Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verhinderte Energiewende: Kohlekraftwerk darf gebaut werden
> Oberverwaltungsgericht Lüneburg weist Klage ab: Der Klimaschutz sei im
> Bebauungsplan ausreichend gewürdigt worden. Umweltschützer hoffen auf
> Gesetz.
Bild: Energiegewinnung von gestern: Kohle macht die wenigsten froh
Hamburg taz | Das Kohlekraftwerk der Chemiefirma Dow in Stade darf gebaut
werden. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat die
Einwände mehrerer Umweltverbände und einer Anwohnerin nicht gelten lassen.
Eine Revision gegen sein Urteil vom Mittwochabend ließ das Gericht nicht
zu. Die Umweltverbände unter Führung des BUND erwägen aber, sich darüber zu
beschweren.
Die Kläger finden, das Projekt widerspreche den deutschen
Klimaschutzzielen. „Das geplante Steinkohlekraftwerk von Dow, das im Jahr
2050 noch Strom erzeugen dürfte, würde mehr als das Fünffache dessen
emittieren, was die oberste deutsche Umweltbehörde als Zielwert für 2050
beim CO2-Ausstoß für erforderlich hält“, rechnet die Deutsche Umwelthilfe
vor.
Die Kläger hatten sich konkret gegen den Bebauungsplan der Stadt Stade
gewandt, der dem Kraftwerksbau den Boden bereitet: Der Plan widerspreche
dem Raumordnungsprogramm des Kreises, das hier eine hafenbezogene
wirtschaftliche Nutzung vorsehe. Das Kraftwerk sei zu laut, es vergifte das
Elbwasser mit Quecksilber und schade dem Klima. „Ihre Einwände greifen nach
Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts nicht durch“, teilte OVG-Sprecherin
Andrea Blomenkamp mit.
Das Kraftwerk in Stade ist absehbarerweise das letzte Kohlekraftwerk, das
in Norddeutschland geplant ist. Es soll die Chemiefabrik von Dow, die nach
der Bahn der zweitgrößte Stromverbraucher in Deutschland ist, unabhängig
machen. Mit Kohle fühlt sich Dow auf der sicheren Seite, denn
Kohlevorkommen seien „langfristig verfügbar und weltweit verteilt“.
## „Eine Brückentechnologie“
Die Kohle ist Teil einer Kombi-Lösung: Neben einem schon neu gebauten Gas-
und Dampfturbinenkraftwerk soll ein „Industriekraftwerk“ errichtet werden,
in dem neben Kohle jeweils zehn Prozent Biomasse und Wasserstoff verbrannt
werden sollen. „Uns ist es wichtig, mit einer Brückentechnologie, die
verschiedene Brennstoffe beinhaltet, die Energieversorgung erschwinglich zu
machen“, sagt Dow-Sprecher Stefan Roth.
Den Klägern ist die Verringerung des CO2-Ausstoßes, die damit erreicht
wird, nicht genug. „Nimmt Niedersachsen sein Klimagesetz ernst, darf kein
weiteres Kohlekraftwerk gebaut werden“, sagt Holger Becker von Greenpeace
Hamburg. „Die künftige Landesregierung muss dieses Kraftwerk verhindern.“
Becker hofft auf das [1][Klimaschutzgesetz], welches das rot-grüne
niedersächsische im März verabschiedet, aber nicht mehr durch den Landtag
gebracht hatte. „Darin hätte ein neues Kohlekraftwerk einfach keinen Platz
mehr“, vermutet er. Das hinge allerdings davon ab, wie das integrierte
Energie- und Klimaschutzprogramm aussähe, mit dem das Gesetz umgesetzt
werden soll.
Im [2][Landesraumordnungsprogramm] hat die rot-grüne Koalition schon einen
Pflock eingeschlagen. Demnach müssen neue fossile Kraftwerke einen
Wirkungsgrad von mindestens 55 Prozent haben. Das Industriekraftwerk von
Dow kommt auf 45 Prozent elektrisch. Weil es auch Dampf für die Fabrik
auskoppelt, kommt es auf knapp 60 Prozent „Brennstoffausnutzungsgrad“.
Als nächstes steht ein wasserrechtliches und immissionsschutzrechtliches
Genehmigungsverfahren an. Die Umweltverbände behielten sich vor, „hier
einzuhaken“, sagt der Greenpeace-Mann Becker. Hier könne konkret geprüft
werden, ob das Kohlekraftwerk die geforderten Grenzwerte einhalte. Die
Nutzung von Elbwasser spielt hierbei anders als beim Hamburger Kraftwerk
Moorburg keine Rolle, weil das Kraftwerk einen Kühlturm haben soll.
Lars Kolk, der Stader Stadtbaurat, vermutet, dass für die Kläger hier wenig
zu holen sei. Denn über die Einhaltung konkreter Vorgaben könne man vor
Gericht schwerer streiten als über die Abwägungsentscheidungen, die einem
Bebauungsplan zugrunde liegen.
28 Sep 2017
## LINKS
[1] https://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/klimaschutzgesetz-niedersachs…
[2] http://www.nds-voris.de/jportal/portal/t/18df/page/bsvorisprod.psml?doc.hl=…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Fossile Rohstoffe
Energiewende
Schwerpunkt Klimawandel
Kohlekraftwerke
Energie
Fossile Rohstoffe
Kohlekraftwerke
EU
Kohlekraft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umweltsenator contra Vattenfall: Heizen ohne Kohle
Hamburgs Senator Jens Kerstan (Grüne) plant Aus für Kohlekraftwerke Wedel
und Tiefstack. Umweltschützer bleiben skeptisch.
Kommentar zum Kohlekraftwerk Stade: Fossiles Denken
Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, darf heutzutage kein Kohlekraftwerk
bauen – Stade will es aber trotzdem tun.
Konzern plant Kohlekraftwerk: Dreckschleuder vor Gericht
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg verhandelt die Klage von
Umweltverbänden und einer Anwohnerin gegen ein Kohlekraftwerk von Dow
Chemical bei Stade.
Energiewende in der EU: Das Ende der Kohleverstromung
Europas Stromkonzerne geben überraschend den Einstieg in den Kohleausstieg
ab 2020 bekannt. Nur in Polen und Griechenland sträubt man sich.
Kohle statt Atom: Chemiefirma bekommt ein Kohlekraftwerk
Stader Rat macht den Weg frei für 1,2-Milliarden-Euro-Projekt an der Elbe.
Umweltverbände und Initiativen haben Normenkontrollklage angekündigt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.