# taz.de -- Kommentar Fahrverbote vor Gericht: Reizgas und Reizworte | |
> Das Urteil zu möglichen Fahrverboten wurde vertagt. Dass Richter darüber | |
> entscheiden müssen, zeigt den Bankrott der Verkehrspolitik im Bund. | |
Bild: Stuttgart ist für seine extrem hohe Feinstaubbelastung bekannt | |
Fünf Tage zum Nachdenken gönnen sich die Richter des | |
Bundesverwaltungsgerichts. Erst dann wollen sie ihr Urteil und | |
[1][möglicherweise Fahrverbote] für den Fall hoher Schadstoffbelastung der | |
Luft in deutschen Städten verkünden. Zeit genug, um über die Skandale zu | |
sprechen, die leider nicht in Leipzig verhandelt werden. | |
Zum Beispiel, dass es erst das Reizwort „Fahrverbot“ brauchte, um eine | |
Debatte über das [2][Reizgas in unseren Straßen] möglich zu machen. Die | |
tägliche Bedrohung, vor allem für Kinder und Kranke, durch giftige Atemluft | |
nehmen wir klaglos hin. Aber wehe, die Automobilität wird nur minimal | |
bedroht. Schon kippt der Ton ins Hysterische, weil angeblich „Enteignungen“ | |
drohen. Als sei die Atemluft in manchen Quartieren nicht eine amtlich | |
bestätigte Körperverletzung mit möglicher Todesfolge. Man sollte mal in | |
einer repräsentativen Umfrage ermitteln, was die Menschen mehr stört: | |
giftige Luft oder Fahrverbote. | |
Interessant ist auch, mit welch spitzen Fingern sich Medien, Kommunen und | |
Verbände der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nähern, die das Verfahren | |
angestoßen hat. Da ist von „Nervensägen“ und „Dieselhassern“ die Rede. | |
Dabei tut die DUH, was bei ordentlicher Regierungsführung eigentlich | |
überflüssig wäre: die Politik per Gericht zwingen, sich an die eigenen | |
Gesetze zu halten. | |
Auch darüber lässt sich grübeln: Die viel zu hohe Belastung der Luft mit | |
Stickoxiden ist kein Unfall oder Schicksalsschlag. Sie ist seit Jahren | |
bekannt und ihre hauptsächlichen Verursacher stehen fest. Es sind vor allem | |
die Autokonzerne, die ihre Abgasnormen nicht einhalten und Kunden und | |
Politik böswillig darüber getäuscht haben. | |
## Das Versagen der Politik | |
Verantworten müssen sie sich dafür in Deutschland bisher nicht, den Schaden | |
beseitigen auch nicht. Bis heute bringen sie [3][Autos auf die Straßen, die | |
die Grenzwerte weit überschreiten]. Obwohl sie so viel Geld verdienen wie | |
noch nie, weigern sich VW, Daimler und Co beharrlich, durch einfachen | |
Einbau von Katalysatoren ihre Produkte in einen ungefährlichen Zustand zu | |
versetzen. | |
Der größte Skandal aber ist: Sie kommen damit durch. Anders als etwa in den | |
USA lässt die deutsche Regierung zu, dass Autobauer die Gesetze brechen, | |
ihre Kunden betrügen und unsere Gesundheit gefährden. Verkehrspolitik wird | |
in Deutschland nicht von der Politik gemacht, sondern von allen anderen: | |
den Autokonzernen, der EU, den Umweltschützern – und nun zum Glück auch von | |
den Gerichten. | |
Dass die Dieselfrage vor Gerichten entschieden wird, zeigt den Bankrott der | |
Verkehrspolitik im Bund: Das Ministerium des ehemaligen CSU-Ministers | |
Alexander Dobrindt hätte das Problem längst regeln müssen. Aber aus Angst | |
vor dem Wort „Fahrverbot“ hat Dobrindt die Handbremse gezogen. Dieses | |
Versagen der Politik muss nun das Gericht aufarbeiten. Es ist gut, | |
gewissenhafte Richterinnen und Richter zu haben. Besser wäre es, wir hätten | |
auch verantwortungsvolle Ministerinnen und Minister. | |
22 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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Regine Günther | |
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