| # taz.de -- Seehofers „Masterplan Migration“: Hauptsache weniger Flüchtlin… | |
| > Der lange geheime „Masterplan“ von Innenminister Seehofer liegt nun vor. | |
| > Ein Punkt: das Erschweren von Klagen gegen negative Asylbescheide. | |
| Bild: „Masterplan“ Migration: Wieviel Master steckt drin? Und wieviel Plan? | |
| BERLIN taz | Chaotischer geht es kaum. Seit Wochen war in Berlin vom | |
| ominösen „Masterplan Migration“ von Innenminister Horst Seehofer (CSU) die | |
| Rede – obwohl den außer Seehofer kaum einer kannte. Am Montag dann stellte | |
| die Initiative Frag den Staat den Text ins Netz, den Seehofer am Sonntag | |
| dem CSU-Vorstand präsentiert hatte. Kurz darauf erklärte das | |
| Bundesinnenministerium (BMI), das Papier habe Seehofer „als | |
| CSU-Vorsitzender und eben nicht als Bundesminister des Inneren“ vorgelegt. | |
| Und dass das Ministerium weiter am Masterplan arbeite. Im Netz wurden | |
| schnell zwei Pläne daraus. | |
| Das aber ist falsch: „Im Kern ist es dasselbe Papier“, sagte eine | |
| Sprecherin des BMI der taz. Seehofer habe als CSU-Chef eine Version vorab | |
| veröffentlicht. In der Tat steht auf dem Titelblatt: „Horst Seehofer, | |
| Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union“. Doch das 23-seitige Papier mit | |
| seinen 63 Maßnahmen ist im Ministerium – und somit von durch Steuermittel | |
| finanzierte Beamte – erarbeitet worden. Das hatte die Bundesregierung | |
| bereits in der vergangenen Woche auf Anfrage der Grünen mitgeteilt. „Das | |
| Innenministerium als Außenstelle für den CSU-Wahlkampf zu missbrauchen, ist | |
| nicht akzeptabel“, kritisierte die Grüne Britta Haßelmann. | |
| Die am Montag bekannt gewordene Fassung enthält jedenfalls wenig Neues. | |
| Seit langem hat Seehofer keine Gelegenheit ausgelassen, zu beschwören, wie | |
| desolat die bisherige Migrations- und Asylpolitik gewesen sei. Sein Entwurf | |
| aber läuft darauf hinaus, genau dieselben Maßnahmen, die nichts an der | |
| angeblich so dramatischen Lage geändert haben, weiterzuführen. Auf 23 | |
| Seiten werden sämtliche Linien der jüngsten Migrations- und | |
| Migrationsbekämpfungspolitik der Großen Koalition und der EU katalogartig | |
| aufgelistet – nur, dass sie jetzt eben noch „konsequenter“ und | |
| „entschlossener“ durchgezogen werden sollen. Ein paar Neuerungen gibt es | |
| aber doch. | |
| So soll es gegen Flüchtlinge mehr Härte auf allen Ebenen geben. Über das, | |
| was die CSU schon lange angekündigt hat – etwa die weitere Reduzierung von | |
| Geldleistungen oder die Einrichtung der umstrittenen sogenannten | |
| Anker-Zentren – geht das Papier an einigen Punkten hinaus: Neben dem | |
| aktuellen Streitpunkt, der Rückweisung bereits in anderen EU-Staaten | |
| registrierter Schutzsuchender, plant Seehofer, künftig auch Sechsjährigen | |
| Fingerabdrücke abnehmen lassen; Flüchtlinge, die sich nicht ausweisen | |
| können, sollen künftig im noch weiter beschleunigten Verfahren abgewickelt | |
| werden. Die Dauer der eingeschränkten Bezüge nach dem | |
| Asylbewerberleistungsgesetz soll auf 36 Monate verlängert werden. | |
| Zuletzt hatten fast die Hälfte (44 Prozent) aller Klagen gegen | |
| Asylbescheide Erfolg, hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge | |
| (BAMF) also fehlerhaft entschieden. Mit dem Masterplan sollen nun die | |
| Klagemöglichkeiten von abgelehnten Asylbewerbern stark eingeschränkt | |
| werden. Euphemistisch ist die Rede von einer „Optimierung“: Unter anderem | |
| sollen klagende Schutzsuchende an Gerichtskosten beteiligt werden, vor | |
| allem aber soll trotz laufender Verfahren noch leichter als bisher | |
| abgeschoben werden können. | |
| ## „Konsequente Desintegration“ | |
| In einer Art Präambel macht Seehofer klar, was das Ganze soll: Die Zahl der | |
| Ankommenden „nachhaltig und auf Dauer reduzieren“. Ein positives Bekenntnis | |
| zur Migration insgesamt sucht man vergebens. Nur an wenigen Stellen ist von | |
