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# taz.de -- Kohleausstieg in Europa: Ein Ende mit Schrecken
> Die EU rühmt sich ihrer Klimaziele. Wenn sie die ernst nimmt, gibt es nur
> eins, sagt eine neue Studie: Sofort raus aus der Kohle!
Bild: Für zwei Blöcke im Kraftwerk Niederaussem ist 2017 der Ofen aus
Berlin taz | Wenn Deutschland Ernst machen will mit dem Klimaschutz, müssen
hier 2017 und 2018 etwa ein Dutzend Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Das
sind vier mehr als bisher geplant. Eine nächste Welle der Abschaltungen
müsste es dann rund um 2020 geben und bis spätestens 2030 wären alle
deutschen Kohlekraftwerke kalt. Das ist das [1][Ergebnis einer neuen
Studie] des Thinktanks „ClimateAnalytics“, im Auftrag der dänischen
KR-Umweltstiftung.
Dieser Kohleausstieg wäre doppelt so schnell wie von der Bundesregierung
vorgeschlagen. Erst diese Woche hatte Wirtschafts-Staatssekretär Rainer
Baake gefordert, bis 2030 die Hälfte der deutschen Kohlekapazitäten
stillzulegen.
Die Studie „A Stress Test for Coal in Europe“ ist eine aufwändige Rechnung
für eine simple Frage: Was bedeutet das Pariser Klimaabkommen von 2015 für
die Kohlekraft in der EU, die ein Viertel des Stroms liefert? Die Antwort:
Schnelle Abschaltung aller etwa 300 europäischen Kohlemeiler, nämlich bis
2030. Denn wenn bis Mitte des Jahrhunderts global praktisch kein
Kohlendioxid mehr emittiert werden darf, ist das Budget der EU-Kohle auf
6,5 Milliarden Tonnen CO2 begrenzt.
Den Zeitpunkt für den Kohleausstieg haben die Experten von
„ClimateAnalytics“ nach zwei Kriterien kalkuliert: Dem CO2-Ausstoß
(dreckige Kraftwerke früher vom Netz) oder der Wirtschaftlichkeit
(abgeschriebene Kraftwerke zuerst). Je nach Berechnung verschwinden in den
nächsten Jahren einzelne Kraftwerke früher oder später: Je älter und
dreckiger ein Meiler, desto schneller wird er stillgelegt. Je jünger und
moderner, desto länger bleibt er am Netz. Dennoch gibt es junge Kraftwerke
wie Moorburg bei Hamburg oder Datteln in NRW, die nach diesem Fahrplan
abgeschaltet werden müssen, bevor sie sich amortisieren können.
## Kraftwerke müssen sterben, bevor sie abgezahlt sind
Nach den Kalkulationen geht es zuerst den älteren Kraftwerken in den
südlichen und östlichen EU-Ländern an den Kragen. Dabei haben schon bislang
sieben EU-Länder gar keine Kohle, andere wie Frankreich, Großbritannien
oder Finnland haben den Ausstieg in 10 bis 15 Jahren beschlossen.
Nur Polen und Deutschland, die zusammen die Hälfte der europäischen
Kapazität stellen, halten aus politischen und ökonomischen Gründen bislang
an der Kohle fest. Sie haben auch in den letzten Jahren noch in die Kohle
investiert, was sich nun rächt. Denn manche Projekte werden ihr Investment
nicht wieder einspielen können. Denn lieber ein Ende mit Schrecken als ein
Schrecken ohne Ende, schreiben die Experten: Bis 2020, also in drei Jahren,
„müssen ein Viertel der Kohlekraftwerke in der EU abgeschaltet werden“,
fünf Jahre später noch einmal 47 Prozent. Denn wenn die bisherigen
Kraftwerke weiterlaufen, würden sie ihr CO2-Budget bis 2050 um 85 Prozent
überschreiten.
Für ClimateAnalytics-Chef Bill Hare ist dieser schnelle Kohleausstieg „eine
der größten Herausforderungen für Europa. Das wäre für jede Region eine
gigantische Aufgabe, aber die EU hat bereits die Instrumente dafür.“ So
müssten Erneuerbare ausgebaut werden, die betroffenen Regionen müssten beim
Übergang zu anderen Strukturen unterstützt und neue Investitionen müssten
abgesichert werden. Vor allem müsse der EU-Emissionshandel verbessert
werden.
Gerade darüber stimmt das Europäische Parlament am nächsten Mittwoch ab.
Die neue Studie soll den Abgeordenten klar machen, worum es geht.
10 Feb 2017
## LINKS
[1] http://climateanalytics.org/latest/eu-needs-to-shut-all-coal-plants-by-2030…
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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