| # taz.de -- Parteitage von FDP und Grünen: Zwei Parteien wie Pech und Schwefel | |
| > FDP und Grüne haben sich zu ihren letzten Parteitagen vor der Wahl | |
| > getroffen. In Abneigung vereint, boten sich beide der Union als | |
| > Juniorpartner an. | |
| Bild: Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir am Sonntag vor grün-gelbem (!) H… | |
| Berlin taz | Als Wolfgang Kubicki am Sonntagvormittag den FDP-Wahlparteitag | |
| eröffnen will, lärmen die Parteifreunde noch im Saal Europa des | |
| Estrel-Hotels in Berlin-Neukölln. Es ist 11.16 Uhr, vor einer Viertelstunde | |
| sollte es losgehen, also gellt Kubicki irgendwann in den Saal: „Platz!“ | |
| Und ja, die 620 Delegierten setzen sich und hören zu. Erst ihrem Vizechef | |
| Kubicki, dann dem Vorsitzenden Christian Lindner. Timing und gute Bilder | |
| sind verdammt wichtig für die FDP, eine Woche vor der [1][Bundestagswahl]. | |
| Drei S-Bahn-Stationen entfernt, im Schöneberger Gasometer, beginnt zur | |
| selben Zeit der Länderrat der Grünen, ihr „kleiner Parteitag“. Auch hier | |
| ist die FDP omnipräsent. Denn die Grünen haben sich einen neuen Hauptfeind | |
| auserkoren. Nicht der Klimawandel, der Porsche-Fahrer oder der böse | |
| Schweinemäster, der Tausende Tiere in einen Stall pfercht: Nein, der | |
| wichtigste Gegner der Grünen trägt Slimfit-Hemden und heißt Christian | |
| Lindner. Kaum ein Redner kommt ohne Seitenhieb auf den FDP-Chef aus. | |
| ## Das FDP-Bashing kommt an | |
| Da ist zum Beispiel die Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Sie | |
| erzählt eine Anekdote aus einer Talkshow. In jener habe Lindner einem Mann | |
| mit 900 Euro im Monat empfohlen, etwas beiseite zu legen und sich eine | |
| kleine Eigentumswohnung zu kaufen. Die FDP wolle mehr Leiharbeit, eine | |
| Verlängerung der Arbeitszeit, lehne aber die Mietpreisbremse ab, zählt | |
| Göring-Eckardt auf. | |
| Mit jedem Wort stellt sie Lindners Truppe als eiskalte, unsoziale | |
| Kapitalisten hin. Mit jenen ist selbstverständlich auch mehr Klimaschutz | |
| nicht drin. „Wir wollen keine Kohlelobby mit der FDP“, ruft Göring-Eckardt | |
| in die runde Halle. Das kommt an, die Delegierten jubeln. | |
| In Neukölln beginnt um kurz vor zwölf Christian Lindner seine Rede. Er tut | |
| in den 55 Minuten einiges dafür, dass die Delegierten ihm folgen. Zwar hat | |
| seine Partei immer wieder betont, wie nötig der nächste Bundestag eine | |
| starke Oppositions-FDP braucht. Aber nun soll die Partei doch einer | |
| möglichen Regierungsbeteiligung zustimmen. | |
| „Wir sind bereit und in der Lage, in eine Regierung einzutreten“, heißt es | |
| im Antrag der Parteiführung. „Es wäre verantwortungslos, die Möglichkeit | |
| auszuschlagen, Gutes für die Menschen und ihre Zukunft zu bewirken.“ | |
| Abhängig macht Lindner das von einer echten politischen „Trendwende“. | |
| Doch wie wird diese aussehen? Um „Gutes für die Menschen“ tun zu können, | |
| das weiß auch Lindner, könnte nach der Wahl eine Koalition nicht nur mit | |
| der Union, sondern auch mit den Grünen notwendig werden. Wohl auch deshalb | |
| halten sich seine Attacken gegen die Ökopartei in Grenzen. Er zählt zwar | |
| Schmähungen der letzten Wochen auf: Unweltzerstörer! Diktatorenversteher! | |
| Steuerhinterzieher! Doch Lindner tut das ab: „Die Grünen mögen sich mit uns | |
| beschäftigen, wir beschäftigen uns mit Politik.“ | |
| Angesichts der inhaltlichen und habituellen Widersprüche zwischen beiden | |
| Parteien sind die Parteitagsreden von Lindner ebenso wie die der beiden | |
| grünen SpitzenkandidatInnen echte Wackelpartien. Sie müssen Unterschiede | |
| herausarbeiten, dürfen dabei aber die Gräben nicht zu tief machen, um sie | |
| nach dem 24. September nicht auch wieder zuschütten zu können. Wer | |
| Unfehlbarkeit suche, ätzt Lindner lediglich, der solle entweder in die | |
| katholische Kirche gehen. „Da gibt’s den Papst. Oder zu den Grünen – da | |
| gibt’s Katrin Göring-Eckardt.“ | |
| ## Jamaika bleibt möglich | |
| Cem Özdemir ist einer der wenigen Grünen, die einen guten Draht zu dem | |
| FDP-Chef haben. Er duzt ihn, aber auch er signalisiert jetzt maximale | |
| Distanz. Auf dem grünen Länderrat nimmt er den Lindner-Vorschlag | |
| auseinander, das Stickoxid-Problem zu lösen, indem man die Grenzwerte | |
| aufweiche. „Sollen wir das bei Hurrikans auch machen?“ Dann zitiert Özdemir | |
| die FDP-Generalsekretärin, die das Auftreten von mehr | |
| Extremwetterereignissen auf Twitter als Fake News bezeichnet hatte. Das sei | |
| die Sprache von Trump, ruft Özdemir. „In der Sonnenallee sind die | |
| Märchenerzähler am Start!“ Dort tagt die FDP. | |
| Attacken gehören zum strategischen Schlussspurt der Grünen. Mit dem | |
| kollektiven FDP-Bashing sollen Grünen-Wähler mobilisiert und | |
| Koalitionsoptionen wie Jamaika weggeredet werden. Die Botschaft: Entweder | |
| Schwarz-Gelb regiert – oder Schwarz-Grün. Die Grünen werben zum ersten Mal | |
| überhaupt für ein Bündnis mit Merkel und Seehofer. So offen sagen sie das | |
| aber doch lieber nicht. | |
| Die gut 80 Delegierten, Bundestagsabgeordneten und Landespolitiker | |
| beschließen am Ende einen Antrag, der zum Sound dieses Tages passt. Über | |
| weite Strecken arbeitet er sich an der FDP und Schwarz-Gelb ab. Aber ihr | |
| selbst erklärtes Ziel, keine Koalition auszuschließen, tasten die Grünen | |
| nicht an: „Wenn die Wählerinnen und Wähler uns den Auftrag geben, dann | |
| reden wir mit allen Parteien“, sagt Özdemir. Auch Jamaika bleibt also | |
| möglich. | |
| 17 Sep 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
| Ulrich Schulte | |
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