# taz.de -- Serie Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Radikal digital | |
> Egal, mit welchem Gerät wir uns künftig informieren: Wir brauchen einen | |
> Rundfunk, der alle erreicht. Dazu müssen die vielen Barrieren im Netz | |
> weg. | |
Bild: So ein altes Radio ist schon schick, aber die digitale Verbreitung von In… | |
Die Schweizer haben in den vergangenen Monaten leidenschaftlich über ihren | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutiert, bis sie am Ende mit großer | |
Mehrheit „Ja!“ zum Erhalt des Rundfunkbeitrags gesagt haben. Dass die | |
Debatte nun auch in Deutschland geführt wird, ist überfällig. | |
Die Argumente pro und contra einen von der Allgemeinheit finanzierten | |
Rundfunk sind in der Schweiz und in Deutschland ähnlich. Es gibt | |
schließlich ein reichhaltiges Angebot an Information im Internet, eine | |
breite Presselandschaft – da scheint die Legitimationsfrage durchaus | |
berechtigt. Doch die Aufgabe von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist heute | |
wichtiger denn je, nämlich eine qualitativ hochwertige Grundversorgung zu | |
gewährleisten – und damit zur freien demokratischen Willensbildung | |
beizutragen. Ich würde sogar sagen: Gäbe es den Öffentlich-Rechtlichen | |
nicht, müsste man ihn gerade heute erfinden. | |
Die öffentliche Meinungsbildung ist großen Verwerfungen ausgesetzt. Fake | |
News, Hate Speech und Echokammern gefährden den demokratischen Diskurs. | |
Dazu kommt: Die meisten Informationsangebote im Internet sind | |
marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen, die auf Sensation und | |
Skandalisierung drängen. Und Vielfalt von Anbietern bedeutet nicht | |
automatisch Vielfalt von Meinungen. Die Konzentrationstendenzen in den | |
Medienmärkten sind zurzeit besonders hoch. | |
Die Willensbildung im Netz muss vor Missbrauch und Manipulation geschützt | |
werden. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der Wahrhaftigkeit und hohen | |
Qualitätsstandards verpflichtet ist, muss hier verlässliche Quelle sein. | |
Zwar erfüllen auch private Angebote diese Anforderungen, ihre Finanzierung | |
ist hingegen schwer. Es gibt in der Politik Tendenzen, den | |
Öffentlich-Rechtlichen auf die Nischen reduzieren zu wollen, die die | |
Privaten nicht abdecken. Das widerspricht der Rechtsprechung des | |
Bundesverfassungsgerichts und würde die funktionsgerechte Finanzierung des | |
Grundversorgungsauftrags nicht mehr gewährleisten. Ein Korrespondentennetz | |
finanziert sich nicht on demand. | |
Damit ARD und ZDF ihre Aufgabe weiter erfüllen können, muss der | |
öffentlich-rechtliche Auftrag zukunftstauglich werden. Schon jetzt | |
informieren wir uns immer mehr im Netz, über sprachgesteuerte Systeme, | |
multifunktionale Bildschirmgeräte. Angebote wie die Serie „Bad Banks“ | |
werden deutlich stärker in den Mediatheken abgerufen als im linearen | |
Programm. | |
## Willensbildung im Netz | |
Daher müssen sie im Netz verfügbar und auffindbar sein. Dass | |
Online-Angebote nach sieben Tagen gelöscht werden müssen, ist unzeitgemäß. | |
Genauso das Verbot von presseähnlichen Inhalten, die sich nicht auf | |
Sendungen beziehen. Online-Berichterstattung ist immer ein Mix aus Text, | |
Stand-, bewegtem Bild und Audio. Ursprünglich sollten durch die Regelung | |
Verlage geschützt werden. Aber die Presse kriselt auch ohne ein | |
nennenswertes öffentlich-rechtliches Angebot, wie ein Blick in die USA | |
zeigt. | |
Rundfunk muss Öffentlichkeit (wieder)herstellen. Ein vielfältiges | |
Meinungsbild gewährleisten, der Fragmentierung und Personalisierung | |
entgegenwirken. Der Schwerpunkt des Auftrags muss sein: Alle Menschen | |
müssen erreicht werden. | |
Wo soll öffentliche Willensbildung in Zeiten des Internets stattfinden? Auf | |
YouTube? Viele öffentlich-rechtliche Angebote suchen hier ihr Publikum. Wie | |
aber kann der Intransparenz dieser Anbieter begegnet werden? Mit einer | |
öffentlich-rechtlichen Plattform, die Raum für demokratischen Diskurs | |
schafft und alle gesellschaftlichen Gruppen einbezieht. Ein „Public Open | |
Space“ ähnlich der BBC-Plattform mit Angeboten anderer Bildungs- und | |
Wissenseinrichtungen, auf der sich das Publikum einbringen kann. | |
Entscheidend ist: Eine umfassende Reform zur Gewährleistung der | |
freiheitlichen Meinungsbildung muss aus publizistischen – nicht aus | |
finanziellen – Überlegungen angegangen werden. Danach bemisst sich die | |
Finanzierung. Der Beitrag folgt dem Auftrag und nicht umgekehrt. | |
Egal, mit welchem Gerät wir uns künftig informieren: Wir brauchen ein | |
Angebot, das alle erreicht. Das zur gemeinsamen Diskussion versammelt, | |
solide informiert, Orientierung bietet und Interaktion ermöglicht, mutig | |
und offen ist für neue Themen und Formate. Keine leichte Aufgabe, aber sie | |
muss jetzt gelöst werden. | |
Bisher erschienen: | |
[1][ Stillstand ist keine Option ] | |
[2][ Die Gebühren-Diskussion nervt ] | |
[3][ Eine Gesellschaft braucht Fiktion ] | |
[4][Das Hinterherhecheln] | |
15 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tabea Rößner | |
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