# taz.de -- Deutsche Autolobby: Trumps Trittbrettfahrer | |
> Die US-Regierung leugnet den Klimawandel. Offiziell finden deutsche | |
> Autokonzerne die Sache schlimm, nutzen sie aber aus. | |
Bild: Weder VW, Mercedes noch BMW äußerten sich zu ihren Lobbyaktivitäten in… | |
Berlin taz | Als Europa am 9. November 2016 erwachte, trauten viele ihren | |
Sinnen nicht: Kaum jemand hatte damit gerechnet, aber Donald Trump hatte | |
die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen. Und während die Welt sich | |
noch sortierte, von einer Zeitenwende und dem Ende der transatlantischen | |
Freundschaft die Rede war, realisierten einige sofort ihre Chance: die | |
Autokonzerne. | |
Nur einen Tag nach Trumps Wahlsieg schrieb die Alliance of Automobile | |
Manufacturers (AAM), der Lobbyverband der amerikanischen Autobauer, | |
[1][einen achtseitigen Brief] an den neuen mächtigsten Mann der Welt: Man | |
empfehle dem Weißen Haus, gemeinsam einen Weg in Sachen CO2-Standards für | |
2022 und danach zu finden. Übersetzt war das ein direkter Angriff auf einen | |
Grundpfeiler des Klimaschutzprogramms von Barack Obama. | |
Dessen Regierung hatte kurz vor der Wahl noch Regeln festgelegt, nach denen | |
Neuwagen in den USA spätestens ab 2025 im Schnitt nur noch 4,3 Liter auf | |
100 Kilometer hätten verbrauchen dürfen. Das Drängen der Autobauer wirkte: | |
Trumps neues Team begann sofort mit einer Revision der Regeln zur | |
Eindämmung von Amerikas Benzinhunger. | |
## Massive Lobbyarbeit, auch aus Deutschland | |
In dieser Woche nun gab die US-Umweltbehörde EPA bekannt, man werde die | |
Obama-Pläne komplett kassieren und neue, „angemessene“ Regelungen | |
erarbeiten. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein klimafeindlicher | |
Alleingang der US-Regierung, ist in Wahrheit Ergebnis massiver Lobbyarbeit | |
auch deutscher Autokonzerne. | |
BMW, VW und Daimler finanzieren als Mitglieder nicht nur die Attacken der | |
AAM auf den Klimaschutz mit – die Konzernchefs sprachen offenbar selbst in | |
Washington vor. | |
Das geht aus dem öffentlich einsehbaren [2][Terminkalender von Scott | |
Pruitt] hervor, dem EPA-Chef, unter dessen Ägide die Umweltbehörde von | |
einer Vorkämpferin für Klimaschutz zum Gegenteil mutierte. Am 27. April | |
2017 um 11.45 Uhr empfing Pruitt demnach unter anderem die „CEOs“, also die | |
Vorstandsvorsitzenden, von „VW, Mercedes Benz, BMW“. Thema des Treffens: | |
„EPA-Angelegenheiten, die die Autoindustrie betreffen“. Pruitt ging nach | |
dem Treffen zum Mittagessen und traf sich anschließend mit Trumps Kabinett, | |
um den Rückzug der USA aus dem internationalen Klimaschutzabkommen von | |
Paris zu besprechen. | |
Was genau Pruitt mit den Autobauern besprochen hat, ist nicht bekannt, | |
ebenso wenig das Thema eines Treffens zwischen BMW-Chef Harald Kruger mit | |
Pruitt und US-Vizepräsident Mike Pence am 14. März 2017. Die Konzerne | |
äußerten sich auf Anfrage nicht zu ihren Lobbyaktivitäten in den USA. Aber | |
die Position der Konzerne lässt sich auch aus den Datenbanken der EPA | |
rekonstruieren, in denen sie die US-amerikanische NGO InfluenceMap | |
[3][gefunden hat]. | |
## Brüssel wollte noch strenger regeln | |
Ein Argument findet sich dabei wiederholt: Die Technik, um Benzin- oder | |
