# taz.de -- Dietmar Bartsch über die Linkspartei: „Differenzen kulturvoll au… | |
> Der Spitzenkandidat sieht sich nicht in Sahra Wagenknechts Schatten. Er | |
> glaubt, das Konflikte in der Partei nicht mehr so ideologisch aufgeladen | |
> sind. | |
Bild: Die SpitzenkandidatInnen auf dem Parteitag in Hannover | |
taz: Herr Bartsch, hat sich die Linkspartei in den letzten fünf | |
Jahrenverändert? | |
Dietmar Bartsch: Ja, zum positiven. Wir sind stabiler geworden. Wir | |
regieren erfolgreich in drei Bundesländern, in so vielen wie noch nie | |
zuvor. Wir haben erstmals seit langem einen Zuwachs an Mitgliedern, | |
darunter vielen jungen. | |
Ist der Reformflügel stärker als früher? | |
Die klassische Aufteilung in Reformer und Linke gilt so nicht mehr. Es gibt | |
Konflikte in der Sache, aber die werden nicht mehr so ideologisch | |
ausgetragen. Das ist auch ein Effekt des politischen Projekts | |
Bartsch-Wagenknecht. | |
Sahra Wagenknecht hat kürzlich Rot-Rot-Grün für tot erklärt. Gibt es noch | |
eine Koalitionsperspektive, wenn eine Spitzenkandidatin diese vier Monate | |
vor der Wahl beerdigt? | |
Sie hat das Projekt nicht beerdigt. Sahra Wagenknecht hat | |
daraufhingewiesen, dass man von der SPD in entscheidenden Politikfeldern | |
wie z.B. Steuern nichts hört. Das Rentenkonzept der SPD ist mutlos, das | |
Arbeitslosengeld Q allein zu wenig. Wir wollen in Deutschland nicht nur | |
einen neuen Lokführer, sondern den Zug auf ein anderes Gleis setzen. Ich | |
habe keine Lust mehr, dauernd die Sinuskurven in Sachen Mitte-Links zu | |
kommentieren. Vor drei Monaten war Rot-Rot-Grün fast ausgemacht Sache, | |
jetzt ist es tot. Nein – weder noch. | |
Also hat Wagenknecht die SPD nur freundlich zu einer sozialeren Politik | |
ermuntert? | |
Sie hat jedenfalls nicht gesagt, dass Rot-Rot-Grün tot ist. Wir machen | |
keinen Koalitionswahlkampf. Je stärker die Linke wird, desto sozialer wird | |
das Land und desto wahrscheinlicher wird ein Mitte-Links-Bündnis. | |
Sie stehen öffentlich im Schatten von Wagenknecht. Gefällt Ihnen diese | |
Rolle? | |
Wenn wir nebeneinander stehen, steht sie eher in meinem Schatten. Nein, das | |
ist Unsinn und soll nur Zwietracht säen. Ich freue mich über die | |
Popularität von Sahra Wagenknecht. Punkt. | |
Dass sie viel mehr in Talkshows eingeladen wird ist ok? | |
Das hat damit zu tun, dass andere Parteien nicht so redegewandte Frauen an | |
der Spitze haben. Es gibt da keinen Wettlauf zwischen uns. Mir geht es um | |
unseren politischen Erfolg. Und den gibt es – anders es uns in bedeutenden | |
Medien vor zwei Jahren prophezeit wurde. | |
Der öffentliche Eindruck ist: Wagenknecht gibt, etwa in der | |
Flüchtlingsdebatte, den Ton vor, die Reformer sind eher im | |
Hintergrund.Teilen Sie das? | |
Das ist Unfug. Sahra Wagenknecht hat vor zwei Jahren einmal davon | |
gesprochen, dass das Gastrecht nicht missbraucht werden darf. Einmal – und | |
sie hat dies nie wiederholt. Es wird trotzdem immer wieder zitiert. Die | |
Linksfraktion ist die einzige Fraktion im Bundestag, die der Verschärfung | |
des Asylrechts geschlossen nicht zugestimmt hat. Das sind die Fakten. | |
Teilen Sie nicht den Eindruck, dass Wagenknecht in der Flüchtlingskrise | |
Merkel von rechts angegriffen hat? | |
Nein. Sie hat die Kanzlerin für Fehler in der Flüchtlingspolitik | |
angegriffen. Wir hatten in einzelnen Punkten unterschiedliche Auffassungen. | |
Das ist kein Geheimnis und normal in Parteien. Was zählt ist, wie man im | |
Bundestag abstimmt. | |
Im Bundesrat haben die drei Landesregierungen, in denen die Linkspartei | |
mitregiert, der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen zugestimmt. Und auch | |
der Möglichkeit von privat-public-partnership beim Autobahnbau. War die | |
Zustimmung richtig? | |
Niemand in der Linkspartei, auch nicht in den Landesregierungen, | |
unterstützt die Privatisierung von Autobahnen. Doch Wolfgang Schäuble hat | |
Länderfinanzen und Autobahn verbunden und die Länder damit erpresst. Ich | |
habe dafür geworben, dass sich Berlin, Thüringen und Brandenburg enthalten. | |
Sie hatten ihre Gründe zuzustimmen, die ich nicht teile, aber respektiere. | |
Am Ergebnis geändert hätte das leider sowieso nichts. | |
Ist die Linkspartei kompromissfähiger als vor fünf Jahren? | |
Prinzipienfester, kompromissfähiger – ich kann mit solchen | |
Generaleinschätzungen nicht viel anfangen. Es geht immer um eine konkrete | |
Frage und darum auch harte Differenzen kulturvoll auszutragen. Das können | |
wir inzwischen besser. | |
10 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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