# taz.de -- Ende der Klimakonferenz in Marrakesch: Krach auf dem letzten Meter | |
> Die Klimakonferenz in Marrakesch endet mit den üblichen nächtlichen | |
> Detailkonflikten. Trotzdem lautet die Botschaft: Alle gegen Trump. | |
Bild: Die Welle rollt. Der Klimaschutz ist stark genug, auch einen Rückzieher … | |
MARRAKESCH taz | Am Ende wurde es in schlechter alter Tradition doch wieder | |
eine Hängepartie. Erst nach einer langen Nacht, in der sich das | |
Abschlussplenum immer wieder vertagte, endete die UN-Klimakonferenz von | |
Marrakesch, COP22, am frühen Samstagmorgen. „Wir haben die Maschinerie des | |
Pariser Abkommens angeworfen und arbeiten in die richtige Richtung“, sagte | |
die Chefin des UN-Klimasekretariats, Patricia Espinosa. „Ab Montag beginnt | |
die Arbeit für die Umsetzung der Beschlüsse.“ Bundesumweltministerin | |
Barbara Hendricks erklärte, die Konferenz habe gezeigt, dass „die | |
Weltgemeinschaft zusammen auf dem richtigen Weg ist, auf dem wir nicht | |
umkehren dürfen“. Sie zeigte sich mit dem Ergebnis der Konferenz zufrieden | |
– „auch wenn wir uns die letzten drei oder vier Stunden hätten sparen | |
können.“ | |
Da hatten sich über kleinen technischen Details vor allem die Delegationen | |
von Brasilien und China so ineinander verhakt, dass lange nichts voranging. | |
Oberflächlich bewegte sich der Konflikt darum, in welchen Gremien in | |
Zukunft Statistikfragen und Zeitplanung diskutiert werden sollen – darunter | |
sicherten sich die Länder schon jetzt ihre Positionen für die | |
Detaildebatten zum Pariser Abkommen, die bis 2018 dominieren werden. Beide | |
Konflikte wurden vertagt. Aber sie markierten das Ende einer Konferenz, die | |
ansonsten überall die angebliche Geschlossenheit der Staaten zur Schau | |
gestellt hatte. | |
Denn der große böse Wolf lauerte draußen. Die Debatte um die Zukunft der | |
Klimapolitik unter dem neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump | |
überschattete viele offizielle und fast alle inoffiziellen Gespräche der | |
COP. Sogar in der abschließenden rein formellen „Marrakesch Proklamation“ | |
wurde der erste Satz („Nichts kann den Klimawandel stoppen“) so | |
interpretiert, als sei er direkt an Trump gerichtet. Das allerdings | |
dementierte der marokkanische Außenminister und COP-Präsident Salaheddine | |
Mezouar: Nein, man wende sich mit dem Dokument nicht an eine bestimmte | |
Person. | |
Noch nie ist eine eigentlich langweilige COP in kurzer Zeit derart von | |
Hoffnung, Verzweiflung, Unsicherheit und Trotz bestimmt worden wie die | |
COP22. Im Vorfeld und am Beginn hatten die etwa 15.000 Delegierten noch | |
gefeiert, dass das Pariser Abkommen zum Klimaschutz kurz vor der Konferenz | |
noch in Kraft getreten war. Dann folgte am dritten Tag des Treffens der | |
Trump-Schock. Seitdem jagte unter den Delegierten und Journalisten in | |
Marrakesch ein Gerücht das nächste. Immerhin hatte Trump angekündigt, aus | |
dem Pariser Abkommen auszusteigen, alle Details seiner Klimapolitik sind | |
weiter unklar. | |
## So viel Drama | |
Wo immer es ging, machte sich die Konferenz selber Mut. Der US-Verhandler | |
Jonathan Pershing, der sich nun einen neuen Job suchen muss, beteuerte, die | |
US-Energiewende sei in der Wirtschaft angekommen und nicht zu stoppen – ein | |
Thema, das von Konferenzpräsident Mezouar, dem chinesischen | |
Delegationsleiter bis zur deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks fast | |
alle variierten: Der Klimaschutz ist stark genug, auch einen Rückzieher der | |
USA zu verschmerzen. In die gleiche Kerbe schlug US-Außenminister John | |
Kerry bei seinem Abschiedsbesuch. Er rief Trump dringend auf, sich bei | |
