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# taz.de -- Klimaschutzpolitik der EU: Die Mär vom Helden Europa
> Die EU präsentiert sich global gern als Vorbild. Die Fakten lassen daran
> zweifeln. Das geplante Winterpaket der EU-Kommission ist zu zaghaft.
Bild: Wenn der Klimaschutz funktionieren soll, braucht es mehr Förderung
Brüssel/Berlin taz | Noch in der Nacht der US-Wahl hatte Miguel Arias
Cañete ein vollmundiges Versprechen abgegeben: „Die Welt kann darauf
zählen, dass die EU weiterhin beim Klima führen wird“, twitterte der
Brüsseler Klimakommissar morgens um 3.36 Uhr am 9. November.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zeigte sich bei der UN-Konferenz
in Marrakesch „überzeugt, dass die EU die Lücke füllen muss, die die USA
hinterlassen werden“. Aber jenseits der Durchhalteparolen zeigen EU-interne
Berichte, Statistiken und Studien, dass die Europäische Union weit davon
entfernt ist, Vorreiter beim Klimaschutz zu sein – dass sie oft nicht
einmal ihre eigenen Ziele erreicht.
Auch das sogenannte Winterpaket mit neuen Maßnahmen, das die EU-Kommission
am Mittwoch vorlegt, dürfte daran nicht viel ändern. Die EU-Kommission
plant, den Mitgliedstaaten 30 Prozent mehr Energieeffizienz vorzuschreiben.
Das reiche nicht aus, um die Klima-Ziele von Paris zu erreichen, kritisiert
das Klima-Aktionsbündnis CAN, dem rund 120 Umweltorganisationen angehören.
40 Prozent müssten es schon sein, um die Ziele zu erreichen, fordern die
Experten.
Auch bei den anderen Zielen sieht es mau aus. Zwar erreicht die Union ihre
Vorgabe, bis 2020 insgesamt 20 Prozent der Emissionen zu reduzieren. Aber
das liege daran, dass diese Messlatte nicht wirklich ehrgeizig sei,
monieren Umweltschützer. Aber das Ziel, bis 2030 minus 40 Prozent Klimagase
zu erreichen, ist derzeit sehr weit weg. Nach Zahlen des Öko-Instituts
landet die EU nur bei 36 Prozent. Denn zum einen funktioniert der
Emissionshandel nicht wie gewünscht, zum anderen greifen auch andere Regeln
nicht, befürchtet der Europäische Rechnungshof.
Die Behörde hat in einem [1][aktuellen Bericht] untersucht, was aus dem
Versprechen geworden ist, Brüssel werde 20 Prozent seiner Ausgaben in den
Klimaschutz leiten. „Es besteht ein großes Risiko, dass die EU-Zielvorgabe,
mindestens jeden fünften Euro im Zeitraum 2014 bis 2020 für den Klimaschutz
auszugeben, nicht erreicht wird“, warnte Rechnungsprüfer Phil Wyn Owen
Mitte November.
Es gebe „Fortschritte, aber in vielen Bereichen Business as usual“, moniert
der Prüfbericht. Einen Schritt zu mehr Klimaschutz gebe es bei den Ausgaben
für regionale Entwicklung und dem Kohäsionsfonds – aber bei der
Landwirtschaft, dem ländlichen Raum und der Fischerei sieht die Behörde
„keine nennenswerten Veränderungen“.
## Die EU schwächelt an vielen Stellen
Die EU-Kommission selbst schätzt, dass bisher nur 17,6 Prozent der Mittel
für den Klimaschutz verwendet werden. Würde nach „internationalen Methoden�…
gerechnet, so die Prüfer, kämen noch weniger, nämlich nur 15 Prozent,
heraus.
Auch beim Abschied von Kohle, Gas und Öl schwächeln die Europäer.
Eigentlich wollen sie bis 2050 ihre Treibhausgasemissionen um 80 bis 95
Prozent senken. Doch diese „Dekarbonisierungsstrategie“ sei derzeit „nicht
auf Kurs“, moniert eine [2][EU-weite Studie „State of the Low Carbon Energy
Union“] des Pariser Thinktanks IDDR.
Nach einem Überblick in den Mitgliedsstaaten kommen die Forscher zu der
Erkenntnis, es gebe zwar „signifikanten Fortschritt“ bei der Loslösung der
Energieversorgung vom Kohlenstoff, aber der sei mehr Wirtschaftskrisen
geschuldet als politischen Entscheidungen. Die jetzige Umgestaltung „stellt
Europas Bereitschaft in Frage, langfristig große Reduktionsminderungen zu
erreichen“, heißt es.
Das Tempo der Veränderung sei zu gering, moniert der Bericht; im Verkehr
und in der Industrie und in den östlichen EU-Ländern etwa habe der Umbau
„kaum begonnen“. Die EU solle für einzelne Branchen klare Vorgaben für das
Ende der fossilen Brennstoffe bis 2050 machen und angesichts eines
fehlenden Preissignals vom EU-Emissionshandel Pläne erwägen, „die Kohle in
der Stromversorgung auslaufen zu lassen“.
Denn ohne einen Kohleausstieg sei die „Dekarbonisierung“ nicht machbar,
schreiben die Experten: „Bis 2030 muss Kohle, die keine Abscheidung und
Speicherung des CO2 vorsieht, um mehr als 50 Prozent zurückgehen.“
29 Nov 2016
## LINKS
[1] http://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=39853
[2] http://www.iddri.org/Publications/State-of-the-Low-Carbon-Energy-Union-Asse…
## AUTOREN
Eric Bonse
Bernhard Pötter
## TAGS
EU
Erneuerbare Energien
Schwerpunkt Klimawandel
Emissionen
Umweltschutz
Dekarbonisierung
Klima
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