# taz.de -- SPD-Landesparteitag in Duisburg: „Herzkammer? Alles Selbstbetrug!… | |
> Eine fehlt beim Parteitag der Genossen in Nordrhein-Westfalen: Hannelore | |
> Kraft. Keine Rede. Kein Dank. Die Partei sucht den Neuanfang. | |
Bild: Sozialdemokratischer Neuanfang in NRW: neu gewählte Generalsekretärin, … | |
Duisburg taz | Sie ist weg, einfach verschwunden: Hannelore Kraft, über | |
zehn Jahre die unangefochtene Führungsfigur der nordrhein-westfälischen | |
Sozialdemokraten, lässt sich beim Parteitag der NRW-SPD am Samstag in | |
Duisburg nicht blicken. | |
Vor vier Monaten hat sich die 55-Jährige, die bis zur voraussichtlichen | |
Regierungsbildung von CDU und FDP im Juli weiter als Ministerpräsidentin | |
amtiert, mit 100 Prozent zur Spitzenkandidatin wählen lassen. Vier Wochen | |
nach der katastrophal verlorenen NRW-Wahl, bei der ihre SPD mit 31,2 | |
Prozent das schlechteste Ergebnis seit Gründung des Bundeslandes 1947 | |
eingefahren hat, verzichtet nicht nur Kraft auf eine Abschiedsrede – in | |
Duisburg verliert niemand auch nur ein Wort des Dankes an die Frau, die | |
einst als potenzielle Kanzlerkandidatin gehandelt wurde. | |
Zuvor war Kraft auch im Internet abgetaucht: Ihre Konten bei Twitter und | |
Facebook sind gelöscht – einzig ihre persönliche Seite, auf der sie sich | |
zuallererst als Landtagsabgeordnete aus Mülheim an der Ruhr vorstellt, ist | |
noch erreichbar. Der erwartbar heftigen Diskussion um ihre Verantwortung | |
will sich die unmittelbar nach dem Wahldebakel als Landes- und | |
Vize-Bundesvorsitzende zurückgetretene Kraft nicht stellen. | |
Die Diplom-Ökonomin hat den mit über 111.000 Mitgliedern noch immer größten | |
SPD-Landesverband autoritär geführt. Durchgesetzt hat sie nicht nur einen | |
Wohlfühl-Wahlkampf, der gerade in der SPD-Hochburg Ruhrgebiet die sozialen | |
Härten von Strukturwandel und Deindustrialisierung ignorierte. | |
Seit Kraft den „Fehler“ eingeräumt hat, dafür gesorgt zu haben, | |
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mit seinem Mega-Thema soziale | |
Gerechtigkeit fernzuhalten, machen viele GenossInnen die | |
Noch-Regierungschefin persönlich für das Entgleisen des „Schulz-Zugs“ | |
verantwortlich – von über 30 Prozent im Februar sind die Sozialdemokraten | |
in jüngsten Umfragen bundesweit wieder auf miese 24 Prozent abgestürzt. | |
Die „stolze, gerupfte, angeschlagene, aber nicht niedergeschlagene SPD“ | |
aufrichten und für die Bundestagswahl am 24. September wieder fit machen | |
soll die Partei Krafts bisheriger Verkehrsminister Michael Groschek. Bei | |
seiner Bewerbungsrede als neuer Parteichef in NRW übt sich der | |
Oberhausener, den alle nur Mike nennen, deshalb in Selbstkritik. | |
Nur um „Entschuldigung“ bitten könne er die Basis, erklärt der 60-Jährig… | |
„Landesvorstand, Kabinett und Fraktion“ hätten „die Karre vor die Wand | |
gefahren“. Mit Selbsttäuschung und Schönreden müsse Schluss sein, fordert | |
Groschek: „Herzkammer? Stammland? Alles Selbstbetrug“ ruft er – und forde… | |
„einen Neuanfang, der sich gewaschen hat“. | |
Groschek nimmt damit Druck vom Kessel, er wird mit 86 Prozent zum | |
SPD-Landesvorsitzenden gewählt. „Mehr wär’ auch gelogen“, meint er dazu | |
selbst – und verbittet sich langen Applaus. Punkten will der Neue – wie | |
Bundeschef Martin Schulz – mit dem Thema „soziale Gerechtigkeit“, er | |
fordert „Leitplanken für Globalisierung und digitalen Kapitalismus“ ebenso | |
wie hartes Vorgehen gegen Steuerhinterziehung. | |
Die von Groschek angemahnte offen-kritische Diskussionskultur aber müssen | |
viele SozialdemokratInnen erst wieder lernen: Den Machtkampf um den Vorsitz | |
der Landtagsfraktion, den der 70-jährige langjährige Amtsinhaber und | |
Kraft-Vertraute Norbert Römer vorerst für sich entschieden hat, erwähnt nur | |
der Pulheimer Genosse Torsten Rekewitz. | |
Danach versucht Martin Schulz selbst, die Wahlniederlage vergessen zu | |
machen. Der Kanzlerkandidat beschwört das vereinte Europa, deutet ein Ende | |
der Merkel'schen Austerität an. Donnernden Applaus bekommt er für sein | |
Versprechen, sich „keiner Aufrüstungsspirale eines Donald Trump | |
unterwerfen“ zu wollen. Er verspricht eine „sozial geführte | |
Bundesregierung“ und versucht, seine GenossInnen zu motivieren: „Auf in den | |
Kampf“ – was bleibt ihm anderes übrig? | |
11 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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