfeld möglicher | |
Straftaten verlagere, kommentierte der Kriminologie-Professor [3][Tobias | |
Singelnstein auf Twitter]. Die Schwelle entferne sich immer weiter von | |
realen Anhaltspunkten und hänge nur noch von Einschätzungen und Prognosen | |
der einzelnen Beamt*innen ab. | |
Das passt in einen bundesweiten Trend, der sich auch in den Neuerungen der | |
Polizeigesetze in mehreren Bundesländern spiegelt. So ist im Bayrischen | |
Polizeiaufgabengesetz von einer „drohenden Gefahr“ die Rede. | |
## Kriminalistischer Sachverstand ist nicht gefragt | |
Der Polizeiprofessor Rafael Behr warnte vor den Nebenwirkungen solcher | |
pauschalen Kontrollmaßnahmen. Zwar könne es durchaus sinnvoll sein, auf | |
Prävention statt Repression zu setzen. Allerdings richte sich der Blick der | |
Beamt*innen dabei schnell auf die „üblichen Verdächtigen“ wie migrantische | |
Jugendliche, die unter einen Generalverdacht fallen könnten. | |
Behr kritisierte zudem einen anderen Aspekt: Die Arbeit der Polizei | |
entwickelte sich durch solche Maßnahmen hin zu einem Kontrollregime, bei | |
dem kriminalistischer Sachverstand zunehmend in den Hintergrund gerate. Je | |
formalistischer die Polizei agiere, desto weniger müsse sie ihr Handeln | |
legitimieren. „Und wenn man keinen Verdacht mehr begründen muss, wozu | |
sollte man dann Profis ausbilden?“ Einfach in einen Rucksack zu gucken, | |
weil man es eben darf, das könne schließlich jeder. | |
Bei den S-Bahn-Kontrollen handelt sich um die zweite Runde eines Testlaufs: | |
Im Juni hatte die Bundespolizei in zwei Wochenendnächten 870 | |
S-Bahn-Fahrer*innen kontrolliert, damals auf einem kürzeren | |
Streckenabschnitt. [4][Die Ausbeute hielt sich in Grenzen]:Lediglich 24 | |
Menschen hatten gegen das erweiterte Waffenverbot verstoßen. 91 Straftaten | |
stellte die Polizei insgesamt fest, davon waren die meisten Verstöße gegen | |
das Betäubungsmittelgesetz. | |
Aus Sicht der Bundespolizei ist das ein Erfolg. Auch in anderen | |
Bundesländern wurden temporäre Waffenverbotszonen an Bahnhöfen | |
eingerichtet: Im Mai traf es Passant*innen des [5][Hamburger | |
Hauptbahnhofs], im Juli und September Reisende an mehreren [6][Bahnhöfen in | |
Nordrhein Westfalen]. | |
1 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundespolizei.de/Web/DE/04Aktuelles/01Meldungen/Nohomepage/1810… | |
[2] https://www.bundespolizei.de/Web/DE/04Aktuelles/01Meldungen/Nohomepage/1810… | |
[3] https://twitter.com/tsingelnstein/status/1057719961752346625 | |
[4] /Waffenkontrollen-durch-Bundespolizei/!5515369/ | |
[5] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article176618638/Kontrollen-Bundespo… | |
[6] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/waffenverbot-bahnhof-nrw-100.html | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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