einem Besuch der Antarktis ein eigenes Bild vom Klimawandel zu machen und | |
sich umfangreich kundig zu machen, ehe er die US-Positionen räume. „Niemand | |
hat das Recht, leichtfertige Entscheidungen zu treffen, die das Leben von | |
Milliarden Menschen betreffen, ohne korrekten Input“, rief Kerry in einer | |
emotionalen und umjubelten Rede auf der Konferenz. | |
So viel Drama war für die Konferenz eigentlich überhaupt nicht vorgesehen. | |
Die Delegationen aus knapp 200 Ländern sollten Details aus dem Pariser | |
Abkommen klären – etwa die Frage nach einem „Regelbuch“. In ihm soll bis | |
2018 geklärt werden, wie die Klimapläne der Länder vergleichbar gemacht | |
werden können, wie die versprochenen Hilfsgelder von 100 Milliarden Dollar | |
jährlich ab 2020 verrechnet werden sollen oder wann und wie die Einhaltung | |
der Pläne zu überprüfen sei. Viele dieser technischen Fragen wurden relativ | |
geräuschlos behandelt oder vertagt auf die nächste Konferenz, die im | |
November 2017 in Bonn stattfinden wird. | |
Anders als in Paris und den letzten Jahren fand die Bewegung weniger in den | |
Hinterzimmern statt. In Marrakesch standen neue Initiativen auf der | |
Tagesordnung. Es gab mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel, die | |
aber dennoch nur zu einem Bruchteil des Nötigen finanziert ist. Für | |
klimafeste Landwirtschaft, Dämme gegen Fluten oder bessere | |
Wettervorhersagen soll es etwa 20 Milliarden Dollar ab 2020 geben – | |
gebraucht werden im Jahr 2050 wohl nach UN-Schätzungen Summen zwischen 200 | |
und 500 Milliarden. Zum ersten Mal legten auch Bundesstaaten, Städte und | |
Unternehmen Pläne vor, wie sie bis 2050 ihre „Langfrist-Strategien“ für | |
eine CO2-arme Zukunft planen. Deutschland schob eine neue | |
„NDC-Partnerschaft“ an, in der sich über 40 Länder und Institutionen | |
gegenseitig helfen, Klimapläne aufzustellen und umzusetzen. | |
## Der „Kohleausstieg“ der Armen | |
Am letzten Tag der COP setzten die armen Länder ein deutliches Signal: Im | |
„Forum der verwundbaren Länder“ (VCF) erklärten 47 Staaten wie Äthiopien, | |
die Philippinen oder Kiribati, sie würden schnell eigene Klimapläne | |
aufstellen und „spätestens zwischen 2030 und 2050“ ihre Energieversorgung | |
auf 100 Prozent Erneuerbare umstellen. Dieser „Kohleausstieg“ der Armen | |
sollte den Druck auf die reichen Länder erhöhen, ebenfalls schnell ihre | |
Energieversorgung umzubauen. Wie dringend nötig das ist, hatte die | |
Konferenz mit neuen Daten belegt. Demnach müssten die OECD-Länder bis 2030 | |
aus der Kohle aussteigen, China bis 2040 und Indien bis 2050, wenn der | |
Klimawandel unter zwei Grad Celsius gehalten werden soll. | |
„Das beste Zeichen von Marrakesch war, dass sich alle Länder | |
zusammengefunden haben, um das Pariser Abkommen zu verteidigen“, sagte | |
Manuel Pulgar-Vidal, Ex-Umweltminister von Peru, der inzwischen für den | |
Umweltverband WWF arbeitet. Kein Land habe sich Trump angeschlossen und | |
Zweifel am Abkommen geäußert. | |
Einen zweiten Mutmacher hatte Niklas Höhne vom „New Climate Institute“. | |
Erst hatte er eine Rechnung vorgestellt, welche drastischen Mittel für die | |
Erreichung des 1,5 Grad-Ziels nötig seien: ab sofort keine neuen | |
Kohlekraftwerke, keine Verbrennungsmotoren ab 2035, völliger Stopp der | |
Entwaldung bis 2020, nur noch Nullemissionshäuser ab 2020 und eine | |
Verdreifachung der Sanierungsrate bei Gebäuden. Der Lichtblick dabei: „Es | |
gibt Anzeichen, dass auch eine solche Umgestaltung möglich ist“, sagte | |
Höhne, „in manchen Gebieten wie bei den erneuerbaren Energien ist sie | |
bereits im Gang.“ | |
19 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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