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# taz.de -- Prozess in Hannover gegen Rechtsextreme: Panzerfaust und Hitler-Bild
> 50 Waffen und über 3.600 Schuss Munition findet die Polizei bei Marcel
> und Oliver M. Jetzt müssen sich Vater und Sohn vor Gericht verantworten.
Bild: Der Angeklagte hatte die Waffen teilweise nicht einmal ausgepackt
Hannover taz | Über 50 Waffen, rund 3.650 Schuss funktionsfähige Munition,
dazu 98.000 Euro in bar. So sieht die Kurzbeschreibung dessen aus, was die
Polizei Ende März im Zimmer eines jungen Mannes in der niedersächsischen
Hauptstadt Hannover gefunden hat. Marcel M., 30, lebte dort zusammen mit
seinem Vater, Oliver Dieter M., 53, in einer Zweizimmerwohnung. Jetzt
müssen sich beide Männer wegen zahlreicher Verstöße gegen das
Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz vor dem Landgericht
Hannover verantworten. Am Mittwoch begann der Prozess.
Die Anklage vermutet bei Marcel M. einen rechtsextremen Hintergrund. „Wir
sind überzeugt davon, dass Marcel M. die Waffen nicht aus
Sammelleidenschaft angeschafft hat, sondern um vorgerüstet zu sein“,
erklärt Bernd Kolkmeier, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle.
Darauf schließen nicht nur Waffen und Munition in hoher Zahl, sondern auch
NS-Devotionalien wie Nazi-Orden, Hitler-Fotos, Musikvideos rechter Bands
und Bilder der drei NSU-Terrorist*innen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe
Böhnhardt.
Auch in den Chats, E-Mails und in der sonstigen Kommunikation im Netz sei
die rechte Gesinnung des jungen Mannes zu erkennen, sagt Kolkmeier.
Es regnet, als am Mittwochmorgen in der 18. Großen Strafkammer der Prozess
gegen Marcel und Oliver Dieter M. beginnt. Die Luft im Flur des
Landgerichts in der Nähe des Hauptbahnhofs ist feucht, im Verhandlungsraum
H2 ist es kalt. Während der angeklagte Vater, ein unauffälliger
Mittfünfziger in blauem Pullover und blauer Steppjacke, den Blick streng
nach unten richtet, schaut sein Sohn Richter Patrick Gerberding und Maidie
Schenk von der Staatsanwaltschaft Celle direkt ins Gesicht.
## Keine Ausbildung, kein Job, keine eigene Familie
Trotzdem wirkt der 150-Kilo-Mann, der mit seinen strähnigen Haaren, dem
langen Bart und der Metallbrille einem IT-Nerd gleicht, ausgesprochen
teilnahmslos. Seine Biografie, die Richter Gerberding abfragt, klingt nach
Scheitern auf ganzer Linie: kein Schulabschluss, keine Berufsausbildung,
kein Job, ledig, keine Kinder. In der Wohnung des Vaters lebt der Sohn,
ohne sich je angemeldet zu haben. Die Räume soll Marcel M. in den Monaten
vor der Verhaftung kaum verlassen, sich wenig bewegt und damals etwa 250
Kilo gewogen haben. Seine Tage und Nächte soll er vor dem PC und im
Internet verbracht haben.
Was wusste Oliver Dieter M., ein Koch, vom Treiben seines Sohnes? Marcel M.
soll die Waffen im Internet und vor allem im Darknet gekauft und zum Teil
weiterverkauft haben. Konkrete Hinweise auf gezielte Anschläge und
Terrorakte konnten aber nicht nachgewiesen werden, so der Sprecher der
Generalstaatsanwaltschaft Celle.
Um die vermeintlich rechte Gesinnung geht es im Prozess in Hannover
allerdings nicht. Dort wird ausschließlich der Waffen- und Munitionsfund
verhandelt. Die [1][Anklageschrift] dazu klingt wie die Inventarliste eines
gut sortierten Waffenshops: Maschinenpistolen, halbautomatische Kurzwaffen,
Gewehrstutzen, Steinschlosspistolen, Einzellader, Panzerfaust,
Winchester-Patronen, Trommelmagazine, Schreckschusspistolen,
Nebelwurfkörper, doppelläufige Pistolen, 4mm-Revolver,
Seenotrettungsfackeln, Nebeltöpfe …
Die Waffen soll Marcel M. im Netz bestellt und an die Adresse der Wohnung
seiner Oma geschickt haben. So liest es Staatsanwältin Schenk vor. Der
Vater soll sie in die gemeinsame Wohnung gebracht haben, sogar noch nach
der Verhaftung seines Sohnes. Zwei Waffen soll er unter einem Wäscheberg
versteckt haben.
## Sohn auch wegen Körperverletzung angeklagt
Vater Oliver Dieter M., der selbst Ende Juli verhaftet wurde, dürfte also
gewusst haben, was sein Sohn treibt. In dessen Zimmer hatte die Polizei
Waffenpakete gefunden, die der Angeklagte noch nicht einmal ausgepackt
hatte.
Als die Polizei Marcel M. festnehmen wollte, soll er sich so heftig dagegen
gewehrt und um sich geschlagen haben, dass er fixiert werden musste. Einen
Polizisten habe er dabei schwer verletzt, der Beamte soll eine
Schädelprellung erlitten haben. Gegen Marcel M. wird zudem wegen
Körperverletzung verhandelt.
Bis Ende November sind weitere [2][sieben Verhandlungstage] eingeplant. Am
14. Oktober will das Landgericht weiter verhandeln. Die Anwälte der beiden
Angeklagten wollen dann „umfassende Erklärungen“ verlesen. Der Vater wolle
dazu auch selbst aussagen.
26 Sep 2019
## LINKS
[1] https://generalstaatsanwaltschaft-celle.niedersachsen.de/startseite/aktuell…
[2] https://www.landgericht-hannover.niedersachsen.de/startseite/aktuelles_und_…
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Prozess
Rechtsextremismus
Niedersachsen
Hannover
Terror
Waffen
Darknet
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Niedersachsen
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
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