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# taz.de -- Grünen-Ergebnis bei der Bundestagswahl: Puh, nochmal gut gegangen
> Gut ist das Ergebnis der Grünen nicht, schlecht ist es auch nicht. Eine
> Regierungsbeteiligung scheint möglich. Ob die linken Grünen mitziehen?
Bild: Sooooo viele Stimmen haben wir (nicht) bekommen
Berlin taz | Um die komplizierte Stimmungslage der Grünen zu verstehen, ist
eine Rückblende nötig. Im Wahlkampf 2013 fegte ein Sturm über die kleine
Ökopartei hinweg. Ihre Gegner diffamierten sie wegen des Veggiedays als
Verbotspartei. Wirtschaftsverbände und fast alle Medien verprügelten sie
wegen des moderat linken Steuerprogramms. Passanten spuckten ihren
Wahlkämpfern wegen der Pädophilie-Debatte vor die Füße.
Die zerfledderten Grünen endeten bei 8,4 Prozent. Und nun? Stapeln sich die
Fragen. [1][Etwas mehr als 9 Prozent schafften sie dieses Mal], ein
Ergebnis, das die Grünen nachdenklich machen muss. Ein Prozentpunkt mehr
als 2013, ist das nun gut oder schlecht? Der Ökopartei, das dämmerte am
Sonntagabend vielen, stehen nun schwierige Wochen bevor.
Alles war für eine hippe Gute-Laune-Party geplant. Die Grünen trafen sich
am Sonntagabend in einer ehemaligen Brauereihalle in Berlin-Neukölln.
Gedämpftes Licht, viele junge Leute, Club Mate. Als um 18 Uhr die Prognosen
über die Großleinwand laufen, tost Jubel durch die Halle. „War das eine
gute Prognose?“, fragt die Moderatorin eine junge Grüne. Und liefert die
Antwort gleich mit: „Ja, oder?“ Schließlich hatten die Umfragen die Grünen
im Vorfeld durchweg bei 8 Prozent gesehen.
In der Tat ist die Sache noch mal glimpflich gelaufen. Manche in der
Grünen-Spitze hatten vor dem Wahlsonntag auch mit schlechteren Werten
gerechnet. In diesem Wahlkampf hatte keiner was gegen die nette Ökopartei.
## Die grüne Braut hübschte sich auf
Die Dieselaffäre, der Eierskandal oder Hurrikans schienen passgenau auf
die Ideen der Grünen zugeschnitten. Die zwei Spitzenleute, Katrin
Göring-Eckardt und Cem Özdemir, traten betont bürgerlich auf, um die Mitte
der Gesellschaft zu umwerben. Bloß keine Polarisierung, bloß keine
Provokationen, hieß die Devise. Die grüne Braut hübschte sich auf für die
Hochzeit mit der CDU-Kanzlerin.
Andererseits: Gut 9 Prozent, wirklich stark ist das auch nicht. Da wären
zum Beispiel die Ankündigungen der beiden Spitzenkandidaten. Göring-Eckardt
und Özdemir verfehlten ihre selbst gesteckten Wahlziele deutlich.
Eigentlich wollten sie die Grünen mit einem „deutlich zweistelligen“
Ergebnis auf den dritten Platz führen. Nun liegen sie einstellig hinter der
rechtspopulistischen AfD und der FDP. Waren die Grünen zu glatt? Zu
angepasst? War es richtig, aus jeder Pore auszustrahlen, unbedingt regieren
zu wollen? Die Aufarbeitung dieses Wahlkampfes und der Vorjahre dürfte
Monate dauern.
Um derart komplexe Fragen ging es am Sonntagabend allerdings noch nicht,
die Grünen übten sich in Selbstvergewisserung. Immer, wenn die starken
AfD-Zahlen auf der Leinwand zu sehen waren, gellten laute Pfiffe und
Buhrufe durch die Halle. Die Grünen sehen sich als weltoffene, ökologische
Kraft, die das Gegenteil von dem vertritt, wofür die Rechtspopulisten
stehen.
## Für viele linke Grüne ist Jamaika ein Graus
Auf die Grünen kommen jetzt schwierige Zeiten zu. Da wäre zunächst die
Frage der künftigen Regierung. Merkel könnte sie bald zu Sondierungen für
eine Jamaika-Koalition einladen – das ist die einzige Machtoption für die
Grünen. [2][Ein Bündnis mit CDU, CSU und FDP] wäre für die Partei eine
Zerreißprobe.
Für viele linke Grüne ist Jamaika ein Graus, für einen Teil der Mitglieder
auch, und das mittelmäßige Ergebnis legt nahe, dass am Sonntag vor allem
die vielen treuen Stammwähler Grün wählten. Auch sie sind in der Regel
keine Fans des schwarz-gelben Lagers. Schwierig. Einfacher wird die
Situation nicht dadurch, dass die Grünen in den Tagen vor der Wahl heftig
gegen die FDP und Schwarz-Gelb polemisierten. Mit diesem Move, der die
eigene Klientel mobilisieren sollte, betonten sie die Distanz. Sich nun
anzunähern, erfordert eine Flexibilität, die die enttäuschte Parteibasis
überfordern könnte.
Göring-Eckardt und Özdemir können aus diesem Ergebnis einen
Führungsanspruch ableiten, allerdings keinen so absoluten, wie sie sich
wohl erhofften. Wer seine Ziele verfehlt, wird daran gemessen – auch wenn
die Erleichterung am Sonntagabend überwog, dass der Absturz ausblieb. Linke
Grüne wie Anton Hofreiter oder Jürgen Trittin werden in den anstehenden
Verhandlungen Gewicht haben, sie stehen Jamaika skeptischer gegenüber.
Fraktionschef Hofreiter ließ sich am Sonntagabend noch nicht in die Karten
schauen. Die Grünen würden mit allen demokratischen Parteien sprechen „und
Möglichkeiten ausloten“, sagte er, als er nach möglichen Koalitionen
gefragt wurde. Das Ausloten hat bereits begonnen.
24 Sep 2017
## LINKS
[1] /Ergebnis-der-Bundestagswahl-2017/!5449920
[2] /Koalitionen-nach-der-Bundestagswahl/!5449205
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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