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# taz.de -- Bundes-SPD nach der NRW-Wahl: Schulz gets the Blues
> Für die Bundes-SPD ist das Abschneiden in Nordrheinwestfalen eine
> Katastrophe. Kann Martin Schulz schon jetzt einpacken?
Bild: Der Kanzlerkandidat der SPD nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses in NRW
Berlin taz | Als Martin Schulz im Berliner Willy-Brandt-Haus vor eine
ZDF-Kamera tritt, sieht er derangiert aus. Tiefe Falten ziehen sich von den
Nasenflügeln zum Mund. Das sei eine Landtagswahl gewesen, sagt er, bei der
es um Themen im Land gegangen sei. „Aber der Vorsitzende ist immer in der
Gesamtverantwortung.“
Er habe eines gelernt: Die Menschen wollten, dass er nicht nur über
Gerechtigkeit rede, sondern konkret die Zukunftsorientierung beschreibe.
Fast trotzig fügt er hinzu: Die SPD sei eine kampferprobte Partei, bis zur
Bundestagswahl sei es ein langer Weg. „Ich bin ein erfahrener Wahlkämpfer.“
Die Wahl in Nordrhein-Westfalen geriet für Schulz zur Demütigung. Und es
ist offen, ob und wie er sich von diesem Schlag erholen wird. NRW, das ist
Schulz’ Heimatland. NRW, das gilt als Testlauf für den Bundestagswahlkampf.
Und NRW, das ist das Land, das die SPD bis heute als eine Art Gutshof
betrachtet, der ausschließlich in der roten Familie vererbt wird.
Und jetzt: Regierung weg, eine starke Ministerpräsidentin weg,
Schulz-Effekt weg. Schlimmer geht es kaum. Kann Schulz nun einpacken? Ist
seine Chance, Merkel das Amt abzujagen, perdu – untergegangen im
schlammigen Rhein?
„Wenn ich Bundeskanzler bin …“, so breitbeinig hatte er nach seiner
Nominierung im Januar die Sätze begonnen. Wenn Kraft in NRW gewinne, werde
er Bundeskanzler, tönte er noch im April. Die Sozis feierten diesen
demonstrativen Machtanspruch frenetisch. Nun wirken solche Sätze wie ein
irrer Witz. Die Niederlage im Saarland taten sie in der SPD noch als Sieg
einer beliebten Amtsinhaberin ab. Die Abwahl Torsten Albigs in
Schleswig-Holstein wurde zu einem regionalen Ereignis erklärt. NRW aber
lässt sich nicht mehr schönreden.
Allein wegen der schieren Größe des Landes – von rund 18 Millionen
Einwohnern sind 13,1 wahlberechtigt – liegt der Gedanke vom vorzeitigen
Ende aller SPD-Ambitionen im Bund nahe. Doch die prognostizierende
Wirkung des Votums wird überschätzt; während der Regentschaft Hannelore
Krafts gewann Angela Merkel stark im Bund. Und während Helmut Kohls
sechzehnjähriger Kanzlerschaft regierte in NRW ununterbrochen Johannes Rau.
Stimmungen, auch das zeigt die Wahl, drehen sich schnell – noch Mitte März
lag die NRW-SPD in Umfragen bei 40 Prozent.
Dennoch, und das ist nicht zu unterschätzen: Diese Wahl liefert die Folie
für den Bundestagswahlkampf, vor der ab jetzt interpretiert wird. Schulz
hielt bisher gefühlvolle Reden, doch mit ihm gewinnt die SPD keine Wahlen.
Schlimmer noch, gegen den allgemeinen Trend, dass Amtsinhaber Vorteile
genießen, wurden zwei Ministerpräsidenten abgewählt. Auch wenn die Ursachen
eher in den Ländern liegen als bei Martin Schulz, interessiert das in
Berlin ab jetzt keinen mehr. Die Niederlage in NRW ist auch mit dem
Kanzlerkandidaten und Vorsitzenden verknüpft.
Schulz muss nun retten, was zu retten ist. Wo sind die Fehler? Er
intonierte das Thema Gerechtigkeit, ein erleichtertes Aufatmen ging durch
die SPD und Teile der Gesellschaft. Schulz kündigte Korrekturen an der
Agenda 2010 an, etwa die Verlängerung der Arbeitslosengeldzahlung für
ältere Menschen. Dann Maßnahmen gegen befristete Jobs, für mehr
Kündigungsschutz und gegen die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen.
Das schien eine gelungene Balance. Ein paar Signale an gefrustete
Agenda-Hasser, ein paar Signale an junge Leute und Frauen, die sich von
einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Schulz’ Machtanspruch war
nachvollziehbar; wer das Kanzleramt nicht mit jeder Faser seines Herzens
will, kann gleich zu Hause bleiben.
Aber Schulz hat auch Patzer hingelegt. Taktisch wirkt er seltsam
unsortiert. Er versprach mehr Gerechtigkeit, machte aber laut dem Spiegel
nach der Saarland-Wahl intern klar, dass die Ampel seine Präferenz sei. Wie
passt ein Bündnis mit den Neoliberalen zu Gerechtigkeit?, fragte sich
danach mancher SPDler. Schulz ist umgeben von Leuten, die noch nie einen
Bundestagswahlkampf geplant haben. Sein Sprecher war bis vor Kurzem auf
Brüssel fokussiert. SPD-Generalsekretärin Katharina Barley wurde im
Dezember 2015 gewählt, Juliane Seifert macht seit 2016 den Job der
Bundesgeschäftsführerin.
Auch der Programmprozess der SPD wirkt chaotisch. Schulz hatte im April
sichtbar Probleme, Themen zu setzen. Weil ihn die NRW-Wahlkämpferin Kraft
um Zurückhaltung gebeten hatte, aber auch weil der Programmentwurf erst
noch beschlossen werden muss. Dies will der SPD-Vorstand ausgerechnet am
heutigen Montag nachholen. Das wichtige Ereignis wird im medialen
Nachwahlrauschen untergehen. Diese Fehlplanung wird in der SPD mit Fristen
vor dem Parteitag erklärt, mutet aber unglaublich unprofessionell an.
Dabei wäre es dringend nötig, dass Schulz sein Gerechtigkeitsportfolio
ergänzt. In NRW wiesen die Wähler der CDU für wahlentscheidende Themen die
höhere Kompetenz zu: für Kriminalitätsbekämpfung, Verkehrs- und
Bildungspolitik. Schulz pur, so wie bisher, reicht offensichtlich nicht.
15 May 2017
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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