# taz.de -- RBB-Intendantin über Rundfunkgebühren: „Wir führen keine Syste… | |
> Patricia Schlesinger über die Rundfunkgebühr-Abstimmung in der Schweiz | |
> und den Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland. | |
Bild: Der RBB will sich ein bisschen mehr Gehör verschaffen und strukturiert um | |
taz am wochenende: Frau Schlesinger, haben Sie Angst vor der [1][Abstimmung | |
in der Schweiz]? | |
Patricia Schlesinger: Ich beobachte die Diskussion mit Sorge. Der Unmut, | |
der sich dort äußert, wird gezielt geschürt. Er ist aus kleinen Anfängen | |
entstanden und mit großer Welle von ein paar Wenigen inszeniert worden. | |
Dieses Beispiel zeigt, wie leicht es gehen kann, das vermeintlich | |
Selbstverständliche einer Demokratie infrage zu stellen. | |
Die Initiatoren greifen nicht das gesamte Rundfunksystem an, sondern nur | |
die Rundfunkgebühr. | |
Aber wer die Wettbewerbssituation kennt, weiß auch, dass es ohne die Gebühr | |
nicht geht. Das Schweizer System mit vier Sprachen und der regionalen | |
Verwurzelung ist zwangsläufig teuer. Übertragen wir das doch mal auf | |
Deutschland: Welcher kommerzielle Investor würde ein Studio in Cottbus | |
aufrechterhalten? Oder ein Büro in Perleberg? Beides rechnet sich | |
finanziell nicht. Ähnliches gilt auch für Kultursendungen im Fernsehen, die | |
eine Minderheit interessieren, die uns aber wichtig sind. Wir senden sie | |
trotzdem, weil wir auch den Auftrag zu einem Programm für Minderheiten | |
haben. | |
Die ARD präsentiert regelmäßig Studien, die ihr hohe Beliebtheitswerte | |
bescheinigen. Das müsste sie doch eigentlich optimistisch stimmen: Wenn so | |
viele Menschen die ARD schätzen, dann müssten die doch auch bereit sein, | |
einen freiwilligen Beitrag zu zahlen oder ein ARD-Abo abzuschließen. | |
In unserem Auftrag steht, dass wir für ein frei zugängliches Programm | |
sorgen sollen. Würden wir uns über Abos finanzieren, könnten Menschen, die | |
tagtäglich streng rechnen müssen, nicht mehr die „Tagesthemen“ sehen oder | |
müssten auf gute Unterhaltung oder Sport verzichten. | |
Aber vielleicht sagen diese Leute ja: Die „Tagesthemen“ interessieren mich | |
nicht. Dann möchte ich dafür auch nicht zahlen. | |
Wenn sie das Erste oder die Dritten einschalten, bekommen sie eine | |
umfassende Berichterstattung. Die Nachrichten dort machen eben nicht mit | |
einer Massenkarambolage auf, sondern mit den relevanten Themen. | |
Die Öffentlich-Rechtlichen stehen nicht nur in der Schweiz unter Druck. | |
Welche Parallelen sehen Sie zwischen der Diskussion dort und der hier? | |
Es gibt auch in Deutschland Unmut in der Bevölkerung, den wir ernst nehmen. | |
Der Unterschied besteht darin, dass wir hier keine Systemdebatte führen, | |
sondern eine Preisdiskussion. | |
Wirklich? Unser Eindruck ist: Die Debatte über das Geld können Sie nicht | |
gewinnen. Ob der Rundfunkbeitrag nun 17,50 Euro beträgt oder 16,50 Euro | |
oder 18,04 Euro, wird doch keine Kritikerin und keinen Kritiker umstimmen. | |
Da haben Sie recht. Egal, wie hoch der Beitrag ausfällt, wir ernten immer | |
Häme. Senken wir die Gebühr, heißt es: Das sind doch Peanuts. Wollen wir | |
ihn erhöhen, heißt es: Das ist viel zu viel. Wenn wir den | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Teil der Demokratie begreifen und als | |
eine Institution, die sich dieses Land leistet, dann müssen wir uns fragen: | |
Was ist er uns wert? Ich bin überzeugt, dass unser System richtig ist. Wir | |
sind eben nicht staatlich. In der Schweiz wird ja auch gerade darüber | |
diskutiert, ob der Beitrag nicht auch durch eine Steuer abgelöst werden | |
kann. Diese Alternative würde den Rundfunk aber stärker von der Regierung | |
abhängig machen. Ich bin froh, dass eine so weitgehende Veränderung bei uns | |
nicht zur Diskussion steht. | |
Welche Fehler hat die ARD gemacht, dass der Unmut gegenüber der ARD | |
gewachsen ist? | |
Wir müssen uns fragen, ob unser Programm nicht zu weit weg ist von einigen | |
Beitragszahlern. Ob wir uns den Zuschauerschichten genug geöffnet haben, | |
