# taz.de -- Fernwärme-Streit: Hitzköpfe unter sich | |
> Vattenfall und die Stadt Hamburg können sich nicht auf ein | |
> kohlekraftfreies Fernwärmekonzept einigen. | |
Bild: Objekt sehr unterschiedlicher Bewertung: Kohle | |
HAMBURG taz | Die Einigung ist gescheitert, die Gesellschafter sind heillos | |
zerstritten. Am gestrigen Freitag wollte die Fernwärme Hamburg GmbH (VWH), | |
die zu 74,9 Prozent dem Energieversorger Vattenfall und zu 25,1 Prozent der | |
Stadt Hamburg gehört, ihr Ausstiegsszenario aus dem maroden Kohlekraftwerk | |
im benachbarten Wedel präsentieren. Doch Vattenfall und die Stadt Hamburg | |
sind vollends gespalten. Vattenfall besteht darauf, Abwärme aus dem | |
Kohlekraftwerk Moorburg ins Fernwärmenetz einzuspeisen, Hamburg will das | |
auf keinen Fall und beruft sich auf den Volksentscheid für den Rückkauf der | |
Energienetze. Dessen Umsetzung steht jetzt infrage. | |
Vor einigen Wochen hatte die Umweltbehörde ein Fernwärmekonzept vorgelegt, | |
das ohne Wedel, aber auch ohne Moorburg auskommt. Kohleausstieg in der | |
Fernwärme bis 2025 lautet das Ziel. Mit industrieller Abwärme, Wärmeenergie | |
aus der Müllverbrennung, Wärmepumpen und -speichern sollen rund 480.000 | |
Wohneinheiten umweltfreundlich und kohlefrei versorgt werden – so wie es | |
auch der Volksentscheid vorsieht. | |
Doch seit Hamburg dieses Konzept vorlegte, ist es mit der engen Kooperation | |
zwischen Vattenfall und der Stadt vorbei. Für Vattenfall rechnet sich das | |
Moorburger Kraftwerk nach eigenen Angaben nur, wenn die entstehende Abwärme | |
verkauft werden kann. Vor 2035 will Vattenfall den Kohleausstieg aus der | |
Fernwärme verhindern. | |
Brisant dabei: Vattenfall und Hamburg sind im Fernwärmebereich aufeinander | |
angewiesen, nur im Konsens können sie Investitionsentscheidungen für die | |
Fernwärme-Gesellschaft treffen. Das sollte sich 2019 ändern: Dann soll die | |
dritte Stufe des Volksentscheids umgesetzt werden, Hamburg die Fernwärme | |
GmbH ganz übernehmen und damit schalten und walten können. Doch der | |
Fernwärme-Rückkauf droht nun zu scheitern. | |
Denn unter der Regie von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ausgehandelte | |
Verträge garantieren Vattenfall einen Mindestpreis für die | |
Fernwärme-Gesellschaft von 950 Millionen Euro. Sollte eine aktuelle | |
Bewertung des Unternehmenswertes sogar einen höheren Betrag ermitteln, | |
müsste Hamburg noch etwas draufpacken. Doch danach sieht es nicht aus. | |
Aufgrund zahlreicher Dynamiken auf dem Energie- und Fernwärmemarkt dürfte | |
die Fernwärme-Gesellschaft aktuell nur etwa 800 Millionen Euro wert sein. | |
Doch Vattenfall kündigte in den laufenden Verhandlungen bereits an, auf dem | |
höheren Mindestkaufpreis zu bestehen. Während der Volksentscheid den | |
Fernwärme-Rückkauf bindend vorschreibt, verbietet die | |
Landeshaushaltsordnung der Stadt jedoch, für ein Unternehmen mehr zu | |
zahlen, als es eigentlich wert ist. Im Klartext: Die Fernwärme-Übernahme | |
und damit die Umsetzung des Volksentscheids könnte scheitern, wenn | |
Vattenfall sich nicht bewegt. | |
Doch umgekehrt kann Vattenfall den Anschluss von Moorburg an das | |
Fernwärmenetz auch in der heutigen Gesellschaftskonstruktion gar nicht | |
durchsetzen, wenn der Minderheitengesellschafter Hamburg sich verweigert. | |
Und eine Rückgabe des 25,1 Prozent-Anteils, den Hamburg an der | |
Fernwärmegesellschaft besitzt – durchaus eine vertragliche Möglichkeit – | |
ist mit dem grünen Koalitionspartner nicht denkbar. Hamburg und Vattenfall | |
könnten sich damit gegenseitig langfristig komplett blockieren, wenn es um | |
die Gestaltung der zukünftigen Wärmeversorgung geht. | |
Einigung zwischen den beiden Gesellschaftern konnte am Freitag nur an zwei | |
untergeordneten Punkten verkündet werden. Ein Ersatz des Kohlekraftwerks | |
Wedel durch Anlagen nur nördlich der Elbe – die sogenannte Nordvariante – | |
wird nicht weiter verfolgt. Um die Südvariante voranzutreiben, werden die | |
Planungsmittel für die rund 120 Millionen Euro teure Fernwärmeleitung | |
unterhalb der Elbe freigegeben. Sie ist eine Voraussetzung für die | |
Einspeisung von Wärme aus der Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm, aber | |
auch für den Anschluss von Moorburg. | |
Zudem wollen Vattenfall und Senat gemeinsam eine Umrüstung des mit | |
Steinkohle-Verfeuerung arbeitenden Heizkraftwerks Tiefstack auf Gas bis | |
2025 vorantreiben. Für einen Ersatz des maroden Wedeler Kohlekraftwerks | |
reicht das aber bei Weitem nicht aus. | |
16 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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