# taz.de -- Europolitik der FDP: Ein Gespenst namens Lindner | |
> In Brüssel wächst vor der Bundestagswahl die Angst vor einer | |
> Regierungsbeteiligung der FDP. Lindner könnte die Eurozonen-Reform | |
> blockieren. | |
Bild: Wird dieser Mann Finanzminister? | |
BERLIN/BRÜSSEL taz | Ein Gespenst geht um in Europa. Aber es ist nicht die | |
Angst vor dem Kommunismus, die die Europäische Union umtreibt. Vielmehr | |
fürchtet man sich in Brüssel vor einer künftigen Bundesregierung unter | |
Beteiligung der FDP. Denn die Europolitik von Parteichef Christian Lindner | |
dürfte nicht nur in EU-Kreisen, sondern auch in Paris auf Ablehnung stoßen | |
– und überfällige Reformen verzögern oder ganz verhindern. | |
Im Fokus steht die Währungsunion. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron | |
möchte einen Finanzminister für die Eurozone berufen, der über ein eigenes | |
Budget verfügt und verschuldeten und schwachen Euroländern unter die Arme | |
greifen kann. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat [1][ähnliche | |
Pläne], auch wenn er ein Eurobudget ablehnt. Selbst der für | |
fiskalpolitische Härte bekannte Finanzminister Wolfgang Schäuble gibt sich | |
gesprächsbereit. | |
Zumindest grob scheinen sich Frankreich, Deutschland und die EU-Kommission | |
auf Nachbesserungen in der Euroarchitektur geeinigt zu haben. Doch es gibt | |
ja noch die Bundestagswahl. Und in der neuen Bundesregierung könnte die FDP | |
vertreten sein – und die deutsch-französischen Pläne durchkreuzen. Eine | |
schwarz-gelbe Koaltion sei der „Albtraum“ für Macron, warnt Le Monde. | |
Parteichef Christian Lindner gilt als Gegner von Finanztransfers innerhalb | |
der Eurozone. Er hat Macrons Vorschlag [2][in seiner Rede zum | |
FDP-Parteitag] am Sonntag sogleich eine Absage erteilt. Wenn das | |
Eurozonenbudget die Idee verfolge, „eine Geldpipeline von Deutschland zu | |
legen, die automatisch und ohne Zweckbindung in andere Staaten Europas | |
geht, dann ist ein solcher Finanzausgleich mit uns nicht zu machen“. | |
## Unnachgiebig gegenüber Griechenland | |
Auch beim Thema Griechenland setzt die FDP auf Härte. Während Macron für | |
Schuldenerleichterungen plädiert, sprach sich Lindner im Juni [3][in einem | |
Interview] für das temporäre Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone | |
aus. Am Sonntag sagte er, Finanzmarktstabilität werde am ehesten erreicht, | |
„wenn Europa die Politik auf Pump verabschiedet“. | |
Ein Schuldenschnitt für Griechenland und eine Reform der Eurozone wären mit | |
einer deutschen Regierung unter Beteiligung der SPD und der Grünen durchaus | |
umsetzbar. Doch mit der FDP wären derartige Vorhaben schwer machbar. Ohne | |
Berlin geht in Sachen Euro nichts – und deshalb würde man in Brüssel am | |
liebsten auf Nummer sicher gehen. | |
Am weitesten lehnt sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus dem | |
Fenster. Schäuble sorge dafür, dass man in Europa in eine Richtung | |
marschiere, sagte Juncker bei der Feier zum 75. Geburtstag des | |
Finanzministers am Montag. Er könne sich niemand anderen in diesem Amt | |
vorstellen, fügte er hinzu. Doch es gibt auch andere Meinungen. | |
## Liberale wollen das Finanzministerium | |
Wenn es erneut zu einer Großen Koalition kommen sollte, müsse die SPD dafür | |
sorgen, dass Schäuble abgelöst werde, heißt es bei den Sozialisten im | |
Europaparlament. Doch selbst Gabriele Bischoff, die die Gewerkschaften im | |
Wirtschafts- und Sozialkomitee der EU vertritt, würde Schäuble einem | |
FDP-Mann vorziehen. „Im Vergleich zur FDP sieht Schäuble noch richtig | |
flexibel aus“, sagt sie. | |
Doch FDP-Chef Lindner will es wissen. Am Montag bekräftigte er seinen | |
Anspruch, bei einer Regierungsbeteiligung das Finanzministerium seiner | |
Partei besetzen zu wollen – eine Schlüsselpositionen in Sachen Europolitik. | |
