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# taz.de -- Was ist Wahrheit?: Die berechtigte Frage nach den Fakten
> Fake News sind zur Floskel geworden. Dabei wäre es ganz einfach, Tatsache
> von Meinung zu unterscheiden. Experten erklären, wie das geht.
Bild: Die Amtseinführung von Trump gegen die von Obama: Reicht ein einfacher B…
Das größte Publikum bei einer Amtseinführung eines US-amerikanischen
Präsidenten hatte [1][Donald Trump]. So sah es zumindest [2][Trumps
Präsidialamtssprecher Sean Spicer]. Luftaufnahmen der Zuschauer*innen auf
der National Mall in Washington, D.C. zeigen, dass wesentlich mehr Menschen
bei der Amtseinführung Barack Obamas 2009 anwesend waren als bei Donald
Trump.
Er habe auch die weltweit per Fernsehen und Internet zugeschalteten
Zuschauer*innen mitgezählt, sagte Spicer später bei einer Pressekonferenz
im Weißen Haus: „Es ist unsere Absicht, Sie niemals anzulügen. Ich glaube,
wir können bei den Fakten manchmal unterschiedlicher Meinung sein.“
„Alternative Fakten“, wie Trumps Beraterin Kellyanne Conway die Darstellung
Spicers bezeichnete, gab es schon vor dem neuen US-Präsidenten. Sie sind
durch Trumps Präsidentschaft stärker in den Vordergrund gerückt. Viele
seiner Aussagen kleidet er in einen Superlativ. Er misstraut den Medien und
verlässt sich lieber auf Twitter. Komplexe, aber inzwischen weitgehend
akzeptierte Fakten wie den [3][menschengemachten Klimawandel] stellt er in
Frage.
Aber was ist das überhaupt, ein Fakt? „In der DDR gab es die Redewendung
‚Das ist Fakt‘, was nichts anderes bedeutete als ,Das ist eine Tatsache'.
Tatsachen sind dasjenige in der Welt, was unseren wahren Aussagen
entspricht“, sagt Geert Keil, Professor für philosophische Anthropologie an
der Berliner Humboldt-Universität. In einfachen Fällen kann eine wahre
Tatsache gefunden werden, indem man sich auf die Wahrnehmungen seiner fünf
Sinne verlässt, so Keil. „Die Menge der alltäglichen Tatsachen, über die
Menschen sich einig sind, übersteigt die Menge der umstrittenen um ein
Vielfaches.“
Fakten und Meinungen vermischen sich in der politischen Debatte zunehmend.
Das zeigt gerade Trump, der oft anderer Meinung ist und Nachrichten auch
mal als Fake News bezeichnet. „Im Alltag wird der Ausdruck ‚Wahrnehmung‘
auch im weiteren Sinn verwendet, der persönliche oder politische
Einschätzungen einschließt“, sagt Keil. Während eine Person zum Inhalt
ihrer Wahrnehmungen in der Regel einen direkteren Zugang habe als andere,
gelte das für die Wahrheit ihrer Einschätzungen nicht. Im Gegensatz zu
reinen Sinneswahrnehmungen sind diese Beurteilungen also nicht einfach
wahr, weil es sie gibt.
Bei der Frage, ob bei Trumps Amtseinführung mehr Menschen anwesend waren
als bei Obama, müsste es eine einfache Antwort geben. Dennoch zeigt die
anschließende Debatte, dass sich vermeintlich einfach nachzuweisende
Tatsachen verschieden deuten lassen.
„Sprachliche Aussagen fixieren die Wirklichkeit nicht so eindeutig, dass
keine Uminterpretation des Gemeinten möglich wäre“, sagt Keil. Sean Spicer
konnte seine Behauptung anpassen, nachdem sie durch die Luftaufnahmen
widerlegt war.
Nicht nur im politischen Diskurs wird vielfach umgedeutet. Im Internet
treffen ganz verschiedene persönliche und politische Einschätzungen
aufeinander. Inhalte werden vielfach wiedergegeben, Fake News und
„alternative Fakten“ potenzieren sich dadurch. Insbesondere in den sozialen
Netzwerken wird geklickt, kommentiert und geteilt, um die eigenen Ansichten
zu verbreiten. „Jeder hat seine eigene Wahrheit und wirft anderen vor,
etwas Falsches zu sagen“, sagt Andre Wolf, der sich für den Verein
[4][Mimikama] mit Internetbetrug, Falschmeldungen und Computersicherheit
beschäftigt.
## Kritische Haltung
In vielen Fällen, die an Mimikama herangetragen werden, geht es darum, Fakt
von Meinung zu trennen. Mithilfe verschiedener Suchmaschinen sucht der
Verein Texte, die auf den gleichen Sachverhalt eingehen, und versucht die
unverfälschte Information zu finden. „Wir suchen nach den gemeinsamen
Aussagen. Wo decken sich auch konträre Artikel?“ Damit kommen sie der
Wahrheit am nächsten, so Wolf.
Über Falschdarstellungen hinaus sieht er auch die „Überschriftenscheißerei…
mancher Medien als Problem. „Das sind Überschriften, die sind
dahingeschissen. Du klickst den Artikel an und da steht nicht viel drin“,
sagt Wolf. Dadurch werde das Thema selbst oftmals auch verfälscht, weil
viele Menschen gar nicht mehr den Artikel lesen. „Es wird eine Stimmung
erzeugt, die manipulativ wirkt.“ Wolf nennt in dem Zusammenhang ein Medium,
das früher mit „Fakten, Fakten, Fakten“ warb. Unter Artikeln mit solchen
Überschriften fänden die meisten Interaktionen statt.
Die Arbeit von Mimikama kann das eigene Denken dennoch nicht ersetzen. In
Zukunft werden Nutzer*innen verstärkt selbst die Inhalte prüfen müssen,
denn mit dem Internet gibt es ein völlig verändertes Sender-Empfänger-Bild.
Gab es früher nur eine Handvoll Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender,
ist die Zahl an Internetseiten schier unendlich. „Es gibt eine Vielzahl von
Informationsquellen, die frei zugänglich sind. Wir stehen jetzt an der
Stelle, wo wir selbst lernen müssen, wie wir diese Informationen zu
bewerten haben“, sagt Wolf.
Egal ob Nachrichten, Kommentare, Reportagen, Fake News oder alternative
Fakten – es gilt, sich kritisch mit dem Gelesenen und Gesehenen
auseinanderzusetzen. Schon allein, weil Menschen nicht unfehlbar sind.
„Nicht alle falschen Tatsachenbehauptungen sind Lügen. Manche sind schlicht
Irrtümer, von denen wiederum manche leicht vermeidbar sein mögen, andere
nur schwer“, sagt Keil. Umso wichtiger ist es, aufmerksam zu sein und
zuerst die Fakten zu überprüfen, bevor man sich empört, Inhalte teilt und
die eigene Meinung sich verfestigt.
Vielleicht ist Sean Spicer nur ein Fehler unterlaufen, den er nicht zugeben
wollte. Vielleicht wollte er mit Absicht täuschen. Oder er meinte mit
seiner Aussage tatsächlich auch alle Zuschauer*innen, die in den Medien die
Amtseinführung mitverfolgt haben. Das ist reine Spekulation. Fakt ist aber:
2009 waren mehr Menschen auf der Washington Mall, um zu sehen, wie Barack
Obama Präsident wird, als 2017 bei Donald Trump.
27 May 2017
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## AUTOREN
Belinda Grasnick
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Benno Ohnesorg
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