| der gesteuerten Zuwanderung „gut ausgebildeter und qualifizierter | |
| Fachkräfte“ die Rede. „Seehofer will Deutschland von einem Aufnahmeland zu | |
| einem Ausreiseland umbauen“, sagte der Pro Asyl-Geschäftsführer Günter | |
| Burkhardt der taz. „Er setzt auf konsequente Desintegration.“ | |
| Ansonsten sieht der Masterplan wie gesagt mehr von Altbekanntem vor: Mehr | |
| Geld für Hilfe in Herkunftsländern, mehr Geld und Befugnisse für die | |
| EU-Grenzschutzagentur Frontex, Lager in Afrika und in Transitländern, | |
| vereinheitlichte Asylverfahren in der EU, eine effektivere Durchsetzung der | |
| Dublin-Verordnung, mehr Befugnisse und Ressourcen für die Polizei an den | |
| Grenzen, mehr Qualitätsmanagement im BAMF, biometrische Erfassung von | |
| Flüchtlingen, mehr Datenspeicherung, geringere Leistungen für Asylsuchende, | |
| schnellere Verfahren, weniger Widerspruchsrechte, und, natürlich: mehr | |
| Abschiebehaft, Abschiebungen und „freiwillige Rückkehrer“. | |
| Mehr Geld geben soll es auch für internationale Polizeieinsätze zur | |
| Verbesserung des Grenzschutzes oder den Europäischen Nothilfefonds für | |
| Afrika, mit dem die EU „Fluchtursachen bekämpfen“ und den Grenzschutz | |
| verbessern will. Das Papier nennt dazu aber fast keine konkreten Beträge. | |
| Nur an einer Stelle ist die Rede davon, dass das BMI selbst zusätzlich rund | |
| 7,5 Millionen Euro für Polizeimissionen ausgeben will. An anderer Stelle | |
| werden 880 Millionen zusätzlich für das Entwicklungsministerium gefordert, | |
| die aber selbstredend nicht aus Seehofers eigenem Etat kommen sollen. | |
| Entwicklungshilfe soll stärker an Abschiebekooperation gekoppelt werden – | |
| auch dies ist kein neuer Ansatz. Das Papier enthalte „keinen einzigen | |
| Vorschlag zur Verbesserung von Integrationsmöglichkeiten oder gar | |
| Aufenthaltsverfestigung von Geflüchteten“, kritisierte Luise Amtsberg, | |
| flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Statt wie | |
| angekündigt „Maßnahmen zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der | |
| Zuwanderung“ zu enthalten, sei es „ein von Angst durchtränktes Papier, dass | |
| nur populistisch von Abschottung und Repression handelt“, sagte Amtsberg | |
| der taz. | |
| ## „Eskalation in der Asylpolitik“ | |
| Aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken geht | |
| derweil hervor, dass Seehofer am 20. Juni, kurz bevor der Asylstreit in der | |
| Union völlig aus dem Ruder lief, eine deutlich höhere Prognose zu den | |
| Flüchtlingszahlen genannt, als die Zahlen seines eigenen Ministeriums | |
| hergaben. Seehofer hatte da behauptet, trotz des Rückgangs der Asylzahlen | |
| sei damit zu rechnen, dass der im Koalitionsvertrag vereinbarte „Korridor | |
| für die jährliche Zuwanderung nach Deutschland in Höhe von 180.000 bis | |
| 220.000 Personen (…) in diesem Jahr erreicht oder sogar überschritten | |
| werden“ könnte. Die dem Bundesinnenministerium vorliegenden konkreten | |
| Zahlen, die die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke daraufhin abgefragt hatte, | |
| ergeben aber nur eine Prognose von etwa 150.000 ZuwanderInnen – weit | |
| weniger also, als Seehofer behauptet hat. | |
| Seehofer betreibe angesichts zurückgehender Asylzahlen „mit Fake News eine | |
| Eskalation in der Asylpolitik“, sagte Jelpke dazu. Der SPD-Vorstand | |
| verabschiedete am Montag einstimmig den am Wochenende bekannt gewordenen | |
| Fünf-Punkte-Plan der Partei zur Migrationspolitik. Darin bekräftigen die | |
| Sozialdemokraten, dass Geflüchtete, die schon in anderen EU-Staaten | |
| registriert wurden, schneller zurückgeschickt werden sollten. Die SPD | |
| wendet sich aber gegen geschlossene Lager für Flüchtlinge und fordert mehr | |
| Möglichkeiten zur legalen Einwanderung. | |
| 2 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
| Sabine am Orde | |
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