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# taz.de -- Wissenschaft bei Öffentlich-Rechtlichen: Wieso, weshalb, weggespar…
> Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sparen – auch bei Wissenssendungen.
> Einem Bereich, den kein privater Anbieter übernehmen wird.
Bild: Was wird aus seinen Sendungen? Wissenschaftsmoderator Ranganathan Yogeshw…
Ein Jahr ist es mittlerweile her, dass beim Programmausschuss des
ZDF-Fernsehrates eine Beschwerde über Harald Lesch einging, beziehungsweise
dessen Sendung „Leschs Kosmos“ zur „verborgenen Gefahr“ Zucker. „Der
Zuckerlobby war das offensichtlich zu viel Aufklärung“, erinnert sich Peter
Arens, der die Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft des Mainzer
Senders leitet. Arens kann diese Anekdote problemlos erzählen: Die
Kontrolleure haben die Beschwerde als „unbegründet“ abgewiesen.
„Es gehört zu unserem Auftrag, dort stark zu sein“, sagt der
Programmmanager über die Wissenschaftsberichterstattung bei den
Öffentlich-Rechtlichen.
Stärke ist allerdings keine Selbstverständlichkeit mehr: Die Anstalten
müssen sparen, das ZDF gleich mehrere hundert Stellen – auch, weil
Verantwortliche einst auf eigene Faust aufgerüstet und dabei sogar
Warnungen der Politik ignoriert hatten. Die Sender reagieren, indem sie
hinter den Kulissen umbauen. Dabei verschwinden Mauern, die erstaunlich
lange auch benachbarte Redaktionen getrennt haben – mindestens in den
Köpfen. Das hat sein Gutes, aber nicht nur.
„Wir lösen das, indem wir neue Stoffe nicht mehr nur in einer Sendung
zeigen, sondern etwa aus ‚TerraX‘, ‚Leschs Kosmos‘ oder unseren
Wissenschaftsdokus etwas für ‚Nano‘ auskoppeln“, sagt Arens, der in einer
Redaktion alle Wissenschaftsressorts von ZDF und 3sat fusioniert hat,
darunter auch „History“ und „Scobel“. Praktisch heißt das: Wo früher …
Redaktion zu einem Thema ihren eigenen Film bestellt hat, greifen nun
mehrere Sendungen auf ein und denselben Stoff zurück. Unter dieser Synergie
leidet die Vielfalt in den Häusern. Arens sagt andererseits, er habe so
„alle Sendeplätze behalten können“. Nur: Lesch sendet monatlich. Sein
Vorgänger Joachim Bublath durfte noch wöchentlich auf den Schirm.
## Was rosig klingt, lief nicht reibungslos ab
Der WDR hat nicht nur Fachredaktionen zusammengeführt, sondern dabei auch
Fernsehen (u. a. „Quarks“) und Hörfunk (u. a. „Leonardo“). „Dahinter…
kein Sparzwang“, sagt Florian Quecke, der Wellenchef von WDR5 ist und die
Wissenschaft im Hörfunk leitet. Gleichzeitig spricht der Radiomanager aber
auch von der „Idee, dass die crossmediale Redaktion eine Art digitale
Dividende liefert“, also mit denselben Mitteln mehr produziert.
Vor dem Umbau haben die Redaktionen nur Beiträge aus den klassischen
Sendungen herausgeschnitten und ins Netz gestellt. „Heute produzieren wir
Clips, die speziell für Smartphones gemacht sind“, sagt Quecke. „Bisher f�…
Facebook, bald auch für YouTube und Instagram.“ Außerdem sei der WDR nun
„de-facto die zentrale Wissenschaftsredaktion der ARD“ und liefere im
Verbund der neun Landesrundfunkanstalten mehr Beiträge für „Tagesschau“ u…
„Tagesthemen“ zu, „ohne dass wir dafür an anderer Stelle sparen mussten�…
Was rosig klingt, lief nicht reibungslos ab. Im Sommer 2015 protestierten
JournalistInnen zusammen mit WissenschaftlerInnen in der Aktion „Keine
Nische – Wissenschaftsjournalismus ist wichtig!“ gegen die Reform, die sich
auch im Programm zeigte: WDR5 dehnte „Leonardo“ zwar – zulasten eines
Servicemagazins – täglich um eine auf zwei Stunden aus, setzte dafür aber
stärker auf Gespräche statt Beiträge. Außerdem schrumpfte das tägliche
Wissenschaftsfeature von zirka 15 auf 10 Minuten, offiziell wegen
„veränderter Mediennutzung“.
„‚Keine Nische‘ war der Versuch, auf einen schleichenden Prozess aufmerks…
zu machen“, sagt Franco Zotta, der Geschäftsführer der
Wissenschaftspressekonferenz (WPK), in der sich etwa 250
FachjournalistInnen organisieren. Er beobachtet „praktisch überall
Erosionsprozesse“ – und das, obwohl kaum Programmflächen verloren gingen.
