# taz.de -- Kommentar FDP im Wahlkampf: Lindner ist nicht der Wahl-Messias | |
> Christian Linder lässt die FDP gut aussehen: modern, mit viel | |
> Aufbruchsstimmung. Dahinter steckt aber immer noch die kühl rechnende, | |
> notfalls brutale FDP. | |
Bild: Gilt als guter Verkäufer: Christian Linder | |
Zugegeben, wenn Hunderte Menschen in einem großen Saal einem forschen | |
Politiker zujubeln, [1][kann das zu Fehleinschätzungen führen]. Die | |
Lichter, der Lärm, die Musik – alles zusammen wirkt, als ginge an Christian | |
Lindners FDP kein Weg mehr vorbei. Bei 10 Prozent sehen die Demoskopen | |
seine Liberalen; es geht also um Platz drei bei der Bundestagswahl. So eine | |
Partei, eine mit einer Machtoption, ist nur noch schwer zu ignorieren. | |
Besser, man fängt so früh wie möglich damit an, jetzt, da selbst | |
Grünen-Chef Cem Özdemir seinen Kumpel Christian öffentlich duzt. | |
Aber der Eindruck täuscht. Es reicht nicht, der schnittig vorgetragenen | |
Aufbruchsrhetorik zu lauschen und den frisch aufgetragenen Lack zu | |
streicheln. In dem Raumschiff, das sich gerade anschickt, wieder im | |
Berliner Regierungsviertel zu landen, sitzt nämlich immer noch die gute | |
alte FDP, wie wir sie kannten: kühl rechnend, neoliberal, notfalls brutal, | |
wenn es um Klientelinteressen geht. Markt vor Staat, daran hat sich nichts | |
geändert. | |
Die Liberalen wollen die Studiengebühren wieder einführen und die Frist | |
fürs Arbeitslosengeld weiter kürzen. Sie wollen das Renteneintrittsalter | |
„flexibilisieren“, statt Renten zu erhöhen. Sie lehnen Quoten für Frauen … | |
und favorisieren nach wie vor das Ehegattensplitting. Die FDP fordert das | |
Wechselmodell für getrennte Familien und damit das Ende des | |
Kindesunterhalts, der in den meisten Fällen von den besser verdienenden | |
Vätern an die Mütter gezahlt wird. Über Klimaziele möchte die Lobbypartei | |
künftig abstimmen lassen. Und beim Thema Euro fällt vor allem das Wort | |
Eigenverantwortung. | |
Die FDP fordert für den EU-Staat Deutschland ein Einwanderungsgesetz nach | |
kanadischem Vorbild. Jenen, die irritiert sind von dem Lindner-Satz „Alle | |
Flüchtlinge müssen zurück“, setzt dieser das Nützlichkeitsargument | |
entgegen. „Von Vielfalt profitiert eine Exportnation wie Deutschland“, sagt | |
er. Von Verantwortlichkeiten ist da wiederum keine Rede. | |
Es gibt die Hoffnung, die FDP werde sich in einer Koalition mit der Union – | |
oder zusätzlich mit den Grünen im Boot – schon irgendwie einhegen lassen. | |
Zauberwort: Realpolitik. Fakt aber ist: Die FDP ist eigentlich | |
ausschließlich Christian Lindner. Für mehr als seine One-Man-Performance | |
hat es in den zurückliegenden vier Jahren einfach noch nicht gereicht. | |
19 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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