# taz.de -- Parteitag in Hannover: Linkspartei will regieren, vielleicht | |
> Die Linkspartei hat ihr Programm für die Bundestagswahl verabschiedet. | |
> Heiklen Debatten gingen die GenossInnen aus dem Weg. | |
Bild: Hielt sich an die Absprachen: Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht | |
Hannover taz | Es hat sich etwas verändert bei der Linkspartei. Beim | |
Hannoveraner Parteitag hat das für die Sicherheit zuständige | |
Bundeskriminalamt den Abschnitt zwischen der ersten Reihe und der Bühne zur | |
No-go-Area erklärt – Konsequenz aus der Tortenattacke auf Sahra | |
Wagenknecht im vergangenen Jahr. | |
Die Spitzenkandidatin hatte die Bühne zum Abschluss des Bundesparteitages | |
am Sonntag für sich. Wagenknecht schwor ihre Genossen auf einen | |
eigenständigen Wahlkampf ein: „Für uns heißt die Frage nicht Regieren oder | |
Opponieren, sondern für uns steht die Frage: Verändern wir die Politik so, | |
dass wir die anderen vor uns hertreiben können?“ Wir gegen die anderen, das | |
klang vertraut. Allerdings sagte Wagenknecht auch: „Natürlich wollen wir | |
regieren, wenn wir die richtigen Partner dafür haben.“ | |
Damit folgte Wagenknecht zur Erleichterung der Wahlkampfstrategen im | |
Berliner Karl-Liebknecht-Haus den Parteivorsitzenden Katja Kipping und | |
Bernd Riexinger sowie Ko-Kandidat Dietmar Bartsch und hielt sich brav an | |
die Anfang Juni vereinbarten Kommunikationsstrategie: „Wir arbeiten uns | |
nicht an der SPD ab, unser politischer Gegner sitzt im Kanzleramt.“ | |
Die SPD-Rechte ging derweil auf Distanz zu Rot-Rot-Grün. Niedersachsens | |
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte in einem Interview vor einer | |
Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Man habe „so gar keine Freude | |
aneinander“. Und: „Ein harter Verteilungskampf ist mit der SPD nicht zu | |
machen.“ Parteichefin Katja Kipping konterte gelassen, dass es „ja nicht um | |
ein Date, sondern um eine Regierung geht“. | |
## 123 Seiten Antragsprosa | |
Zuvörderst geht es der Linkspartei aber darum, am 24. September erneut | |
drittstärkste Kraft im Bundestag zu werden – mit einem mit großer Mehrheit | |
verabschiedeten Wahlprogramm, welches auf die Brot-und-Butter-Themen der | |
Partei setzt: soziale Gerechtigkeit und Frieden. | |
Drei Tage lang brüteten dazu mehr als 500 Delegierten über 123 Seiten | |
Antragsprosa, dem Vorschlag des Parteivorstands für das | |
Bundestagswahlprogramm, sie hakten über 300 Änderungsanträge ab, wie jenen: | |
„Das Schreddern von Küken, die Anbindehaltung für Rinder und Kühe sowie die | |
Kastenstandhaltung für Zuchtsauen im Deck- und Abferkelbereich wollen wir | |
verbieten.“ | |
Und verhakten sich mitunter auch ineinander, etwa beim Thema Europa. Hier | |
traten die Differenzen zwischen EU-Kritikern und bekennenden Europäern am | |
Samstag zutage. Diese Positionen lauten: Die EU ist neoliberal und muss | |
abgeschafft werden, und: Die EU ist neoliberal, aber reformierbar. | |
Aus diesem Schlagabtausch hatten ostdeutsche Landesverbände und Reformer | |
einen Ausweg angeboten: die Linkspartei solle sich zu einer Republik Europa | |
bekennen, mit gleichen sozialen Standards und einer einheitlichen | |
Rechtsprechung. Doch die Partei konnte sich nicht aus ihren erstarrten | |
Positionen befreien, sondern verharrte bei einem konsequenten | |
Sowohl-als-auch. | |
Geschlossenheit vor der Bundestagswahl – diesem Ziel ordneten sich auch | |
andere Debatten unter oder fielen ganz weg. Kaum ein Wort verlor die Basis | |
zu den vergangenen drei Landtagswahlen, in denen die Partei ihre Wahlziele | |
verfehlt hatte. Stattdessen labten sie sich am Erfolg von Labour-Chef | |
Jeremy Corbyn, der auf dem Parteitag wie ein Maskottchen von Rede zu Rede | |
gereicht wurde. | |
Auch wenn die Linke für Überraschungen gut bleibt – Bundesschatzmeister | |
Thomas Nord war am Ende des Parteitags zufrieden. „Die Delegierten sehen | |
eine mögliche Regierungsbildung skeptisch, aber sie haben es geschafft, | |
sich alle Optionen offenzuhalten.“ | |
11 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Stefan Reinecke | |
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