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# taz.de -- Kommentar Zukunft der Grünen: Falsch aufgestellt
> Die Grünen haben keinen Grund zum Jubeln. Sie haben ihre Ziele deutlich
> verpasst. Damit es nicht weiter bergab geht, müssten sie sich personell
> ergänzen.
Bild: Die grünen Spitzenpolitiker Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt – …
Die Grünen jubeln sich ihr Ergebnis schön. Dabei haben sie die Ziele
verpasst, deutlich zweistellig und drittstärkste Kraft zu werden. Sie haben
8,9 Prozent und den letzten Platz im Bundestag. Union und SPD haben stark
verloren, die Linkspartei hat nur leicht gewonnen – und doch war nicht mehr
für die Grünen drin als ein halber Prozentpunkt plus. Ein Pünktchen.
Klar, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir haben gekämpft. Sie haben Ideen
gegen ungebremst steigende Mieten vorgelegt, sind für höhere
Bildungsbudgets eingetreten und haben die Versäumnisse der Autoindustrie
gut gegeißelt. Den Klimaschutz formulierten sie aus bis ins letzte
Kohlekraftwerk. Dennoch zündete ihr Wahlkampf nicht, es ist schwer fassbar,
warum. Das Duo hat die Themen mehr vermarktet, als dass es für sie
begeistern konnte. All die Professionalität brachte wenig Profil.
Die Grünen sind gefangen im Parteimanagement. Linksgrün, Realogrün,
Linksgrün, Realogrün – im Reißverschlussverfahren fügen sie ihre Politwelt
zusammen. Aber das Problem ist, dass den Linksgrünen die rot-rot-grüne
Option kaputtgegangen ist; und die Realos können den Verlust von Anhängern,
die sich links verstehen, nur mit Ach und Krach kompensieren. Der
Reißverschluss klemmt.
Nun werden sie [1][in eine Jamaika-Koalition geradezu gedrängt], da die SPD
eine neue GroKo abgesagt hat. Die Gefahr ist, dass sie bloß ein lustiger
grüner Farbtupfer werden. Dabei böte ihnen eine Regierung schon Chancen –
im grünen Kerngeschäft. Dieser Kern ist mehr als die Rettung von Rohrdommel
und Rauchschwalbe. Es geht um den Klimawandel, der in Zukunft Kriege,
Migration und Hungersnöte in einer Weise auslösen kann, wie es sich viele
nicht vorstellen können. Die bisherigen Bundesregierungen haben dieses
Problem letztlich ausgesessen.
In einem Viererbündnis mit Angela Merkel überlebt, wer Kampagnen fahren
kann. Dann bewegt sich die Kanzlerin sogar. Sie hat den Atomausstieg
übernommen, den Mindestlohn und eine abgeschwächte Frauenquote. Sie bewegt
sich nur, wenn sie hinter einer Forderung Schlagkraft wahrnimmt. Sind die
Grünen in ihrer jetzigen Formation kampagnenfähig?
## Das Spiel könnte schieflaufen
Das Personaltableau dominieren immer noch Leute, die in der dritten
Amtszeit Gerhard Schröders nicht zum Zuge kamen. Weil es keine dritte
Amtszeit gab. Warum rücken Leistungsträgerinnen im Bundestag wie Franziska
Brantner, Agnieszka Brugger, Irene Mihalic oder Katja Dörner nicht endlich
in die erste Reihe?
Wenn die Partei ihre Spielaufstellung beibehält, läuft das Spiel schief.
Für eine Regierung genannt werden Göring-Eckardt, Özdemir und Claudia Roth.
Business as usual. Auffrischen soll das Trio Robert Habeck. Er würde, das
ist die Idee, Parteichef werden und trotzdem Landesminister in
Schleswig-Holstein bleiben. Die Parteistatuten müssten dafür geändert
werden, aber hey, was tut man nicht für ein Aufbruchssignal?!
## Habeck ins Kabinett!
Doch als Parteichef und Landesminister müsste Habeck die Interessen der
Partei, der Berliner Koalition und des Landes Schleswig-Holstein
übereinanderbringen: ein Maskottchen im Rollendurcheinander. Wenn die
Grünen mit Habeck etwas vorhaben und Habeck mit den Grünen, dann müsste er
als Minister im Bundeskabinett an den Themen arbeiten, von denen er viel
versteht: Klimaschutz, Energiewende, Umwelt. Habeck vertritt überdies einen
Freiheitsbegriff, der sich nicht auf die eigene freie Entfaltung, sondern
auf das Selbstbestimmungsrecht des Gegenübers bezieht. Die FDP könnte bei
ihm in die Schule gehen.
Der zweite Game Changer, der die Dinge drehen könnte, ist zwar ein Veteran,
aber seine Kompetenzen passen auf die Situation. Jürgen Trittin kann
Kampagne, das haben die Grünen im vergangenen November auf ihrem Parteitag
erlebt. Als er eine Vermögensteuer verlangte, riss er die Delegierten mit:
67 Milliardäre hätten so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Hohe
Unionspolitiker, sosehr sie die Vermögensteuer ablehnten, redeten hinterher
darüber mit einem bewundernden Grusel.
Wenn Habeck ins Kabinett geht, könnte Trittin den Fraktionsvorsitz
übernehmen. Eine besondere Form des Sadismus? Der Mann, der einst gern
Vizekanzler geworden wäre, als Putzsklave von Jamaika? Nein, der
Fraktionschef kann in einer Koalition die entscheidende Druckposition auf
die Regierung sein. Er kann dafür sorgen, dass die Gesetze anders aus dem
Bundestag herauskommen, als sie hineingegangen sind.
Geht doch gar nicht um Personen, sondern um Inhalte? Ja, klar. Aber jemand
muss sie durchsetzen.
[2][Lesen Sie mehr zur Bundestagswahl 2017 in unserem Schwerpunkt]
26 Sep 2017
## LINKS
[1] /Gruener-Kurs-Richtung-Jamaika/!5450137
[2] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
## AUTOREN
Georg Löwisch
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