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# taz.de -- Konzern plant Kohlekraftwerk: Dreckschleuder vor Gericht
> Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg verhandelt die Klage von
> Umweltverbänden und einer Anwohnerin gegen ein Kohlekraftwerk von Dow
> Chemical bei Stade.
Bild: Aus der Zeit gefallen: Der Konzern Dow Chemical will in Stade ein neues K…
Wird in Norddeutschland noch einmal ein Kohlekraftwerk gebaut? Diese Frage
ist am Dienstag vor dem niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in
Lüneburg verhandelt worden. Umweltverbände unter der Führung des BUND
Niedersachsen haben gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Stadt
Stade geklagt, der es dem Konzern Dow Chemical erlauben würde, ein solches
Kraftwerk zu bauen. Ein Urteil wird am Mittwoch erwartet.
Dow ist mit 1.300 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Region, die, was
Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen angeht, vor 15 Jahren bereits die
Abschaltung eines Atomkraftwerks verkraften musste.
Die Umweltverbände kritisieren vor allem, dass ein neues Kohlekraftwerk die
Klimaschutzpolitik der Bundesregierung konterkarieren würde. Bei einer
Laufzeit von über 40 Jahren würde das Kohlekraftwerk noch über Jahrzehnte
Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, sagt der BUND-Landesvorsitzende Heiner
Baumgarten. „Das ist ein völlig falscher Weg.“
Die Kläger fechten den Bebauungsplan formell und inhaltlich an: „Unser
Hauptargument sind die CO2-Emissionen, aber das ist nicht wirklich
justiziabel“, sagt Silke Hemke, Sprecherin des BUND-Kreisverbandes Stade.
Die Kläger setzen deshalb auf das Argument, dass das regionale
Raumordnungsprogramm auf dem Baugrundstück „hafenorientierte
wirtschaftliche Anlagen“ vorsieht und nicht ein Kraftwerk wie auf einem
benachbarten Plangebiet.
Christian Schmidt, der Sprecher des Kreises, weist darauf hin, dass sich
die Stadt ihre Bebauungspläne nicht durch den Landkreis genehmigen lassen
müsse. Abgesehen davon entspreche der Bebauungsplan nach Auffassung des
Kreises „den Zielen der Raumordnung“, nicht zuletzt deswegen, weil das
Kraftwerk zur Brennstoffversorgung auf den Wasserweg angewiesen sei.
Von der Sache her ist das Kraftwerk nach Auffassung der Kläger nicht mit
der Wasserrahmenrichtlinie der EU vereinbar, weil Quecksilber aus den
Abgasen in die Elbe geblasen werden würde. Die Richtlinie verbietet es, den
Zustand europäischer Gewässer zu verschlechtern.
Mit vier Kilometer Abstand zum Stadtgebiet stünde das Kraftwerk, wie die
Kläger befürchten, überdies zu nahe an den nächsten Wohnhäusern. „Wir
monieren, dass im Plan der Bereich Lärm nicht genügend abgewogen worden
ist“, sagt BUND-Sprecherin Hemke.
Für Dow Chemical ist ein eigenes Kraftwerk in Stade von besonderem
Interesse, weil ihre Chemiefabrik an der Elbe allein ein Prozent des in
Deutschland verbrauchten Stroms nutzt. „Für das Chemiewerk ist die sichere
Versorgung mit Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen unverzichtbar“, heißt
es dazu auf der Homepage des Unternehmens. „Nur mit dem Brennstoffmix mit
Kohle kann dieses Ziel erreicht werden, da die Kohlevorkommen langfristig
verfügbar und weltweit verteilt sind.“
Das Kraftwerk soll nicht nur mit Kohlestaub befeuert werden, sondern auch
zu jeweils knapp zehn Prozent mit Holzschnitzeln und Wasserstoff, der im
Chemiewerk anfällt. „Technisch gesehen ist es ein integriertes
Industriekraftwerk, kein Kohlekraftwerk im engeren Sinne“, sagt
Dow-Sprecher Stefan Roth. Besonders effizient soll es dadurch werden, dass
es das ganze Jahr über Abwärme an das Chemiewerk liefern kann, sodass es
nach Schätzung Dows die im Brennstoff enthaltene Energie zu 55 bis 60
Prozent ausnutzen wird – ein guter Wert.
Aus Sicht der Umweltschützer ginge es freilich mit einem Gaskraftwerk
deutlich besser. „Der Rat der Stadt Stade hat der Dow Chemical den roten
Teppich ausgerollt und seinen planungsrechtlichen Gestaltungsspielraum
nicht im Interesse der Menschen und unserer Umwelt ausgeschöpft“, sagt Udo
Paschedag von der Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe.
Kai Holm, der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, weist darauf hin, dass das
Industriekraftwerk zum Zeitpunkt der Entscheidung vor drei Jahren als sehr
verträgliche Lösung erschienen sei. Schließlich seien zunächst drei
Kohlekraftwerke in Stade und Brunsbüttel geplant gewesen.
27 Sep 2017
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Kohlekraftwerke
Energiewende
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Umwelt
Kohlekommission
Fossile Rohstoffe
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Lesestück Meinung und Analyse
Kraftwerk
RWE
Schwerpunkt Klimawandel
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