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# taz.de -- Donald Trumps Erfolg beim Volk: Triumph der Lüge
> Der US-Präsident erzählt ständig Unwahres. Die Unterstützung für ihn
> wächst trotzdem. Seine Lügen sind also keine Fehler, sondern Strategie?
Bild: Tausende Trump-Anhänger warten am Samstag auf dem Flughafen von Orlando-…
Ein Lacher war das schon, als US-Präsident Donald Trump am Samstag bei
seiner Rede vor Unterstützer_innen in Florida auf Terror in Europa verwies,
um seine Ablehnung der Aufnahme weiterer Flüchtlinge in die USA zu
begründen. „Schauen Sie, was gestern Abend in Schweden passiert ist.
Schweden, kaum zu glauben!“
In Schweden war nun aber am Vorabend rein gar nichts passiert – wohl aber
auf Trumps konservativem Lieblingssender Fox News. Der hatte einen – laut
Nachrecherche der Zeitung Aftonbladet überwiegend falschen – Bericht über
Kriminalität durch Flüchtlinge in dem skandinavischen Land gesendet.
[1][Schwedens ehemaliger Ministerpräsident twitterte prompt: „Schweden?
Terroranschlag? Was hat er geraucht?“]
Die Schweden-Lüge wie so viele andere zuvor, das Chaos im Weißen Haus,
erste Abgänge der Regierungsmannschaft, Ärger mit den Gerichten und die
kritischen Medien im Nacken – in den Augen von Trumps Gegner_innen sind
das alles untrügliche Zeichen, dass es dieser Präsident wohl nicht lange
machen wird.
Ich fürchte, dass es genau andersherum ist. Trump triumphiert bei seinen
Unterstützern, die zugleich den Kritikern des Präsidenten immer weniger
Glauben schenken.
Denn der US-Präsident schafft es erfolgreich, seinen Konflikt mit der
Wahrheit als einen Konflikt mit den Traditionsmedien zu charakterisieren.
Die werden von ihm, wie von allen Populisten von links bis rechts, als Teil
des bösen Establishments beschrieben – also willfährige Instrumente eines
dem „wahren Volkswillen“ entgegenstehenden Machtsystems. Ein perfekter
Feind.
## „Ja, genau deshalb hab ich ihn gewählt!“
Trumps Medienschelte ist Kalkül. Am Tag nach seiner Amtseinführung, bei
einem Antrittsbesuch beim Geheimdienst CIA, sagte Trump, er befinde sich in
einem „laufenden Krieg“ mit den Medien. Eine Woche später stufte sein
Chefstratege Steve Bannon die Medien als „Oppositionspartei“ ein.
Trumps Pressekonferenz am Donnerstag hatte nach seinen eigenen Worten vor
allem den Zweck, „direkt zum amerikanischen Volk zu sprechen“, denn „viele
der Reporter unseres Landes werden Ihnen nicht die Wahrheit sagen und
werden die wunderbaren Menschen unseres Landes nicht mit dem Respekt
behandeln, den sie verdienen.“
Auf Twitter teilte er am nächsten Tag mit: [2][„Die Fake-News-Medien (die
versagende @nytimes, @NBCNews, @ABC, @CBS, @CNN) sind nicht mein Feind,
sie sind der Feind des amerikanischen Volkes!“]
Die Reporter reagieren journalistisch: Man unterzieht alle Trump-Äußerungen
einem peniblen Faktencheck und stellt fest, wie viel Unwahrheit selbst in
wenigen Zeilen stecken kann. Beides aber spielt für Trump oder seine
Anhänger_innen überhaupt keine Rolle.
Im Gegenteil: Jedes Mal, wenn wieder ein langjähriger
Washington-Korrespondent in die Kamera stöhnt, so etwas habe er in 30
Jahren Berufserfahrung nicht erlebt, denkt sich der Trump-Unterstützer: Ja,
genau deshalb hab ich ihn gewählt!
Laut einer Gallup-Umfrage vom September vergangenen Jahres vertrauten nur
14 Prozent der republikanischen und 32 Prozent aller Wähler_innen den
traditionellen Massenmedien. Der Trend ist nicht neu: Seit gut 20 Jahren
stellt Gallup einen langsamen, aber stetigen Vertrauensverlust fest. Trump
hat diesen Trend nicht geschaffen, aber er nutzt ihn.
## Trump hat nichts gegen negative Berichte
Die Entwicklung begann mit der Ausbreitung konservativer Radio-Talker ab
Mitte der 1980er Jahre und fand mit ultrarechten Medienplattformen im
Internet ihren bisherigen Höhepunkt. „Wir zeigen, was Ihnen die
Mainstreammedien bewusst verschweigen!“ ist das Markencredo all dieser
Publikationen – und Donald Trumps.
Sean Hannity von Fox News ist ihm dabei ein wichtiger Verbündeter. Während
fast alle andere US-Medien nach Trumps Pressekonferenz vom vergangenen
Donnerstag perplex und verärgert reagierten – selbst Hannitys Fox-Kollege
Shephard Smith meinte, es sei „verrückt“, sich jeden Tag diese ganzen Lüg…
anzuhören –, feierte Hannity Trump, denn der habe es der linken Propaganda
endlich gezeigt.