Lindner könnte sich mit einem harten Kurs in Sachen Griechenland und | |
Schuldenunion bei euroskeptischen Wählern profilieren und bei einer | |
etwaigen Regierungsbeteiligung zu einem Wahlkampfthema nach dem Wahlkampf | |
machen. | |
In der Europafraktion der Liberalen (ALDE) argumentiert man weniger | |
radikal. Fraktionschef Guy Verhofstadt, ein belgischer Föderalist, hat sich | |
wiederholt für eine stärkere Integration der Eurozone und gegen einen | |
Rauswurf Griechenlands ausgesprochen. Auch der Europaabgeordnete Alexander | |
Graf Lambsdorff versucht, die Sorgen zu entkräften. „Es gibt keinen Grund | |
zur Beunruhigung, wir werden mit Macron reden“, sagt der FDP-Politiker, der | |
sich um einen Sitz im neuen Bundestag bewirbt. Schließlich gehöre Macron | |
der liberalen Parteienfamilie an. | |
Dennoch würde ein liberaler Wahlerfolg in Brüssel und Paris für erhebliche | |
Verunsicherung sorgen. Schließlich hat sich Kanzlerin Merkel noch nicht | |
festgelegt, wie es nach ihrer Wiederwahl mit der EU und dem Euro | |
weitergehen soll. Wochenlange Koalitionsverhandlungen und europapolitische | |
Kompromisse wären das Letzte, was man in der EU gebrauchen kann. | |
Denn Juncker & Co. läuft die Zeit davon. Spätestens im Sommer 2018 sollen | |
alle Reformen auf den Weg gebracht werden – danach dürfte sich alles nur | |
noch um den Brexit drehen. Und im Frühsommer 2019 geht Junckers Amtszeit zu | |
Ende. Seine „Kommission der letzten Chance“ will Taten sehen – und nicht | |
auf eine widerwillige FDP warten. | |
19 Sep 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Kommissionspraesident-zur-Lage-der-EU/!5447198 | |
[2] https://www.fdp.de/content/lindner-rede-warten-wir-nicht-laenger | |
[3] http://www.politico.eu/article/christian-lindner-griechenland-soll-aus-dem-… | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Jörg Wimalasena | |
## TAGS | |
taz.wahl17 | |
FDP | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Christian Lindner | |
Griechenland | |
Jean-Claude Juncker | |
Euro | |
Eurozone | |
taz.wahl17 | |
taz.wahl17 | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Brüssel | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Wolfgang Schäuble: Es könnte schlimmer kommen | |
Wenn Schäuble Bundestagspräsident wird, braucht Angela Merkel einen neuen | |
Finanzminister. Der kommt besser nicht von der FDP. | |
Was ist Phase bei der Wahl?: „Neonazis häkeln Mützen“ | |
Worum geht es bei der Bundestagswahl tatsächlich? Wie geht es danach | |
weiter? Und wie soll das werden mit der AfD? Drei Fragen an Sibylle Berg. | |
Debatte Koalitionsbildung: Lob der Großen Koalition | |
Wem soziale Gerechtigkeit, Migration und Flüchtlinge wichtig sind, der | |
sollte sich nicht auf die Grünen verlassen. Jamaika wäre das Grauen. | |
Kommentar FDP im Wahlkampf: Lindner ist nicht der Wahl-Messias | |
Christian Linder lässt die FDP gut aussehen: modern, mit viel | |
Aufbruchsstimmung. Dahinter steckt aber immer noch die kühl rechnende, | |
notfalls brutale FDP. | |
„Die Hauptstadt“ von Robert Menasse: Mehr als Gurkenkrümmungsgrade | |
Der für den Buchpreis nominierte Roman „Die Hauptstadt“ erinnert an den | |
historischen Auftrag der EU. Das ist wider Erwarten spannend. | |
Serie: Wie weiter, Germans? (6): Der brillante Performer | |
FDP-Parteichef Christian Lindner ist die herausragende Figur der Wahl. Was | |
macht ihn so attraktiv? Vielleicht die nonkonformistische Haltung. | |
CDU-Politiker Wolfgang Schäuble: Der ewige Minister | |
Wolfgang Schäuble wird in Europa gefürchtet, in Deutschland aber geliebt. | |
Die Zuneigung ist jetzt, zu seinem 75. Geburtstag, größer denn je. | |
Gruß an Schäuble zum Geburtstag: Der Meister des Nebels | |
Wolfgang Schäuble wird 75 Jahre alt und sitzt so lange im Bundestag, wie | |
Grünen-Politiker Gerhard Schick alt ist. Ein Gastbeitrag. |