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# taz.de -- Waffenkontrollen durch Bundespolizei: Ein Wochenende Rechtsunsicher…
> Die Bundespolizei hat temporäre Waffenverbotszonen an sechs S-Bahnhöfen
> durchgesetzt. Dabei gibt es starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
> Maßnahme.
Bild: Haben Sie einen Hammer dabei?
Berlin taz | Samstagnachmittag am Bahnhof Ostkreuz: Eine Durchsage weist
darauf hin, dass das Tragen von Waffen vorübergehend verboten sei. In der
Bahnhofshalle führen drei Polizisten einen Jugendlichen hinter einen
Zeitungskiosk, um ihn zu kontrollieren. Ähnliche Bilder wiederholen sich
bis in die Morgenstunden an allen größeren Umsteigebahnhöfen im Ostteil der
Stadt. An der Warschauer Straße sind gegen Mitternacht so viele
Polizist:innen unterwegs, dass Fahrgäste, die aus der S-Bahn steigen,
fast durch ein Spalier laufen müssen. Besonders junge Männer werden
aufgehalten und kontrolliert.
Grundlage des Einsatzes war eine Allgemeinverfügung der Bundespolizei „zum
Verbot des Mitführens von gefährlichen Gegenständen“ – auch temporäre
[1][Waffenverbotszone] genannt. Das Ziel sei die „Erhöhung der objektiven
und subjektiven Sicherheit“. Dabei geht es einerseits um Waffen, die
ohnehin verboten sind, aber auch um Gegenstände, deren Mitführen eigentlich
erlaubt ist, wie Pfefferspray, kleine Messer oder Werkzeug.
Die Verfügung galt Freitag und Samstag von 16 Uhr bis 5 Uhr morgens an den
S-Bahnöfen Friedrichstraße, Alexanderplatz, Ostbahnhof, Warschauer Straße,
Ostkreuz und Treptower Park. Die Bundespolizei begleitete ihren Einsatz, an
dem an beiden Tagen je 160 Beamte beteiligt waren, mit einem
Social-Media-Feuerwerk.
„Vier tschechische Männer im Alter zwischen 17 und 20 Jahren sind jetzt
ohne zwei Teleskopschlagstöcke, zwei Schlagringe und zwei Tüten Drogen in
Berlin unterwegs“, hieß es am Freitag nicht ohne Stolz auf Twitter. Die
viralste – weil in rechten Kreisen herumgereichte – Meldung dieser Art
stammt von Samstagnacht: Ein „28-jähriger Iraker“ habe ein „Messer mit c…
18 cm Klingenlänge“ mit sich geführt: Weil dies auch nach dem Waffengesetz
verboten sei, wurde es beschlagnahmt. Der Mann muss mit einer Anzeige
rechnen.
Normalerweise nicht verbotene Gegenstände wurden dagegen nur sichergestellt
und können – ohne Strafe – von den Betroffenen nach Beendigung der
Allgemeinverfügung abgeholt werden.
## 24 verbotene Waffen
Die Bilanz: Bei 1.500 Kontrollen wurden 59 Gegenstände sichergestellt,
darunter 35 temporär nicht erlaubte, etwa ein Hammer und ein Cuttermesser,
und 24 verbotene Waffen – insgesamt 35 Messer und 17 Reizstoffgeräte.
Obwohl gar nicht Gegenstand und Ziel der Allgemeinverfügung wurden 64
Verstöße gegen das Betäubungsmittelverbot festgestellt. Die Bundespolizei
sprach von einem „erfolgreich“ verlaufenen Einsatz, der zu einem
„Sicherheitsgewinn im Berliner Bahnverkehr beigetragen“ habe.
In ihrer 15-seitigen Begründung der Allgemeinverfügung hatte die
Bundespolizei Berlin darauf verwiesen, dass im „bahnpolizeilichen
Aufgabenbereich“ 2022 mehr als 3.500 Gewaltdelikte registriert wurden. Bei
382 davon seien Messer, Reizgas oder andere Waffen eingesetzt oder
mitgeführt worden. 99 dieser Vorfälle ereigneten sich an den nun
kontrollierten Bahnhöfen.
Bei den Angreifern habe es sich meist um „stark alkoholisierte Personen und
Personengruppen“ gehandelt. In einem FAQ teilte die Bundespolizei mit: „Die
Kontrollen erfolgen anlassbezogen und stichprobenhaft.“ Zudem gebe es
„Ausnahmen“, etwa für Handwerker oder Köche oder bei „Vorliegen eines
berechtigten Schutzbedürfnisses“, etwa „Tierabwehrspray bei jungen Frauen�…
## Übliche Verdächtige
Genau dieser Ermessensspielraum der Beamt:innen hatte schon bei den
ersten Versuchen der Waffenverbotszonen im [2][Sommer] und Winter 2018 für
harsche [3][Kritik] gesorgt. Polizeiforscher Tobias Singelnstein etwa hatte
kritisiert, dass sich polizeiliches Eingreifen weit ins Vorfeld möglicher
Straftaten verlagere. Die Schwelle entferne sich immer weiter von realen
Anhaltspunkten und hänge nur noch von Einschätzungen und Prognosen der
einzelnen Beamt*innen ab. Schnell in den Fokus gerieten dabei die
„üblichen Verdächtigen“ wie migrantische Jugendliche, so die Kritik seines
Kollegen Raphael Behr.
Im Januar 2019 hatte ein Kläger vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg
gegen die Allgemeinverfügung, deren Rechtmäßigkeit generell angezweifelt
wurde. Diese sei nicht hinreichend bestimmt gewesen, so der [4][Beschluss],
es sei für Bürger:innen nicht von vornherein eindeutig, welche
Gegenstände verboten seien. Unklar sei zudem, wann ein Gegenstand
gefährlich werde; zudem seien zu wenig Ausnahmen definiert worden.
Die Bundespolizei hatte ihre Maßnahmen damals mit Verweis darauf, dass der
Beschluss lediglich Zweifel an der Rechtmäßigkeit beinhalte und außerdem
ausschließlich für den Kläger gelte, fortgeführt. Nun teilte sie mit, sie
gehe „nach wie vor davon aus, dass das ausgesprochene Verbot grundsätzlich
in einer Allgemeinverfügung geregelt werden durfte bzw. darf“.
Ganz anderer Meinung ist die Kreuzberger Anwaltskanzlei RL Rechtsanwälte*
von Michael Lippa und Daniela Rohrlack. Auf Twitter sprachen sie von
„offensichtlich rechtswidrigen Maßnahmen“. Personen, die dadurch
„schikaniert“ wurden, können sich zum Zweck einer Klage melden. Kritisiert
wurde, dass „Gegenstände nur auf bestimmten Gleisen in wenigen Bahnhöfen
und nur zu einer bestimmten Uhrzeit an drei Tagen gefährlich sein sollen“.
30 Jul 2023
## LINKS
[1] /Waffenverbot-in-Berliner-S-Bahn/!5547533
[2] /Waffenkontrollen-durch-Bundespolizei/!5515369
[3] /Kommentar-Kontrollen-in-Berliner-S-Bahn/!5547641
[4] https://openjur.de/u/2316385.html
## AUTOREN
Erik Peter
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