So hätten sich die für die Sender günstigen Kollegengespräche, in denen
sich letztlich JournalistInnen gegenseitig interviewten, in den
Wissenschaftssendungen „explosionsartig“ ausgebreitet.
## „Die Sendungen stärker inhaltlich verzahnen“
Mit Sorge beobachtet Zotta auch die laufenden Veränderungen im
Deutschlandfunk. Dort steigt der Druck, weil Fachredaktionen wie die
Wissenschaft neuerdings selbst das Internet mit ihren Manuskripten
bespielen müssen. Die zentrale Onlineredaktion gibt diese Aufgabe ab, aber
nicht das entsprechende Budget. Die taz hatte über die Konsequenz
berichtet: Die Wissenschaft ersetzt zumindest einige Features durch
günstigere Reportagen. Etablierte AutorInnen fragten ihren Intendanten, „ob
unsere Arbeit uns noch eine Perspektive bietet“.
WPK-Geschäftsführer Zotta spricht von „anekdotischer Evidenz“, wenn er
sagt: „Immer mehr KollegInnen leben in so prekären Modellen, dass sie sich
fragen, ob sie sich das noch weiter antun sollen.“ Die Verlagslandschaft
biete „wenig Möglichkeiten, das zu reparieren“. Also verabschiedeten sich
die KollegInnen „nach und nach in die Wissenschafts-PR“.
Matthias Gierth, der zuständige Hauptabteilungsleiter im Deutschlandfunk,
deutet an, dass letztlich auch seine Wissenschaftssendungen Themen künftig
gemeinsam anpacken sollen. „Um publizistisch noch profilierter aufzutreten
und auf den digitalen Wandel zu reagieren, wollen wir die Sendungen stärker
inhaltlich verzahnen“, sagt Gierth. Seine Redaktionen setzten „auch dafür
auf die herausragende Arbeit“ der AutorInnen. Man bitte aber „um die
Bereitschaft, sich bei wandelnden Rahmenbedingungen und neuen
journalistischen Ideen konstruktiv einzubringen“.
WDR5-Wellenchef Quecke, der diesen Prozess bereits hinter sich hat, sagt
wiederum offen: „Ja, mit dem Umbau sind auch ein paar AutorInnen
abgesprungen, weil sie glauben, dass das für sie kein Modell mehr ist.“
Zwei seien Lehrer geworden. Gleichwohl habe die Redaktion auch Zuwachs
bekommen – AutorInnen, die „mehrere Plattformen bespielen und so
effizienter arbeiten“ könnten, kurz gesagt also: eher AlleskönnerInnen
statt SpezialistInnen.
## Erstmal Erfahrungen sammeln
Beim WDR-Hörfunk könnte es indes bald wieder „Kommando zurück!“ heißen,
zumindest bei „Leonardo“. Die Medienforschung liefere „widersprüchliche
Signale“, sagt Quecke. Befrage man die WDR-HörerInnen, lobten sie die
„zweistündige Strecke besonders“. Allein: In der Media Analyse – quasi d…
bundesweiten Radioquoten – spiegele sich das nicht wider.
Ob die Reform tatsächlich greife, könne man seiner Erfahrung nach erst nach
mindestens zwei Jahren beurteilen. Das wäre mit der nächsten halbjährlichen
Media Analyse der Fall, die in den nächsten Tagen erscheint. „Vielleicht
müssen wir am Ende sagen, dass zwei Stunden Wissenschaft am Stück doch zu
viel sind, und reagieren“, sagt der Wellenchef.
ZDF-Hauptredaktionsleiter Peter Arens denkt zumindest akut nicht über
Veränderungen im Programm nach. Er muss aber weiter Stellen abbauen.
Momentan zählt er für ZDF und 3sat zusammen noch etwa 120 feste
MitarbeiterInnen, die pro Kopf immer mehr Programm bespielen müssen und so
einer immer stärkeren Arbeitsverdichtung ausgesetzt sind. „Wenn alles gut
läuft, sparen wir sogar so viel, dass wir an anderer Stelle auch mal wieder
etwas investieren können“, sagt Arens. Er denkt bereits laut über einen
„aufwendigen ‚TerraX‘-Mehrteiler“ nach. Avisiertes Thema: die Zukunft.
Der Autor berichtet für öffentlich-rechtliche Sender und Verlage über
Medienpolitik.
25 Mar 2018
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Öffentlich-Rechtliche
Wissenschaft
ARD
Sparmaßnahmen
Lesestück Recherche und Reportage
Öffentlich-Rechtliche
WDR
Rundfunkdebatte
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