# taz.de -- „April April“ in der Zeitung: Fälschung bedroht Fälschung | |
> Aprilscherze waren für Zeitungsmacher*innen eine Waffe der Aufklärung – | |
> bis die „Fake News“ in die Welt kamen. | |
Bild: Fake News killed the Aprilscherz. Witze machen wird immer schwerer | |
Was waren das für wunderschöne Späße! | |
Damals, als wir auf Seite 3 schrieben, dass der Rhein mittels riesiger | |
Wehrstufen aufgestaut werden sollte. Den Vogel allerdings schoss die | |
Süddeutsche Zeitung 1995 ab, als sie unter dem Titel „Riesensauerei von | |
Patting“ von genmanipulierten Turboschweinen zu berichten wusste, denen | |
einige Koteletts hinzugezüchtet worden waren. Diverse Fernsehsender setzten | |
darob Kamerateams in Richtung Deggendorf in Marsch, um dem vermeintlichen | |
Skandal auf den Grund zu gehen. | |
Nur: Es gab keine Affäre. Egal ob Rhein-Staustufen, Turboschweine oder | |
Nackt-Happenings in der West-Berliner U-Bahnlinie 8 unter der DDR – das war | |
ja alles nur erfunden. Jahr für Jahr wetteiferten die Gazetten um die hohe | |
Kunst des Aprilscherzes. | |
Der gilt bekanntlich dann als gelungen, wenn die Lesenden eine rundweg | |
gelogene Geschichte schlucken, obwohl diese zwar absolut unglaubwürdig | |
klingt, aber doch so sehr in den Zeitgeist passt, dass sie selbst | |
aufgeklärten Zeitgenossen glaubhaft erscheint. | |
Aprilscherze in der Zeitung waren Witze als Waffe. Satire pur. Durch | |
Überzeichnung konnten sie im günstigsten Fall besser über gesellschaftliche | |
Missstände aufklären als so manche bierernste Artikelserie. | |
Selbstverständlich zählte dazu am nächsten Tag die Aufklärung der | |
Leser*innen darüber. Heutzutage gibt es kaum mehr Aprilscherze in den | |
Zeitungen. | |
Die Süddeutsche hat sie ganz auf den Index gesetzt, und auch die taz | |
erlaubt sich diese Art Gegenöffentlichkeit höchst selten, auch wenn darüber | |
kein redaktioneller Beschluss existiert. Der Grund ist die Ausbreitung | |
gefälschter Nachrichten. | |
[1][Fake News] dienen nicht der Aufklärung, im Gegenteil. Sie wollen eine | |
neue Realität erschaffen, ihr Ziel ist es, Menschen durch eine ge- oder | |
verfälschte Berichterstattung so zu manipulieren, dass sie an eine fiktive | |
Realität glauben. | |
Im extremsten Fall wird der Konsum so gesteuert, dass Leser*innen nur noch | |
der Fälschung glauben, die Realität aber als gelogen ablehnen. Fake News | |
können Verschwörungstheorien populärer machen als die banale Realität. | |
Zugleich zerstören sie den Glauben an das gedruckte Wort, vermitteln sie | |
doch den Eindruck, als gäbe es – um eine Beraterin von US-Präsident Trump | |
zu zitieren – „[2][alternative Fakten]“. | |
## Fake News sind ein alter Hut | |
So werden seriöse Medien zur „Lügenpresse“ umgedichtet, während die Lüge | |
selbst triumphiert. Und deshalb haben es Aprilscherze heutzutage so schwer, | |
sieht man ihnen doch nicht immer gleich an, ob sie die Fiktion im Sinne der | |
Aufklärung verbreiten ober ob sie die Lüge als Waffe der Gegenaufklärung | |
populär machen wollen. | |
Dabei sind Fake News ein alter Hut. Schon kurz nach der Mondlandung im Jahr | |
1969 geisterten Informationen durch die Welt, nach denen Neil Armstrong und | |
Kollegen in Wahrheit durch ein Hollywood-Studio mit Mondgestein aus Pappe | |
geschwebt wären. Im Unterschied zu heutigen Zeiten blieb der Glaube an | |
solchen Schwachsinn freilich auf eine kleine Gemeinde eingefleischter | |
[3][Verschwörungs-Fans] beschränkt. | |
Der Grund: Die virale Verbreitung gefälscher Informationen durch das | |
Internet war noch nicht erfunden. Und: Abgesehen von Geheimdiensten, deren | |
Aufgabe schon immer die Verbreitung von Lügen als Mittel zur Manipulation | |
des politischen Gegners war, waren all diejenigen, die heute mit Fake News | |
nicht nur Menschen beeinflussen, sondern damit auch noch viel Geld | |
verdienen können, noch nicht auf diesen Gedanken verfallen. Es ist nicht | |
so, als seien Zeitungen und Nachrichtenportale vor allen Fake News gefeit. | |
Auch die taz hat einst die Mär von der in US-Militärlaboren erfundenen | |
HIV-Infektion verbreitet, bei der es sich in Wahrheit um eine | |
Desinformationskampagne des sowjetischen Geheimdienstes handelte. Dagegen | |
hilft nur die Überprüfung und nochmalige Überprüfung von | |
Informationsquellen. Die Nachricht kann noch so logisch und glaubwürdig | |
klingen – im Zweifelsfall wird sie entweder nicht verbreitet, oder ihre | |
Glaubwürdigkeit wird anhand weiterer Quellen infrage gestellt. | |
## Blödsinn gehört zur taz | |
Ja, das kann manchmal ganz schön langweilig sein. Es ist sogar denkbar, | |
dass uns so bisweilen Informationen entgehen, die gar nicht gefälscht | |
waren, an deren Authentizität wir aber trotzdem so stark gezweifelt haben, | |
dass wir uns gegen eine Veröffentlichung entschieden haben. | |
Wollten wir freilich alles Missverständliche aus der taz vertreiben, käme | |
da ein ziemlich ödes Blatt heraus. Die Kunst des Überzeichnens, der Satire | |
und des höheren Blödsinns gehört nun einmal auch zur taz. | |
Wer jede Schlagzeile auf der ersten Seite im Maßstab eins zu eins für bare | |
Münze hält, wer in „verboten“ eine seriöse Nachrichtenquelle vermutet od… | |
die „Wahrheit“ als solche betrachtet, der hat nicht verstanden, dass die | |
Vermittlung von Realität eine sehr dehnbare Angelegenheit sein kann. Darauf | |
aufmerksam zu machen zählt zu den Tugenden dieser Zeitung – ganz ohne Fake | |
News. | |
29 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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