die wir sonst nicht oder kaum erreichen – junge Leute und auch die nicht | |
urbane Bevölkerung mit vielleicht weniger Geld und geringerer Bildung, die | |
das Gefühl haben – zu Recht oder zu Unrecht –, dass sie keine Stimme in der | |
Öffentlichkeit finden. Ich glaube, darauf müssen wir stärker achten. | |
Wie denn? | |
Wir haben neue Formate erarbeitet, Townhall-Formate, Livesendungen, in | |
denen wir unsere Arbeit erklären. Unser Programmdirektor war beispielsweise | |
gerade im Radio und hat Fragen der Hörerinnen und Hörer beantwortet. Und | |
wir denken darüber nach, stärker in die Region zu gehen. Wir werden dafür | |
nicht mehr Geld und Personal aufbringen. Wir müssen stattdessen überlegen, | |
an anderen Stellen zu sparen. | |
In der ARD schieben Sie gerade eine Strukturreform an. Sie planen, knapp | |
100 Millionen Euro pro Jahr einzusparen. Zieht man die Verbreitungskosten | |
davon ab, deren sinkende Kosten Ihnen quasi in den Schoß fallen, bleiben | |
nur noch 58 Millionen, die Sie aus sich selbst heraus sparen – das ist | |
lediglich ein Prozent Ihres 5,6-Milliarden-Euro-Jahresetats. Innerhalb der | |
ARD war eine Einigung auf dieses Ziel schon schwierig. Zeigt das, dass die | |
ARD ein Strukturproblem hat, wenn schon ein Prozent so schwer durchzusetzen | |
ist? | |
Für mich zeigt sich da, dass die ARD funktioniert. Was wir beschlossen | |
haben, ist die erste ganz große gemeinsame Reform. Jedes Großunternehmen, | |
das versucht hat, verschiedene SAP-Prozesse miteinander zu harmonisieren, | |
weiß, was dieser Prozess bedeutet. Insofern finde ich die Kritik der KEF | |
ungerecht. Wir sind auf einem richtigen Weg. Wir müssen dazu bedenken, dass | |
jedes Haus bereits massive Sparbemühungen unternommen hat, und das geht | |
immer weiter. Es gibt keinen Sender, der nicht spart. | |
Der Beitragskommission KEF scheint das nicht zu reichen und legt Ihnen nah, | |
auch im Programm zu sparen. | |
Das Programm ist unsere Sache. Wir haben dargelegt, wo wir sparen können. | |
Einschnitte ins Programm werden deutlich schwieriger. Wenn wir | |
beispielsweise eine Hörfunkwelle abschalten müssten, gäbe es Protest auf | |
allen Ebenen – zu Recht. | |
Sie müssen ja nicht so radikal sein und gleich eine Welle schließen. Sie | |
könnten auch sagen: Wir sparen uns die ein oder andere Show, das ein oder | |
andere Sportrecht. | |
Wir haben doch kaum noch große Shows. Bei den Sportrechten machen wir auch | |
Abstriche. Es gibt immer noch mehr Möglichkeiten, aber wir möchten uns | |
nicht kleinsparen lassen. | |
Abstriche beim Sport? Sie zeigen weiterhin die Fußball-EM und -WM, Sie | |
zeigen Olympia und haben gerade die Nations League gekauft. Aktuell bieten | |
Sie auf die DFB-Pokal-Rechte. Wäre es nicht ein Zeichen, bei einem dieser | |
Wettbewerbe nicht mitzubieten? | |
Unser Programmauftrag verpflichtet uns, Sport zu zeigen. Und ich glaube, | |
dass unsere Zuschauer einen Anspruch darauf haben, die wichtigen Spiele und | |
Wettbewerbe frei zu empfangen. Aber ich gebe Ihnen recht, dass wir genau | |
prüfen sollten, welche sich lohnen. | |
Vergangene Woche hat die KEF ihren aktuellen Bericht vorgelegt und kommt zu | |
dem Schluss, dass allein die ARD bis 2020 einen Überschuss von 502,4 | |
Millionen Euro haben wird. Das ist deutlich mehr, als die ARD selbst | |
prognostiziert hat. Können Sie nicht doch noch mehr sparen? | |
Wir sind uns mit der KEF immer wieder über Zahlen uneins, das gehört zum | |
Ablauf und ist auch diesmal wieder so – darüber müssen wir sprechen. Ich | |
bin aber nicht einverstanden, wenn die KEF sich Gedanken über unser | |
Programm macht – und was wir für welchen Preis anbieten sollten. Das ist | |
nicht Aufgabe der KEF. Das ist unser Geschäft und das unserer Gremien, | |
daran sollten wir festhalten. | |
3 Mar 2018 | |
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[1] /Abstimmung-ueber-Rundfunkgebuehren/!5487647 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
Anne Fromm | |
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