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# taz.de -- Streit um Fischhack-Verstromung: Es ist noch nicht vorbei
> Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist der Rechtsstreit ums
> Kohlekraftwerk Moorburg nicht zu Ende. Der BUND hofft nun auf eine eigene
> Klage
Bild: Widerstand seit 2008: Das Fähnlein des Protests hält sich noch heute wa…
HAMBURG taz | Der Streit über das Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg ist
noch nicht vorbei. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hofft, dass
die Rüge, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch dem Hamburger
Senat erteilt hat, Folgen für die nationale Rechtsprechung haben wird.
Dadurch könnte der Betrieb des Kohlekraftwerks – ganz im Sinne der
Umweltschützer – unrentabel werden. Zugleich schlägt das Urteil einen Bogen
zum Beginn des Genehmigungsverfahrens, indem es die ursprüngliche,
zwischenzeitlich aufgegebene Rechtsposition der Umweltbehörde bestätigt.
Der EuGH ist zu dem Schluss gekommen, dass der schwarz-grüne Senat bei der
Genehmigung des Kraftwerks 2008 dessen Umweltverträglichkeit nicht
ausreichend geprüft habe. Dazu wäre er nach der
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU aber verpflichtet gewesen. Als
Konsequenz hat der aktuelle rot-grüne Senat jetzt verfügt, dass das
Kraftwerk vorerst nur mit seinem eigentlich für Ausnahmetage gebauten
Kühlturm betrieben werden darf. Das setzt die Effizienz herab und damit
auch die Wirtschaftlichkeit für den Betreiber Vattenfall.
„Im Grundsatz sind wir mit dem Urteil zufrieden“, sagte
BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch der taz. „Es zeigt, dass die
Genehmigung mit Bezug auf das europäische Wasserrecht und die
FFH-Richtlinie hätte versagt werden können.“ Der BUND hatte sich 2010 über
die Genehmigung in Brüssel beschwert und damit die Klage der EU-Kommission
ausgelöst.
Darüber hinaus hat der BUND vor dem Oberverwaltungsgericht 2013 ein Urteil
erstritten, das Vattenfall zur Nutzung des Kühlturms zwang. Stattdessen
eine Laufwasserkühlung mit bis zu 64 Kubikmeter Elbwasser pro Sekunde zu
nutzen, sei unzulässig. Denn das erhöhe die Temperatur des Elbwassers,
wodurch dessen Sauerstoffgehalt sinke. Den Zustand eines Gewässers zu
verschlechtern, sei nach geltendem Recht aber nicht zulässig.
Vattenfall und der Senat gingen gegen dieses Urteil in Revision. Ein
Versuch des BUND, das Verbot der Laufwasserkühlung per Eilantrag
durchzusetzen, wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ab. Dort ist
das Hauptsacheverfahren immer noch anhängig. Nachdem der EuGH mit dem
aktuellen Urteil sowie den Urteilen zur Elbe- und Weservertiefung in
ähnlichen Fällen die Richtung vorgegeben habe, werde das
Bundesverwaltungsgericht jetzt wohl auch bald über die Revision der
BUND-Klage urteilen, hofft BUND-Geschäftsführer Braasch.
Im Zentrum des aktuellen EuGH-Urteils steht eine moderne Fischtreppe
oberhalb des Kraftwerks, die es ermöglichen soll, dass mehr Fische als
bisher ihr Laichgebiet – ein FFH-Gebiet – oberhalb des Stauwehrs in
Geesthacht erreichen. Damit sollen die Fischverluste in der
Laufwasserkühlung des Kraftwerks Moorburg zumindest ausgeglichen werden.
Da es die Treppe zum Zeitpunkt der Genehmigung 2008 noch gar nicht gab,
habe der Senat auch nicht wissen können, ob dieser Plan aufgehe, urteilte
der EuGH. Und selbst wenn die Treppe funktioniere, komme sie nur Fischen
zugute, die es am Kraftwerk vorbei zum Oberlauf schafften.
Überdies hätte der Senat bei der Verträglichkeitsprüfung das alte
Pumpspeicherkraftwerk bei Geesthacht einbeziehen müssen, das den Fischen
ebenfalls schaden könnte. Zu bewerten wäre der Effekt beider Anlagen – des
Steinkohlekraftwerks und des Pumpspeicherkraftwerks – unterm Strich.
„Es ist davon auszugehen, dass eine neue Verträglichkeitsprüfung unter
Beachtung der Anforderungen des EuGH durchzuführen ist“, kommentierte
Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Dabei werde zu berücksichtigen
sein, dass die Elbe und die Fische im tatsächlichen Kraftwerksbetrieb
weniger gelitten hätten als erwartet. Das liege daran, dass die Fische vor
dem Eingang der Laufwasserkühlung verscheucht werden und dass an warmen
Tagen bereits der Kühlturm genutzt worden sei.
Kerstan wies auch darauf hin, dass mit dem Urteil die Rechtsposition seiner
grünen Amtsvorgängerin Anja Hajduk „im Ergebnis bestätigt“ worden sei.
Senatorin Hajduk hatte die Fischtreppe als Ausgleichsmaßnahme betrachtet.
Unter dieser Voraussetzung hätten die Folgen des Kraftwerksbaus für die
Fischpopulation mit Blick auf die FFH-Richtlinie anders betrachtet werden
müssen.
Die Behörde ließ sich jedoch von Schadenersatzdrohungen des
Kraftwerksbetreibers Vattenfall kirre machen. Vattenfall war wegen
Verzögerungen bei der Genehmigung vor Gericht gezogen. Im August 2008
erließ das Oberverwaltungsgericht einen Hinweisbeschluss, demzufolge die
Fischtreppe als Schadenminderungsmaßnahme zu verstehen war: Sie werde wohl
verhindern, dass das stromaufwärts liegende FFH-Gebiet beeinträchtigt wird.
Der EuGH sieht das anders.
28 Apr 2017
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Moorburg
Kohle
Hamburg
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Bremen
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Autobahn
Umwelt
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