# taz.de -- Waffenfund in Hamburg: Der stille Tod eines Neonazis | |
> In seiner Wohnung hortete der verstorbene Lutz H. Waffen, Munition und | |
> Nazi-Propaganda. Die Polizei zeigte kein Interesse an dem Material. | |
Bild: Hakenkreuze und SS-Bildchen: Lutz H. hatte neben scharfen Waffen auch NS-… | |
HAMBURG taz | Die Wohnung des verstorbenen Lutz H. glich einem | |
Gruselkabinett. An den Wänden prangten ein Dutzend Sturmgewehre und | |
Schnellfeuerwaffen, Regalmeter waren bis unter die Decke vollgestopft mit | |
legaler, aber auch illegaler Nazipropaganda, wie mehrerer Bände der | |
Originalausgabe von Hitlers „Mein Kampf.“ Publikationen, die den Tatbestand | |
der Volksverhetzung erfüllen oder über die Auschwitzlüge schwadronieren, | |
stapeln sich neben Hakenkreuz-Orden und SS-Abzeichen. | |
An den Wänden hingen Ölbilder von Nazigrößen wie Joseph Goebels und | |
Ernst-Otto Remer, der nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli den Umsturz | |
verhinderte. Daneben prangte ein Gemälde eines mit Orden hoch dekorierten | |
Anders Behring Breivik, des norwegischen Rechtsterroristen, der im Juli | |
2011 in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen erschoss. | |
Vergangenen Donnerstag betreten mehrere Beamte des Hamburger | |
Polizeikommissariats diese mitten in Hamburg, unweit der | |
Alsterschwimmhalle, gelegene Wohnung des bereits im April verstorbenen | |
Mannes. Sie sind von einer Nachlassverwalterin, die kurz zuvor die | |
Nazihölle erstmals betreten hatte, informiert worden. Die Polizisten nehmen | |
die Waffen von der Wand. Zwei von ihnen, ein Sturmgewehr AK-47 und eine | |
Scorpion-Maschinenpistole, fallen vermutlich unters | |
Kriegswaffenkontrollgesetz. Die Beamten verlassen die Wohnung, ohne diese | |
genauer in Augenschein nehmen zu wollen. | |
Kurz darauf werden sie erneut in die heruntergekommene Wohnung des | |
Verstorbenen gerufen. In den Schubladen befanden sich noch mehr als ein | |
halbes Dutzend Handfeuerwaffen, daneben bergeweise Munition. Offensichtlich | |
diesmal beeindruckt von den Funden, informierten die Revierpolizisten die | |
Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts, Unterabteilung Waffen- und | |
Sprengstoffdelikte. Dort heißt es am Dienstag, man habe insgesamt 15 | |
erlaubnispflichtige Sturmgewehre und Maschinenpistolen, daneben noch | |
Handfeuerwaffen, Schrotflinten und sogar einen „Schießkugelschreiber“ | |
sichergestellt. Die Prüfung, wie viele der Waffen einsatzfähig sind, laufe | |
noch. | |
## Die Polizei interessieren Lutz H.s Kontakte nicht | |
Lutz H. ist polizeibekannt und gilt als der NPD nahestehend. Obwohl die | |
gefundenen Schusswaffen ausreichen, einen ganzen Sturmtrupp auszurüsten und | |
der Wohnungsbesitzer offenbar ein Neonazi und Fan des Massenmörders Breivik | |
war, interessiert sich die Polizei nur für die Waffen von Lutz H. Sie | |
interessiert sich nicht für dessen mögliche Verbindungen zur rechtsextremen | |
oder gar rechtsterroristischen Szene. | |
Statt die Computer, die privaten Akten und die verbotenen Nazi-Materialien | |
zu konfiszieren und auszuwerten, fordert die Polizei die | |
Nachlassverwalterin per „Vernichtungsverfügung“ auf, die Dateien und die | |
umfangreichen Papierberge umgehend zu entsorgen. Obwohl die | |
Nazi-Devotionalien, die Lutz H. hortete, in der Szene einen hohen | |
Sammlerwert besitzen, interessiert es die Polizei auch nicht, deren | |
ordnungsgemäße Beseitigung sicherzustellen. „Der leitende Beamte vom | |
Dauerdienst konnte keine Straftatbestände feststellen, deshalb haben wir | |
die Vernichtungsverfügung erteilt“, erklärt Polizeisprecher Holger Vehren. | |
Zudem verschweigt die Polizei am vergangenen Donnerstag den spektakulären | |
Waffen- und Materialfund der Öffentlichkeit. Stattdessen veröffentlicht | |
ihre Pressestelle im fraglichen Zeitraum lieber eine Erklärung über den | |
„Diebstahl von Bundmetall in Hamburg-Steilshoop“. „Wir haben öfters | |
Waffenfunde bei Verstorbenen, da informieren wir in der Regel nicht die | |
Öffentlichkeit“, so Vehren. | |
Auch der Verfassungsschutz, wird am Donnerstag von der Nachlassverwalterin | |
über das möglicherweise hochbrisante Material informiert. Die Mitarbeiterin | |
des Landesamtes für Verfassungsschutz aber sieht keine Möglichkeit | |
einzugreifen, da die Mitarbeiter ihres Amtes nicht einfach die Wohnung | |
seines Verstorbenen betreten, Akten und Dateien konfiszieren können. | |
Möglicherweise habe es in dem Gespräch „Missverständnisse gegeben“, glau… | |
der Sprecher des Verfassungsschutzes, Marco Haase. „Wenn wir die | |
Möglichkeit haben, solches Material zu sichten, dann schauen wir da | |
natürlich drauf“, so Haase. | |
Das ist nun nicht mehr möglich. Inzwischen wurde die Vernichtungsverfügung | |
der Polizei umgesetzt, die Wohnung entrümpelt, die Aktenflut entsorgt. | |
8 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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