Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Beton-Hakenkreuz in Hamburg: Zeit für den Presslufthammer
> Das Auftauchen des Hakenkreuz-Fundaments auf einem Billstedter Sportplatz
> symbolisiert gespenstisch klar den wachsenden Faschismus à la NSU und
> AfD.
Bild: Bei Bauarbeiten entdeckt: riesiges Hakenkreuz.
Hamburg taz | Es war schon ein eigenartiges Relikt, das riesige Hakenkreuz
im Billstedter Sportplatzboden, das der Baggerführer da zutage gefördert
hatte. Wie der Wiedergänger einer überwunden geglaubten Ära lag es da,
gigantomanisch und sicher auch vom Flugzeug aus erkennbar: eine düstere
Botschaft, weit hinaus ins Weltall geschrieen.
Dabei war es mal genau umgekehrt gedacht: Als im Boden verstecktes
Fundament war es schon zu NS-Zeiten – abgesehen vom Ritual der
Grundsteinlegung – unsichtbar und gerade kein Propaganda-Instrument. Denn
jemand, der so etwas initiiert – das geschah früh, schon 1933 –, verfolgt
ein grundlegenderes Ziel, wenn er den Boden mit seinem Emblem versiegelt,
um der „Heimaterde“ ein – in der Sklaverei übliches – besitzergreifend…
Brandmal aufzudrücken. So einer will die Erdoberfläche mit einem Stempel
versehen, sie für andere Rituale, Glaubensformen, Ideen unbrauchbar machen,
gegen Demokratie und Toleranz „bannen“ bis in die Ewigkeit.
Letzteres hätte fast funktioniert. Lange lag dieses Symbol des
„Tausendjährigen Reiches“ unentdeckt in der Erde. Jetzt war es zu uns
hochgetaucht wie ein Maulwurf, der uns provozierend ansah und rief, dass
der Faschismus noch längst nicht passé sei. Die Existenz von NSU, Neue
Rechte und AfD beweist: Dieser Fund korreliert durchaus mit dem Zustand
unserer Gesellschaft.
Wobei streng genommen schon das Zeigen des Beton-Hakenkreuzes auf aktuellen
Fotos illegal war, denn das öffentliche Präsentieren von Nazi-Symbolen ist
hierzulande verboten. Aber ein paar Tage mussten die Verantwortlichen schon
Zeit haben, um zu überlegen, was sie mit dem Betonkoloss tun wollen. Wie
sollte man verfahren mit diesem – bundesweit bislang einzigen –
Hakenkreuz-Fundament? Abtragen und in ein Museum bringen?
Schwierig. Erstens liegen dort schon viele Hakenkreuze; das Argument der
Geschichtsvergessenheit trug also nicht. Zweitens hatte man schon die
NS-Adler des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes nicht für museumswürdig
befunden. Zudem wäre es zynisch gewesen, dieses faschistische Symbol fürs
Museum sorgsam abzutragen und dann in mühevoller Kleinarbeit wieder in den
Orginalzustand zu versetzen, als erschüfe man es noch einmal.
Und auch wenn man das Hakenkreuz in ein Museumsdepot verbannt und nur
gelegentlich gezeigt hätte: Wo hätte der Erkenntniswert gelegen? Die
Gigantomanie von NS-Bauten und -Skulpturen ist hinlänglich bekannt. Da wäre
es fast einer Huldigung gleichgekommen, das Riesenkreuz zum – sicher
publikumsträchtigen – Helden einer Ausstellung zu machen. Denn genau so war
es ja gedacht: als Emblem deutschen Heldenkults – für den auch das einst
darauf platzierte Denkmal mit dem nackten Krieger stand. Noch dazu aus
Beton – haltbar, unzerstörbar, unerbittlich wie Rassismus und Angriffskrieg
des NS-Regimes.
Hätte man das Hakenkreuz also einbetonieren, mit seinem eigenen Material
schlagen, es im Wortsinn nivellieren sollen? Oder wieder einbuddeln, wie es
Archäologen immer mal tun, wenn sie weder Zeit noch Platz für Erforschung
und Aufbewahrung haben?
Eher nicht. Denn der Billstedter Fundort war ja nun bekannt und hätte,
solange das Kreuz dalag, jederzeit Wallfahrtsort für Rechte oder
anderweitig Sensationslüsterne werden können. Natürlich hätte man eine
historisch-kritische Schrifttafel daneben anbringen oder eine künstlerische
Intervention anregen können. Aber beides hätten Rechte vermutlich
regelmäßig beschmiert oder zerstört. Und der Senat wäre in die bizarre Lage
geraten, das Hakenkreuz-Areal zu hegen und vor Verwüstung zu schützen.
Nein, all dies war definitiv keine Option. Die Historiker haben das
Hakenkreuz zügig fotografiert und werden den Rest im stillen Kämmerlein
erforschen. Und in Billstedt hat der Presslufthammer gesprochen. Wie
formulierte es doch Wolfgang Borchert so treffend: „Sag Nein!“
24 Nov 2017
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Hakenkreuz
NS-Architektur
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Hamburg
NS-Gedenken
FC St. Pauli
Rechtsextremismus
Gerhard Richter
NS-Ideologie
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bremer KZ-Baracke ausgegraben: Unter der Grasnarbe
Studierende der Uni haben die Grundmauer einer Baracke des KZ-Außenlagers
Schützenhof freigelegt. Noch ist unklar, wie es mit der Grabungsstelle
weitergeht.
Rebellenclub von früher bis heute: Eine Geschichte ohne Helden
Mit einer Ausstellung setzt sich der FC St. Pauli mit der eigenen
Vergangenheit auseinander – und räumt auf mit dem Klischee vom Antifa- und
Arbeiterverein
Aussteigerin über rechte Szene: „An der Wand hingen Salzteig-Runen“
Heidi Benneckenstein wuchs in einer Nazifamilie auf, besuchte
Neonazi-Zeltlager, verprügelte einen Fotografen. Dann stieg sie aus.
Bilder zur Unzeigbarkeit der Shoah: Zwischen Glanz und Rauch
Künftig wird Gerhard Richters „Birkenau“-Zyklus im Reichstag zu sehen sein.
Er versucht zu zeigen, was nicht zu vermitteln ist: die Barbarei der Shoah.
Streit um die „Hitler-Glocke“: Der Führer in c-Moll
Eine Kirchenglocke mit Hakenkreuz und Hitlerwidmung läutet in Herxheim in
der Pfalz. Ein Problem? Aber nicht doch!
Waffenfund in Hamburg: Der stille Tod eines Neonazis
In seiner Wohnung hortete der verstorbene Lutz H. Waffen, Munition und
Nazi-Propaganda. Die Polizei zeigte kein Interesse an dem Material.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.