| # taz.de -- Linker über transparente NSU-Aufklärung: „Wir wissen nichts“ | |
| > Weil der Unterausschuss zur NSU-Aufklärung in Mecklenburg-Vorpommern | |
| > geheim ist, veröffentlicht die Linke jetzt Inhalte daraus. | |
| Bild: Von Neonazis ermordet: Gedenkort für Mehmet Turgut | |
| taz: Herr Ritter, Sie sind im nichtöffentlichen Unterausschuss zur | |
| Aufklärung des NSU-Komplexes in Mecklenburg-Vorpommern. Seit Dienstag | |
| veröffentlichen Sie Inhalte der Sitzungen. Warum? | |
| Peter Ritter: Das ist einfach zu erklären: Wir versuchen seit Jahren, die | |
| NSU-Verbrechen in Mecklenburg-Vorpommern aufzuklären. Direkt nach dem | |
| Auffliegen hätten wir als Fraktion die Möglichkeit gehabt, zusammen mit den | |
| Grünen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dafür | |
| benötigt man im Landtag 18 Abgeordnete. Die Grünen sind aber nicht | |
| mitgegangen. Wir versuchen seitdem, die Aufklärung voranzutreiben. | |
| Erfolgreich? | |
| Immerhin gibt es inzwischen einen Unterausschuss des Innenausschusses. Für | |
| den gilt allerdings, dass er keine weitreichenden Befugnisse hat und nicht | |
| öffentlich tagt. So funktioniert aber Aufklärung nicht. Das wird der | |
| Erwartungshaltung der Hinterbliebenen, uns, aber auch einer | |
| zivilgesellschaftlichen Aufarbeitung nicht gerecht. Es gibt keine | |
| Aufklärung ohne Öffentlichkeit. Die parlamentarische Aufklärung in | |
| Mecklenburg-Vorpommern hat insofern versagt. Die Hauptfolge aus dem | |
| NSU-Komplex in Mecklenburg-Vorpommern ist, dass die Geheimdienstkontrolle | |
| durch das Parlament eingeschränkt wurde. Das ist der völlig falsche | |
| Schluss. | |
| Was berichten Sie aus den geheimen Sitzungen? | |
| Wir veröffentlichen [1][überblicksartige Berichte] zu Verlauf und Inhalten | |
| aus den Ausschusssitzungen. Wir halten uns dabei natürlich an Spielregeln | |
| und veröffentlichen keine Details, die der Geheimhaltung unterliegen. Ich | |
| bin schon lange Mitglied des Parlaments und weiß sehr genau, was ich | |
| veröffentlichen darf und was nicht. | |
| Was ist inhaltlich im Unterausschuss bislang passiert? | |
| Bislang ist der Ausschuss ein Trauerspiel. Wir drehen uns im Kreis und | |
| laufen bei der Aufklärung gegen Wände. | |
| Wer steht Ihnen im Weg? | |
| Wir dürfen als Unterausschuss zwar keine Zeugen vernehmen, aber immerhin | |
| laut unserer Landtagsverwaltung Akten einsehen. Die | |
| Generalbundesanwaltschaft verweigert uns aber alle Unterlagen, das | |
| Innenministerium blockiert ebenfalls. | |
| Warum ist es wichtig, Transparenz zu schaffen? | |
| Es geht ja nicht nur um die Aufklärung des Tathergangs der Ermordung von | |
| Mehmet Turgut 2004 in Rostock, sondern auch um die Verantwortlichkeit der | |
| Ermittlungsbehörden. Die Ermittlungen gingen damals in die komplett falsche | |
| Richtung, Opfer wurden zu Tätern gemacht. Es muss künftig vermieden werden, | |
| dass sich so etwas wiederholen kann. Damit sind wir in | |
| Mecklenburg-Vorpommern noch nicht vorangekommen. Die | |
| Migranten-Selbstorganisation Migranet-MV [2][fordert schon lange], den | |
| NSU-Komplex auch hier komplett öffentlich zu behandeln. Vergeblich. | |
| Welche Sachen sind ungeklärt bei der Ermordung Mehmet Turguts? | |
| Wir wissen nichts: Welche personellen Beziehungen der NSU in | |
| Mecklenburg-Vorpommern hatte, wo es lokale Unterstützung gab, wieso Rostock | |
| als Tatort ausgewählt wurde. Ohne Ortskenntnisse konnte man diesen Tatort | |
