# taz.de -- Grüner Kurs Richtung Jamaika: Tanz auf dünnem Eis | |
> Schwierige Gespräche in Berlin: Wie Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt | |
> die skeptischen Grünen auf ein Jamaika-Bündnis vorbereiten. | |
Bild: Die Jamaika-Gespräche werden nicht einfach | |
BERLIN/STUTTGART taz | Cem Özdemir erlaubt sich ein Scherzchen. Ob er | |
Minister werden will? Das Amt, zitiert Özdemir den früheren | |
CDU-Ministerpräsidenten Erwin Teufel, komme bekanntlich zum Manne. „Da wir | |
bei den Grünen sind, gilt das auch für die Frau.“ | |
Da lächelt auch Katrin Göring-Eckardt. Vor ein paar Minuten hat an ihrem | |
Platz in der Berliner Bundespressekonferenz noch Christian Lindner geredet, | |
der alerte FDP-Spitzenmann. Mit ihm könnten die zwei Grünen in nicht allzu | |
ferner Zukunft am Kabinettstisch sitzen. | |
Entspannt wollen die grünen Spitzenkandidaten am Montagnachmittag wirken, | |
verantwortungsbewusst und nur an Inhalten interessiert. Und ja, Özdemir und | |
Göring-Eckardt wären natürlich gerne Minister. Die Grünen bereiten sich | |
innerlich auf Verhandlungen für eine Koalition mit CDU, CSU und FDP vor. | |
Jamaika heißt das Zauberwort, mit dem sie nach zwölf Jahren Opposition | |
gestalten wollen. | |
Özdemir und Göring-Eckardt lassen keinen Zweifel daran, dass sie | |
bereitstünden, wenn Merkel anruft. Mit Sicherheit ginge es um „sehr | |
komplizierte, sehr schwierige Gespräche“, sagt Göring-Eckardt. Man werde | |
sie mit Ernsthaftigkeit und Verantwortung führen. Die Wähler hätten die | |
Grünen für Klimaschutz und die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens | |
gewählt, aber auch dafür, dass sie klar für Gerechtigkeit und ein | |
solidarisches Europa einträten. | |
Beiden ist klar, wie schwierig die Gemengelage ist. Die Unterschiede sind | |
sowieso immens, und nun hadern CDU und CSU auch noch mit schlechten | |
Ergebnissen und dem Sieg der AfD. Die Union habe „auf der rechten Seite | |
eine offene Flanke“, attestierte CSU-Chef Horst Seehofer. Und kündigte an, | |
sie schließen zu wollen. Noch mehr Provokationen in der Flüchtlings- und | |
Innenpolitik aber wären für Grüne schwer erträglich. | |
## Miteinander sprechen | |
„Das wird hammerhart“, sagt Malte Spitz, Mitglied im Parteirat, über ein | |
Bündnis. „Für viele ist Jamaika weit, weit weg.“ Aber man solle miteinand… | |
sprechen. „Die Union, insbesondere die CSU, hat schon einen Rechtsruck | |
angekündigt“, sagt der grüne Haushälter Sven-Christian Kindler. „Die FDP | |
hat einen populistischen Wahlkampf gegen Europa und Geflüchtete gemacht.“ | |
Der Ausgang von Gesprächen sei offen. Solche Skepsis ist gerade im linken | |
Flügel weit verbreitet. | |
Aber die Bereitschaft, es erst mal zu probieren, ist da. Kein Kritiker – | |
die Berlinerin Canan Bayram, die erfolgreich das Kreuzberger Direktmandat | |
von Christian Ströbele verteidigte, ausgenommen – sagt offen, dass Jamaika | |
niemals geht. Das passt zur Stimmungslage der Grünen-Anhänger. 49 Prozent | |
von ihnen fänden laut der Forschungsgruppe Wahlen eine solche Koalition | |
gut, nur 35 Prozent fänden sie schlecht. Auch das darf man als | |
optimistische Skepsis lesen. | |
Özdemir und Göring-Eckardt tanzen vor den Journalisten über dünnes Eis. | |
Einerseits wollen sie keine Gräben zu den Partnern aufwerfen, andererseits | |
müssen sie auf die Bedenken in ihrem Laden achten. Özdemir weicht aus, als | |
er gefragt wird, ob er Eurobonds, also eine gemeinsame Schuldenhaftung in | |
Europa, gut fände. Wenn Großbritannien aus der EU ausscheide, müsse | |
Deutschland einen Beitrag leisten, sagt er nur. Das ist hinreichend vage, | |
um keinen Schäuble-Fan bei den Konservativen zu verschrecken. | |
Göring-Eckardt schafft es sogar, Seehofers Rechte-Flanke-Ankündigung | |
positiv zu deuten. Die Frage sei ja, ob man vor der Bayern-Wahl 2018 | |
Vorlagen liefere, dass die Leute lieber das Original wählten, also die AfD. | |
Oder ob man für den Zusammenhalt der Gesellschaft sorge. Diese Einschätzung | |
müsse die CSU selbst treffen. Und bei den Naturschönheiten Bayerns, sagt | |
sie, gehe es ja auch um die Bewahrung der Schöpfung. So sehen | |
Versöhnungsgesten aus. | |
Beide betonen, wie wichtig den Grünen Gerechtigkeit sei. Das ist ein | |
Herzensanliegen linker Grüner. Man werde die ganze Bandbreite des | |
10-Punkte-Plans verhandeln, sagt Özdemir. Die Grünen würden auch die Stimme | |
von Erwerbsgeminderten, Pflegekräften oder Alleinerziehenden sein. Damit | |
breitet der Spitzenkandidat eine wärmende Decke über dem linken Flügel aus. | |
Bleibt nur noch die Frage, wer sondieren darf. Zuletzt war spekuliert | |
worden, ob Jürgen Trittin, ein Wortführer der Linksgrünen, dabei sein soll. | |
Die Spitzenkandidaten halten sich bedeckt, aber Göring-Eckardt gibt einen | |
Hinweis. Das Kernteam, sagt sie, werde aus Personen bestehen, die ein Amt | |
haben. Dieses Team, heißt es bei den Grünen, besteht aus sechs Leuten: den | |
Spitzenkandidaten, Parteichefin Simone Peter, Fraktionschef Anton | |
Hofreiter, Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann und Michael Kellner, | |
dem Bundesgeschäftsführer. Darum herum werden aber weitere Leute gruppiert. | |
So gut wie sicher ist zum Beispiel, dass Baden-Württembergs | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann mitredet. Jener duzt sich mit | |
Seehofer, er kennt Bayerns Regierungschef aus dem Bundesrat. Auch Trittin | |
wird wohl dazustoßen. Wichtige Linksgrüne machen sich für ihn stark. | |
Kellner sagt: „Ich habe kein Problem damit, dass Leute mit großer Erfahrung | |
und Themenkompetenz dabei sind.“ | |
[1][Lesen Sie mehr zur Bundestagswahl 2017 in unserem Schwerpunkt] | |
25 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Benno Stieber | |
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