# taz.de -- Serie Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Eine Gesellschaft braucht F… | |
> Die öffentlich-rechtlichen einstampfen und nur noch Nachrichten und Infos | |
> senden? Nein Danke. Unterhaltung ist relevant. | |
Bild: Wir sollten Nachricht und Show nicht gegeneinander ausspielen | |
Wer die Frage stellt, ob ein öffentlich-rechtlicher Sender auch Fiktion und | |
Unterhaltung produzieren sollte oder nur Information und Nachrichten, der | |
hat eigentlich das Problem nicht verstanden. | |
Zugegeben, die Frage an sich ist unfair: Die vermeintlich binäre Auswahl | |
zwischen „Lindenstraße“ oder „Tagesschau“ täuscht eine Trennschärfe … | |
die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Wo genau etwa hören Informationen | |
auf? Ein Kommentar in den „Tagesthemen“ ist eine journalistische Form. Aber | |
ist er noch Nachricht? Viele, die sich einen weit reduzierten | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen, würden diese Frage verneinen. Auf | |
der anderen Seite: Sind Filme und Serien wie „Contergan“, „Barschel“ od… | |
„Bad Banks“ reine Fiktion? Natürlich nicht. | |
Die Frage, um die es eigentlich geht, ist die nach Haltung: Wollen wir | |
einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der nur funktioniert wie eine Art | |
staatliche DPA, der Zitate und Bilder unkommentiert weiterreicht – oder | |
wollen wir einen Rundfunk, der sich zu seinen Themen auch verhält? Der | |
gesellschaftliche Debatten auch gestalten kann? | |
## Serien bilden enorm | |
Das ist die eigentliche Frage. Ist sie entschieden, kommt man um Fiktion | |
und Unterhaltung gar nicht mehr herum. Es erscheint absurd, im Jahr 2018 | |
noch Beispiele für Unterhaltungsprodukte aufzählen zu müssen, die einen | |
Diskurs stärker geprägt haben als nichtfiktionale Stücke zum gleichen | |
Thema. | |
Serien wie „Girls“ oder „Sex and the City“ haben mehr getan für das | |
sexuelle Selbstbewusstsein junger Frauen als jede Doku über Frauenrechte. | |
In den USA war es kein Essay, kein Leitartikel, sondern das Musical | |
„Hamilton“, dem die populäre Neudefinition des amerikanischen | |
Gründungsmythos als Immigrantengeschichte gelang. Und die Serie „Black | |
Mirror“ macht die Schattenseiten der Digitalisierung besser erfahrbar als | |
jedes Erklärstück über russische Twitterbots. | |
Nun kann man zu Recht einwenden: All das sind Produkte, die mit privatem | |
Geld finanziert wurden. Stimmt. Aber nicht in Deutschland. Mit 82 Millionen | |
Einwohnern sind wir zwar auf Platz 17 der bevölkerungsreichsten Länder – | |
aber trotzdem nicht groß genug, um jede Art von Film oder Serie allein über | |
den freien Markt zu finanzieren. Das größte Hindernis ist die Sprache: Wer | |
auf Englisch produziert, kann in die ganze Welt verkaufen; wer auf Deutsch | |
produziert, vor allem nach Osteuropa. | |
## Das Erzählen den USA überlassen? | |
Das bedeutet aber auch: Wer sich hierzulande Filme und Serien zu bestimmten | |
Themen oder auf bestimmtem Niveau wünscht, der muss gleichzeitig bereit | |
sein, diese Programme mit öffentlichem Geld zu fördern. Von Privatsendern | |
ist hier wenig zu erwarten: All die Programme, die über Jahrzehnte als | |
spontanes Einschalt-Fernsehen perfektioniert wurden, tun sich sichtbar | |
schwer mit modernen Langzeit-Erzählbögen. | |
Netflix und Amazon produzieren so viel Gutes, dass sich auch in Deutschland | |
niemand unter Niveau amüsieren müsste, würde man ARD und ZDF einfach | |
abschalten. Aber die Frage ist doch auch: Wer erzählt unsere Geschichten? | |
Wollen wir als Land, das in fast jeder Disziplin konkurrenzfähig ist, die | |
populärsten zeitgenössischen Erzählformen amerikanischen Privatfirmen | |
überlassen? | |
Es geht aber gar nicht nur um Inhalte. Es ist leicht zu argumentieren, | |
warum es in Filmen und Serien mehr weibliche Hauptfiguren geben muss und | |
hinter der Kamera weniger weiße Männer. Es ist viel schwieriger und | |
vielleicht gar nicht wünschenswert, solche Ideale Unternehmen einfach | |
vorzuschreiben; denn so blöde man die privaten Sender auch finden mag, vor | |
einer Sache muss man ja Respekt haben – sie verdienen ihr Geld aus eigenen | |
Stücken. ARD und ZDF dagegen könnten sich solche Vorgaben leicht selber | |
auferlegen, wenn es gesellschaftlich so gewollt wäre. Auch das ist Haltung, | |
und auch das hat massiven Einfluss auf das Programm und dessen Wirkung. | |
Wollen wir also Sender mit Haltung – zu Themen, die für unser Leben in | |
Deutschland relevant sind? Dann macht es keinen Sinn, das Programm an den | |
Grenzen von Genres oder Erzählformen zu beschränken. Dann muss vielmehr | |
entschieden werden: Wie viel Programm erwarten wir? Was ist uns das wert? | |
Und wie muss ein Sender aufgebaut sein, der uns das liefert? Alles andere | |
folgt dann von alleine. | |
Bisher erschienen: | |
[1][Stillstand ist keine Option] | |
[2][Die Gebühren-Diskussion nervt] | |
[3][ Radikal digital ] | |
[4][Das Hinterherhecheln] | |
14 Mar 2018 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Stefan Stuckmann | |
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