Und im Unterschied zu den meisten TV-Sendern konzentrierte sich Hannity auf
die menschlichen Passagen eines durchaus präsidialen Präsidenten: Gute
Reporter, sagte Trump, seien „mir sehr wichtig, und gerade in dieser
Position. Ich habe nichts gegen negative Berichte. Ich kann besser als
irgendwer anders mit einem negativen Bericht umgehen, solange er stimmt. Im
Laufe der Zeit werde ich Fehler machen und Sie werden negativ darüber
berichten, und damit bin ich einverstanden. Aber nicht, wenn es Fake ist.“
Und an anderer Stelle: Die Öffentlichkeit „weiß nicht, was stimmt und was
nicht, denn sie sind nicht dabei. Ich bin dabei. […] Und so weiß ich, wann
Sie die Wahrheit sagen und wann nicht. Und ich sehe viele, viele unwahre
Dinge. Und ich bemerke noch etwas: Tonfall. Der Ton ist so hasserfüllt. Ich
bin wirklich kein schlechter Mensch, übrigens.“
## Der Unterschied zwischen „ernst“ und „wörtlich nehmen“
So baut Trump aus der Rolle des Opfers den Angriff auf – genau jene
Doppelrolle, in der ihn seine Anhänger sehen wollen: als Kämpfer, als
Einzigen, der die Wahrheit sagt. Dass so einer von den Verfechtern des
Status quo bekämpft wird, ist in diesem Weltbild eingepreist, es bestätigt
nur, dass er genau das Richtige tut.
Ob dabei alles im Einzelnen stimmt, was Trump sagt, spielt nicht die
geringste Rolle. Die auf Populismus spezialisierte Reporterin Salena Zito –
eine der wenigen, die Trumps Wahlsieg vorhersagte – schrieb im vergangenen
Jahr: „Die Presse nimmt ihn wörtlich, aber nicht ernst. Seine Unterstützer
nehmen ihn ernst, aber nicht wörtlich.“ Sie sollte recht behalten, aber was
das für die Berichterstattung über Trump bedeutet, ist bis heute nicht
eindeutig.
Als Fox-News-Veteran Bill O’Reilly Trump fragte, wie er eigentlich die
Kritik fände, dass er ständig irgendetwas behaupte, auf dessen
Wahrheitsgehalt nichts hindeute, etwa dass Millionen „Illegaler“ für
Hillary Clinton gestimmt hätten, sagte er nur: „Viele Leute haben gesagt,
dass ich recht habe.“ Das klingt – und ist – zwar eine logische Redundanz:
Wenn viele glauben, dass zwei mal zwei fünf ist, stimmt das ja trotzdem
nicht.
Aber darauf kommt es nicht an. Der konservative Kolumnist Bret Stephens
sagte kürzlich: „Der Präsident beantwortet den durch Fakten aufgeworfenen
Widerspruch nicht dadurch, dass er die Fakten bestreitet. Er bestreitet
vielmehr, dass Fakten bei der Bewertung der Frage überhaupt eine Rolle
spielen sollten.“
## Was ist schon Wahrheit?
Oder, wie Trump Anfang Februar verbreitete, als seine Umfragewerte in den
Keller sanken: „Alle negativen Umfragen sind Fake News.“ Trump schafft
durch Chuzpe und Beharrlichkeit ein Diskurssystem, bei dem er nur gewinnen
und kritischer Journalismus nur verlieren kann. Das Denk- und
Handlungsmuster funktioniert ähnlich wie bei Scientology: Nicht kritische
Argumente werden angegangen, sondern die Kritiker selbst werden
verunglimpft, beschimpft und verleumdet.
Aber zeugen nicht die steigenden Umsätze von New York Times und Washington
Post von erfolgreicher Gegenwehr? Machen sie nicht Hoffnung, dass eine
Mehrheit der US-Bevölkerung mit Lügen und parallelen Weltsichten doch nicht
so einfach zu bekommen ist?
Das wäre zu schön. Tatsächlich ist Pessimismus angebracht. Die USA sind ein
Land, in dem fast die Hälfte der Bevölkerung den Kreationismus der
Evolutionstheorie vorzieht und etwa ebenso viele nicht an die menschliche
Verantwortung für den Klimawandel glauben. Das bedeutet für einen wie Trump
ein Heimspiel. Er muss nur genau machen, was er am besten kann: direkt
kommunizieren und dabei authentisch wirken.
Mag das aufgeklärte Amerika noch so schäumen ob seiner Lügen: Seine
Unterstützer_innen fühlen sich mitgenommen auf seine Reise ins Weiße Haus,
in seinen Kampf gegen die Feinde. Wahrheit? Was ist schon Wahrheit.
20 Feb 2017
## LINKS
[1] https://twitter.com/carlbildt/status/833219648044855296
[2] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/832708293516632065
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
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Schweden
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