| eigentlich nicht bestimmen. Umstände um die Banküberfälle in Stralsund sind | |
| auch ungeklärt. Der NSU hat hier nicht autark gehandelt. Es gab ein | |
| vielfältiges Unterstützungsumfeld, das weder im Prozess noch im | |
| Bundesausschuss aufgeklärt wurde. Die parlamentarische Aufklärung der | |
| anderen Bundesländer hat gezeigt, dass es immer wieder lokale Spezifika gab | |
| – gerade was Querverbindungen in rechten Strukturen und das Agieren der | |
| Sicherheitsbehörden angeht. Das ist hier alles im Dunkeln. Was hier | |
| Aufarbeitung genannt wurde, ist die Wiedergabe dessen, was man schon in | |
| Berlin herausgefunden hat. Der Landtag hatte sogar Vertreter des | |
| Bundestagsuntersuchungsausschusses eingeladen. Die haben dem Parlament | |
| Anhaltspunkte gegeben, welche Schritte zur Aufklärung man hier im Land | |
| gehen müsste und haben einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss | |
| empfohlen. Der Appell ist verhallt. | |
| Warum stellt sich die Regierungskoalition aus CDU und SPD quer? | |
| Wenn ich das wüsste, wäre ich schlauer. Nach der Landtagswahl wollte die | |
| SPD einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss festschreiben. Im | |
| Koalitionsvertrag ist davon aber nichts zu finden. | |
| Susann Wippermann von der SPD sagte zu ihren Veröffentlichungen: „Ich weiß | |
| ehrlich gesagt nicht, was damit bezweckt werden soll.“ | |
| Die öffentliche Aufklärung ist eine zentrale Forderung der Betroffenen und | |
| Hinterbliebenen. Sie haben ein Recht auf Transparenz. | |
| Sie sind selbst Mitglied der parlamentarischen Kontrollkommission der | |
| Geheimdienste. Insgesamt sollen 40 V-Personen im Umfeld des NSU gewesen | |
| sein. Wissen Sie, wie viele Quellen der Verfassungsschutz in | |
| Mecklenburg-Vorpommern im NSU-Umfeld hatte? | |
| Nein, aber ich dürfte auch gar nichts sagen. Es gibt Kontrollmechanismen | |
| des Geheimdienstes durch das Parlament. Aber mit diesen Informationen kann | |
| ich in der Öffentlichkeit nichts anfangen, wenn ich mich nicht strafbar | |
| machen will. Diese Kontrolle ist nur ein stumpfes Schwert. | |
| Was fordern Sie? | |
| Wir brauchen Zugang zu allen Akten und Schriftwechseln hiesiger Behörden | |
| und der bundesweit Beteiligten. Nicht mal Dinge, die bereits aus Schwerin | |
| an den Untersuchungsausschuss in Berlin gingen, dürfen wir hier einsehen. | |
| Das ist komplett absurd und wird weder den Opfern noch der öffentlichen | |
| Debatte gerecht. Wie wollen wir die Zivilgesellschaft ermuntern, sich gegen | |
| Rassismus zu engagieren, wenn rechter Terror nicht aufgeklärt wird? | |
| Wollen die anderen Fraktionen keinen regulären Untersuchungsausschuss? | |
| Es gab das gönnerhafte Angebot vom NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs, | |
| gemeinsam mit uns einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Aber da fällt | |
| mir eher die Hand ab, als dass ich sowas mit der NPD mache. Die | |
| demokratischen Fraktionen müssen ernsthaft hinterfragen, ob sie Interesse | |
| haben, diese Mordserie auch in Mecklenburg-Vorpommern aufzuklären. Wenn man | |
| das nicht will, soll man das bitte auch so sagen und nicht auf | |
| Nebenschauplätzen gegen die Aufklärung vorgehen. | |
| 26 Jul 2017 | |
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| [1] http://www.linksfraktionmv.de/fraktion/nsu_unterausschuss/ | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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