Dieselfahrzeuge sparsamer zu machen, sei quasi ausgereizt. Soll der | |
Verbrauch im Schnitt sinken, müssten deshalb wesentlich mehr Elektroautos | |
auf die Straße. Daimler schreibt etwa, die 2025-Standards seien nur | |
einzuhalten, wenn bis dahin ein Viertel ihrer neu verkauften Wagen reine | |
Batteriefahrzeuge seien. Das aber halten die Autobauer für utopisch: Der | |
Markt springe zu langsam an, der Benzinpreis sei so niedrig, Elektroautos | |
seien deshalb Ladenhüter, es fehle an Ladesäulen. Kritiker sehen das | |
Problem hingegen eher im bisher dürftigen E-Auto-Angebot der deutschen | |
Hersteller. Und dafür lieferte Daimer-Chef Dieter Zetsche am Donnerstag | |
eine erstaunlich offene Erklärung: „Mehr Elektroautos sind gut für die | |
CO2-Bilanz. Aber nicht so gut für unsere Konzernbilanz – jedenfalls | |
vorübergehend“, sagte er bei der Hauptversammlung in Berlin. | |
Den Deutschen Autobauern geht es – bisher – lediglich darum, die neuen | |
Regeln aufzuweichen. BMW schreibt denn auch als Antwort auf Trump, man | |
[4][stehe zum Klimaschutzabkommen von Paris]. Wirklich? Der von BMW, | |
Daimler und VW mitfinanzierte US-Autolobbyverband driftet mittlerweile in | |
das Lager der Klimawandelleugner ab. Kürzlich stellte der AAM ein Papier | |
zusammen, das die Erkenntnisse der Klimawissenschaft insgesamt infrage | |
stellt. „[5][Autobauer steuern in Richtung Klimaleugner“], schreibt die | |
Vereinigung besorgter Wissenschaftler in den USA. | |
Noch wichtiger als die Aufweichung der Grenzwerte in den USA selbst dürfte | |
für Daimler, BMW und VW die Auswirkung sein, die sie sich davon für Europa | |
erhoffen. In Brüssel wird derzeit über neue CO2-Grenzwerte verhandelt, die | |
ab 2025 und 2030 gelten sollen. Und dabei steht für die Industrie viel auf | |
dem Spiel. | |
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll der CO2-Ausstoß, der bis 2021 auf | |
95 Gramm pro Kilometer sinken muss, bis 2025 noch einmal um 15 Prozent und | |
bis 2030 um 30 Prozent sinken. Diese Vorgaben waren bei der deutschen | |
Autoindustrie auf scharfe Kritik gestoßen. „Vor allem das verbindliche | |
Zwischenziel für 2025 überspannt den Bogen“, erklärt der Verband der | |
Automobilindustrie (VDA). | |
## Autolobby könnte EU-Ziele verwässern | |
Dabei hat die Lobby die ursprünglichen Pläne in Brüssel schon erfolgreich | |
entschärft. Das EU-Parlament hatte eine stärkere Senkung der Werte | |
gefordert, die Kommission ursprünglich eine verbindliche Quote für | |
Elektroautos geplant. Beides wurde – auch mit Unterstützung des damaligen | |
SPD-Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel – verhindert. Stattdessen werden | |
Konzerne, die viele Elektroautos verkaufen, nun dadurch belohnt, dass ihre | |
übrigen Fahrzeuge mehr CO2 ausstoßen dürfen. | |
Doch diese bisherigen Erfolge langen den Autokonzernen nicht. Sie wollen | |
die noch ausstehenden Beratungen im Ministerrat und im EU-Parlament nutzen, | |
um die Grenzwerte weiter aufzuweichen – oder, in den Worten des VDA, „die | |
Vorschläge der Kommission im Sinne eines ganzheitlicheren Ansatzes und der | |
Innovationsförderung zu verbessern“. Dabei kommt die aktuelle Entscheidung | |
aus den USA gerade recht. | |
„Ich befürchte, dass die Autolobby das als Chance sieht, auch die EU-Ziele | |
