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# taz.de -- Politiker und Energiewirtschaft: Kohle bleibt Lobbykönig
> Die alte Energiewirtschaft verfügt weiterhin über den besten Zugang zur
> Bundesregierung. Das zeigt eine Übersicht über die Lobby-Gespräche.
Bild: Man kennt sich und man schätzt sich: Beim Energieverband BDEW war SPD-Ch…
Berlin taz | Es war eine heftige Schlacht, die in der ersten Hälfte des
Jahres 2015 im Berliner Regierungsviertel ausgetragen wurde. Das damals von
SPD-Chef Sigmar Gabriel geführte Wirtschaftsministerium arbeitete an einem
Plan, wie Braunkohlekraftwerke durch eine zusätzliche Klimaabgabe belastet
und damit nach und nach aus dem Markt gedrängt werden könnten. Im Sommer
war dieser Plan tot. Statt zahlen zu müssen, bekommen die Betreiber der
klimaschädlichen Kraftwerke nun eine Milliardenentschädigung für eine
geringere Stilllegung.
Für diesen Sieg hat die Kohlebranche intensiv gearbeitet. Im Wochenrhythmus
gingen die Chefs der vier großen konventionellen Energiekonzerne in den
entscheidenden Monaten im Bundeswirtschaftsministerium und im Kanzleramt
ein und aus. Das geht aus der [1][Antwort] der Regierung auf eine Anfrage
der Linksfraktion hervor, die die taz vorab auswerten konnte. Darin sind
sämtliche Gespräche aufgelistet, die die Kanzlerin sowie alle MinisterInnen
und StaatssekretärInnen seit Oktober 2014 mit VertreterInnen der
Energiebranche geführt haben.
Mit großem Abstand an der Spitze: die vier Energieriesen RWE, Eon,
Vattenfall und EnBW, bei denen trotz verstärkter Investitionen in
erneuerbare Energien noch immer Kohle- und Atomstrom das Geschäft
dominieren. Eon traf insgesamt 40 SpitzenpolitikerInnen, darunter 4 mal die
Kanzlerin und 29 mal Minister; RWE kommt auf 40 Kontakte, davon 3 mit
Merkel und 22 mit verschiedenen MinisterInnen.
Zum Vergleich: Enercon kommt als größter deutscher Hersteller von
Windkraftanlagen auf 3 Gespräche, davon 2 auf Ministerebene. „Schwarz-Rot
bleibt im Energiebereich eine Große Koalition der großen Bosse“,
kommentiert Eva Bulling-Schröter, energiepolitische Sprecherin der Linken.
Die „offensichtliche Bevorzugung der Wirtschaftsriesen gegenüber dem
Umweltschutz“ habe konkreten Einfluss auf die Energiepolitik, wie sich beim
Ausbremsen der Energiewende und dem Eintreten für Kohlekraftwerke zeige.
Auch auf Verbandsebene sind die Unterschiede gewaltig: Während der
Bundesverband Erneuerbare Energien bei 5 Terminen empfangen wurde, kam der
Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf 39 Gespräche. In dem
Verband sind zwar neben den großen Konzernen und vielen Stadtwerken auch
Unternehmen aus der Erneuerbaren-Branche Mitglied. Die energiepolitischen
Forderungen des BDEW stützen jedoch oft die konventionellen Anbieter – etwa
beim Kampf gegen die Kohleabgabe und für die finanzielle Unterstützung
fossiler Kraftwerke.
## Enge personelle Verflechtungen
Neben einem Termin bei der Kanzlerin hatten die BDEW-VertreterInnen
insgesamt 16 Treffen mit 5 verschiedenen BundesministerInnen. Der Verband
hält das für ganz normal. „Aufgrund der steigenden Komplexität wächst die
Nachfrage der Politik nach Positionen und Einschätzungen, die die
Energiewirtschaft als Ganzes im Blick behalten“, teilte der BDEW auf
taz-Anfrage mit.
Hilfreich dürfte allerdings auch die enge personelle Verflechtung des
Verbands mit der Politik gewesen sein: Die langjährige BDEW-Chefin
Hildegard Müller, die später zu RWE wechselte, war zuvor Staatsministerin
unter Kanzlerin Angela Merkel. Ihr Nachfolger Stefan Kapferer war unter
Philipp Rösler (FDP) und Gabriel Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Für die Energieökonomin Claudia Kemfert ist die starke Lobbyarbeit gerade
angesichts des Erfolgs der Energiewende nicht verwunderlich. „Die fossile
Energiewirtschaft kämpft mit allen Mitteln um ihre Pfründe“, sagte sie der
taz. „Denn jeder Tag, den ihre Kohlekraftwerke länger laufen, bringt Geld
in die Kasse.“
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien kritisiert, die Regierung höre
vor allem auf „konservative Energie- und Industrieverbände, denen die
Energiewende zu schnell geht“. Das Wirtschaftsministerium weist diesen
Vorwurf zurück. „Einen privilegierten Zugang einzelner
Interessenvertreter“, schreibt SPD-Staatssekretär Uwe Beckmeyer in der
Antwort, „kann die Bundesregierung nicht feststellen“.
3 May 2017
## LINKS
[1] /static/pdf/18-11380.pdf
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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