# taz.de -- Umweltsenator contra Vattenfall: Heizen ohne Kohle | |
> Hamburgs Senator Jens Kerstan (Grüne) plant Aus für Kohlekraftwerke Wedel | |
> und Tiefstack. Umweltschützer bleiben skeptisch. | |
Bild: Eine Prophezeiung? Greenpeace-AktivistInnen bei einer Aktion im Juli 2017 | |
Hamburg will die Kohleheizung abschalten. Die Stadt stellt ihre | |
Fernwärmeversorgung komplett auf umweltfreundliche Energien um. Das | |
zumindest sieht ein Plan der Umweltbehörde vor, den Senator Jens Kerstan | |
(Grüne) am kommenden Donnerstag im Energienetzbeirat präsentieren will. | |
Die beiden mit Kohle befeuerten Heizkraftwerke Wedel und Tiefstack sollen | |
innerhalb der nächsten acht Jahre stillgelegt oder umgerüstet werden. | |
Derzeit werden rund 400.000 Wohnungen und eine große Zahl von Gewerbe- und | |
Industriebetrieben in Hamburg mit Fernwärme versorgt, die durch die | |
Verbrennung von Kohle produziert wird. | |
Die Zeit hatte gestern berichtet, dass Kerstan die Kraftwerke Wedel und | |
Tiefstack abschalten beziehungsweise mit umweltfreundlicheren | |
Energieträgern ausstatten lassen möchte. „Der Ersatz für das Heizkraftwerk | |
Wedel ist wegen des Alters der Anlage vordringlich“, bestätigte | |
Behördensprecher Björn Marzahn gestern das Vorhaben gegenüber der taz. Dies | |
solle bis 2022 geschehen. Darauf solle die Umstellung des Heizkraftwerks | |
Tiefstack von Kohle auf Gas folgen. „Damit wäre die Hamburger Fernwärme | |
komplett kohlefrei“, sagte Marzahn.Das Heizkraftwerk in Wedel im Westen | |
Hamburgs und direkt an der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein wurde 1965 in | |
Betrieb genommen. Bis 1987 trug es ausschließlich zur Stromversorgung der | |
Großstadt bei. Um es auch für die Wärmeerzeugung einsetzen zu können, | |
wurden 1988/89 zwei Blöcke für Kraft-Wärme-Kopplung umgebaut. | |
Das Kraftwerk in Tiefstack, einem Niederungsgebiet zwischen Norderelbe und | |
Bille im Osten Hamburgs, hat hingegen gerade mal ein Vierteljahrhundert auf | |
dem Buckel, ist also vergleichsweise neu. Seit 2009 steht auf dem Gelände | |
des Kohlekraftwerks auch ein Gas- und Dampf-Kombikraftwerk. Betreiber der | |
Anlagen in Wedel und im Tiefstack ist Vattenfall. | |
„Das Konzept ist wirtschaftlich tragfähig“, so Marzahn. Wie es im Einzelnen | |
umgesetzt werden kann und ob Vattenfall mitspielt, erscheint aber noch | |
völlig unklar. Der Sprecher verweist darauf, dass Hamburg mit 25,1 Prozent | |
an der Fernwärmegesellschaft VWH (Vattenfall Wärme Hamburg) beteiligt ist. | |
Investitionsentscheidungen könnten Vattenfall und die Stadt nur gemeinsam | |
treffen. | |
Dem Vernehmen nach will Kerstan den Bau eines neuen Kraftwerks vermeiden. | |
Er setzt stattdessen auf ein „Mischkonzept“ mit Wärme aus verschiedenen, in | |
jedem Fall aber ökologisch korrekten Quellen. Nach Informationen der Zeit | |
zählt dazu Abwärme aus der Industrie, etwa von den großen | |
Metallverarbeitern oder aus dem Abwasser einer Kläranlage im Hamburger | |
Hafen. Eine Anlage in Stellingen, die Wärme aus Müll und Biomasse erzeugt, | |
könnte ebenfalls einen Beitrag zur Wärmeversorgung leisten. | |
Theoretisch könnte künftig auch das heftig umstrittene | |
Riesen-Kohlekraftwerk Moorburg, was ebenfalls von Vattenfall betrieben | |
wird, außer Strom auch Fernwärme für Hamburg erzeugen. Dem | |
energiepolitischen Ansinnen Kerstans liefe das aber zuwider. Marzahn | |
zufolge schließt auch der Hamburger Koalitionsvertrag den Neuanschluss von | |
kohlebefeuerten Anlagen an die Fernwärme aus. | |
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bleibt skeptisch. | |
Ein Ausstieg aus der Kohlewärme bis 2025 in Hamburg sei „ganz klar eine | |
gute Sache“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch: „Die | |
Kohlekraftwerke Wedel und Tiefstack, die in das Hamburger Fernwärmenetz | |
einspeisen, müssen schnell vom Netz.“ | |
Kerstan habe allerdings noch keine belastbaren Details für die zukünftige | |
Fernwärmeversorgung vorgelegt. Dabei werde auch eine wichtige Rolle | |
spielen, wie der zukünftig technisch mögliche Anschluss von Moorburg an das | |
Fernwärmenetz dauerhaft verhindert werden könne. „Sollte dies nicht | |
zugesichert werden, könnte sich der Kerstan-Plan als Dolchstoß für den | |
Klimaschutz erweisen, wenn in Zukunft doch Moorburg-Wärme eingespeist | |
wird“, so Braasch. | |
27 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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