weiter verwässern zu können“, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsreferent beim | |
Umweltverband BUND. Offiziell zitieren lassen sich die Hersteller mit | |
solchen Forderungen noch nicht – allzu offensichtlich will sich wohl | |
niemand als Trittbrettfahrer von Trump präsentieren. Doch abseits der | |
Mikrofone wird bereits argumentiert, dass die Wettbewerbsfähigkeit der | |
europäischen Hersteller sinken würde, wenn auf ihrem Heimatmarkt deutlich | |
strengere Standards herrschen als anderswo. „Unser Kontinent darf sich | |
nicht zu weit von anderen Regionen der Welt entfernen“, warnte der VDA | |
schon vor der US-Entscheidung. | |
## Am Ende bleibt China Maßstab | |
Der Verband argumentiert, dass in Europa mit der 95-Gramm-Vorgabe für 2021 | |
schon jetzt die niedrigsten Grenzwerte gelten. In Japan seien 105 Gramm | |
erlaubt, in China 117 und in den USA sogar 121. Der Vergleich ist | |
allerdings schwierig. Zum einen unterscheiden sich die Testverfahren, zum | |
anderen ist das Verhältnis von kleinen zu großen Fahrzeugen verschieden. | |
„Ein Vergleich hat nur Sinn, wenn er die realen Emissionen auf der Straße | |
berücksichtigt“, meint Greg Archer von Transport & Environment in Brüssel. | |
Und dabei sieht Europa vergleichsweise schlecht aus: Die Abweichung | |
zwischen der Emission im Labor, wo die offiziellen Werte entstehen, und der | |
auf der Straße ist hier laut dem als Aufdecker des VW-Skandals bekannten | |
International Council of Clean Transportation (ICCT) besonders stark | |
gestiegen – auf mittlerweile rund 42 Prozent. | |
Dass der Versuch der Branche, auch die EU-Grenzwerte aufzuweichen, am Ende | |
erfolgreich ist, ist noch aus einem anderen Grund fraglich: Zum einen sind | |
ohne einen deutlichen Rückgang der CO2-Emissionen auf der Straße weder die | |
europäischen noch die deutschen Klimaziele zu erreichen – vielmehr müssten | |
die Vorgaben zum Spritsparen dafür sogar noch verschärft werden. Zum | |
anderen sind die USA nach Ansicht vieler Experten ohnehin nicht der | |
entscheidendes Maßstab für die Autobranche. China sei viel wichtiger, meint | |
etwa Peter Mock vom ICCT. „Die schärferen Stickoxidgrenzwerte und die | |
festen Quoten für Elektroautos, die China eingeführt hat, zeigen, wohin die | |
Reise geht.“ | |
Jo Leinen, langjähriger SPD-Umweltexperte im Europaparlament, sagt: „Ich | |
empfehle den deutschen Autobauern, sich an den besten Standards in Asien | |
und nicht an den schlechtesten Standards in den USA zu orientieren.“ Vor | |
allem in China entscheide sich der technologische Wettlauf um die Autos der | |
Zukunft, glaubt er. Und die seien sparsam und elektrisch. | |
6 Apr 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.autonews.com/assets/PDF/CA1078111110.PDF | |
[2] https://www.documentcloud.org/documents/4064980-Pruitt-Sked-and-McCarthy-Sk… | |
[3] https://influencemap.org/report/How-the-US-auto-industry-is-dismantling-the… | |
[4] https://www.press.bmwgroup.com/usa/article/detail/T0271521EN_US/bmw-group-s… | |
[5] https://blog.ucsusa.org/dave-cooke/automakers-turn-to-climate-deniers-in-qu… | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
Malte Kreutzfeldt | |
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