# taz.de -- Bremer KZ-Baracke ausgegraben: Unter der Grasnarbe | |
> Studierende der Uni haben die Grundmauer einer Baracke des KZ-Außenlagers | |
> Schützenhof freigelegt. Noch ist unklar, wie es mit der Grabungsstelle | |
> weitergeht. | |
Bild: Fundstück am Schützenhof: Ein Stückchen Stacheldraht | |
BREMEN taz | Eine alte Niveadose, eine Flasche Steinhäger und ein Stück | |
Stacheldraht – das haben die Studierenden der Uni Bremen um | |
Landesarchäologin Uta Halle am Schützenhof in Gröpelingen ausgegraben, als | |
sie die Grundmauern einer Baracke des ehemaligen KZ-Außenlagers Schützenhof | |
freilegten. „Gleich unter der Grasnarbe“, sagt Halle. | |
Genau hier zwischen dem Bahndamm und der Bromberger Straße auf dem Gelände | |
der Schützengilde befand sich von Weihnachten 1944 bis April 1945 ein | |
Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme. Die Inhaftierten, etwa die | |
Hälfte waren aus Ungarn deportierte Juden, leisteten Zwangsarbeit im | |
U-Boot-Bau, in der Munitionsherstellung unter anderem bei der AG Weser und | |
wurden zu Aufräum- und Bergungsarbeiten nach Bombenangriffen gezwungen. Sie | |
waren zunächst im Lager Blumenthal inhaftiert und wurden täglich per Schiff | |
weseraufwärts zur Zwangsarbeit transportiert, bis sie schließlich im | |
Außenlager Schützenhof untergebracht wurden. | |
Zuvor befand sich hier unter anderem die Sammelstelle für Bremer Sinti und | |
Roma vor ihrer Deportation. Die Sterblichkeit im Lager Schützenhof war | |
hoch, mehr als 250 der 600 bis 700 Häftlinge überlebten die mangelhafte | |
Ernährung und die schwere Arbeit nicht. | |
Die Fundstücke stammen aus ganz unterschiedlichen Zeiträumen: Während der | |
Stacheldraht ein Teil des Zaunes um das KZ-Außenlager war, konnten die | |
Studierenden die Nivea-Dose auf die Zeit zwischen 1949 und 1959 datieren – | |
in den Baracken der Inhaftierten waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs | |
Ausgebombte und Geflüchtete untergebracht. Die Steinhägerflasche wiederum | |
könnte ebenfalls aus dieser Zeit stammen oder sogar noch älter sein. Denn | |
dort, wo die Studierenden nun graben, stand vermutlich der alte | |
Schützenhof, der 1943 von einem Bombentreffer zerstört wurde. Auf Reste der | |
Grundmauern stießen sie beim Graben ebenfalls. | |
Die Lehrgrabung ist Teil des Moduls Erinnerungskultur im Studiengang | |
Geschichte an der Uni Bremen. Das Interesse der Studierenden an der | |
Lehrgrabung war hoch: „Die Anmeldezahl von 41 TeilnehmerInnen hat mich | |
überrascht und mit 41 Leuten kann man hier aber nicht graben“, sagt Halle, | |
die die TeilnehmerInnen in zwei Gruppen aufgeteilt hat, die sich nun beim | |
Graben abwechseln. | |
Die Studierenden graben, sieben den Sand und sichern die Funde. Eine | |
weitere Studierendengruppe aus dem selben Modul kümmert sich um die | |
Zeitzeugenarbeit. Dabei werden sie von Raimund Gaebelein von der | |
Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus – Bund der | |
Antifaschistinnen und Antifaschisten unterstützt, der sich seit Langem mit | |
der Geschichte des KZ-Außenlagers Schützenhof befasst. | |
„Das Essen im Lager wurde nur unter Schlägen und Tritten ausgeteilt“, sagt | |
Gaebelein. Bewacht wurde das Lager von verwundeten und ausgedienten | |
Marinesoldaten, die von der SS beaufsichtigt wurden. Die Strukturen im | |
Lager wiederum bestimmten belgische, sogenannte politische Häftlinge, die | |
die jüdischen Häftlinge quälten, sagt Gaebelein. Im März 1945 befanden sich | |
noch 582 männliche Häftlinge in dem Lager. Sie wurden Anfang April zunächst | |
nach Farge überstellt und anschließend – zu Fuß und per Bahn – ins | |
Stammlager nach Neuengamme und nach Bergen-Belsen gebracht. | |
Wie es mit der Grabungsstelle in Gröpelingen weitergeht, ist derzeit noch | |
unklar. Ursprünglich geplant war, dass die Studierenden nach der Sicherung | |
der Funde die Grabungsstelle wieder schließen sollen. Inzwischen gibt es | |
aber auch Ideen dazu, die freigelegten Grundmauern offen zu lassen: „Das | |
Gelände gehört der Schützengilde“, sagt Uta Halle. Wenn die freigelegten | |
Mauern sichtbar bleiben sollen, gebe es in Behörden, im Stadtteil und im | |
Beirat „eine Menge Leute, die dazu etwas sagen können“. In jedem Fall offen | |
bleibt die Grabung bis zum Tag des offenen Denkmals am 9. September. | |
14 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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