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# taz.de -- Literaturwissenschaftlerin über die Wahl: Neuer Höhepunkt des „…
> Der AfD müssen Grenzen aufgezeigt werden – und Jamaika kann eine Chance
> sein, sagt Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler.
Bild: Jamaika als Chance für die Demokratie? Wahlparty der Grünen zur Bundest…
taz: Was bedeutet das Ergebnis der Bundestagswahl für die Idee einer
offenen Gesellschaft?
Marina Münkler: Das Ergebnis bedeutet, dass die offene Gesellschaft
entschiedener verteidigt werden muss, als das bislang der Fall gewesen ist.
Es wird sicher auch noch einmal genauer diskutiert werden müssen, was
offene Gesellschaft bedeutet und welche Vorteile auch und gerade in
ökonomischer Hinsicht sie hat. Geschlossene Gesellschaften sind
Einschränkungs- und Verarmungsprojekte.
Sorge macht mir das Ergebnis im Hinblick auf diejenigen unserer Mitbürger,
deren Integration gut gelungen ist oder die sich als Neuankömmlinge im
Prozess der Integration befinden. Für sie ist der Angriff auf die offene
Gesellschaft sicherlich ein schlechtes Zeichen. Da müssen wir unbedingt
gegenhalten und das Projekt der Integration entschieden vertreten.
Die einzige derzeit mögliche Koalition ist eine sogenannte
Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne). Was bedeutet diese Konstellation
politisch für die Bundesrepublik?
Die Konstellation ist schwierig, aber im Prinzip eine Chance. Dass die SPD
sich entschlossen hat – wenn man davon ausgeht, dass es dabei bleibt –, in
die Opposition zu gehen, halte ich für aller Ehren wert, schon allein
deshalb, weil sonst der AfD die Rolle der Oppositionsführerin zufallen
würde.
Schwarz, Gelb und Grün trennt vieles, zumal CDU und insbesondere CSU jetzt
vermutlich stärker darauf setzen werden, weitere Zuwanderung zu verhindern.
Wenn es aber gelingt, mit Gelb und Grün eine kluge Einwanderungspolitik zu
vereinbaren und insbesondere die Integration der Eingewanderten entschieden
zu stärken – das ist ein Feld, auf dem noch sehr viel zu tun ist – dann
könnte diese Konstellation für die Bundesrepublik eine sinnvolle
Zukunftspolitik ermöglichen.
Stellt die AfD tatsächlich eine Bedrohung für die demokratische Ordnung der
Bundesrepublik dar?
Es gibt aus meiner Sicht wenig Zweifel, dass die AfD die demokratische und
insbesondere die rechtsstaatliche Ordnung der Bundesrepublik erheblich
einschränken, wenn nicht gar zerstören will. Das heißt aber noch nicht,
dass sie tatsächlich eine Bedrohung der demokratischen Ordnung ist. Es ist
wichtig hier zu differenzieren, um den Allmachtsphantasien der AfD nicht
auf den Leim zu gehen.
Wie ist aus demokratischer Perspektive mit der AfD umzugehen?
Einerseits muss man den Zusammenhang von Demokratie und Rechtsstaat
deutlich machen und erklären, wo die Grenzen zwischen politischer
Auseinandersetzung und Volksverhetzung liegen.
Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass es nicht reicht, der
AfD ihre neonazistischen und rassistischen Äußerungen vorzuhalten, die sie
sicherlich nicht einstellen wird. Wie wenig das hilft, konnte und kann man
an Trump beobachten. Wichtig ist, dass man im Bundestag zeigt, dass die AfD
außer dem Schüren von Hass kein Konzept hat und im demokratischen Sinne des
Streits um bessere Lösungen überhaupt nicht politikfähig ist.
Sie leben und arbeiten in Dresden. Wie nehmen Sie die Stimmung nach der
Bundestagswahl in Sachsen wahr, wo die AfD stärkste Kraft geworden ist?
Die Stimmung in Sachsen, insbesondere in Dresden, war schon vor der
Bundestagswahl merklich durch Pegida und AfD beeinflusst. Der Erfolg der
AfD in Sachsen macht meines Erachtens sehr deutlich, dass man Prozessen der
Aufwiegelung, der Stimmungsmache und der Volksverhetzung nicht mehr oder
weniger tatenlos zusehen darf, sondern entschieden gegenhalten muss.
Das Verständnis für die sogenannten „Sorgen“ der Bürger hat nicht dazu
beigetragen, die AfD zu schwächen, sondern eher das Gegenteil erreicht.
Andererseits haben linksradikale Positionen auch nicht dabei geholfen, ein
breites Bürgerbündnis gegen rechts zustande zu bringen.
Manche sprechen vom Ende des „Merkelismus“. Was sagen Sie dazu?
Ich halte den Begriff nicht für sonderlich tragfähig. Zunächst ist unklar,
was damit überhaupt gemeint sein soll. Zu viel abwarten? Zu viel
Kompromissbildung? Zu wenig oder zu viel Entscheidungsfreude? Zu viel
Mitte, zu wenig Konservatismus?
Wenn „Merkelismus“ heißen soll, dass Politik wesentlich auf die Moderation
von Kompromissen hinausläuft, dann könnte die Jamikakoalition ein neuer
Höhepunkt des „Merkelismus“ werden – im durchaus positiven Sinne. Wenn es
denn gelingt.
25 Sep 2017
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Offene Gesellschaft
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Jamaika-Koalition
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