# taz.de -- Martin Schulz hat ein Buch geschrieben: Was ihm so wichtig ist | |
> Mit einer Buchpräsentation im Berliner Ensemble versucht der | |
> SPD-Kanzlerkandidat wieder Schwung für seinen Wahlkampf zu bekommen. | |
Bild: Wird Martin Schulz jetzt Bestsellerautor? | |
Berlin taz | Unbeweglich sitzt Bert Brecht in der Sonne. Das altehrwürdige | |
Theater am Schiffbauerdamm, vor dem das Denkmal des großen linken | |
Dramatikers aufgestellt ist, hat schon viele großartige Aufführungen | |
gesehen. Was hätte Brecht wohl vom Auftritt von Martin Schulz gehalten? | |
Hätte Schulz seine Buchpremiere nicht an diesem Sonntagvormittag, sondern | |
bereits Anfang des Jahres gegeben, wäre es bestimmt ein rauschendes Fest | |
geworden. Die Begeisterung über den scheinbar so unverbrauchten | |
SPD-Kanzlerkandidaten war damals grenzenlos. Hundertprozentig glaubten | |
seine Parteifreunde an ihn. Plötzlich schien alles möglich. Selbst ein | |
Kanzler Schulz. | |
Doch die kurzzeitige Euphorie, die Schulz im Frühjahr ausgelöst hat, | |
basierte auf einer Imagination. Seine Kanzlerkandidatur diente als | |
Projektionsfläche für die Sehnsucht auf einen grundlegenden Politikwechsel. | |
Ein großes Missverständnis. | |
Begeisterungsstürme löst Schulz schon lange nicht mehr aus. Auch nicht an | |
diesem Sonntagvormittag bei seiner gut besuchten Buchpräsentation. Aber | |
immerhin erntet er wohlwollenden Applaus. Den hat er sich durchaus | |
verdient: Sein selbst geschriebenes Buch – keine Selbstverständlichkeit für | |
einen Politiker – ist nett geschrieben und enthält viele unterstützenswerte | |
Gedanken. Es ist eine Art Extended Version seiner Wahlkampfreden, | |
angereichert um die eine oder andere persönliche Anekdote. Auch im Gespräch | |
mit der Moderatorin Amelie Fried erscheint Schulz als sympathischer Mensch. | |
Aber reicht das? | |
„Was mir wichtig ist“ hat Schulz sein 192 Seiten starkes Werk genannt – e… | |
tückischer Titel, denn er lädt zum Umkehrschluss ein: Was in diesem Buch | |
nicht steht, ist Schulz auch nicht wichtig. So fällt auf, dass er zwar | |
unzählige Male seine verhinderte Fußballkarriere thematisiert, aber die | |
Schuldenkrise Griechenlands und die fatale Austeritätspolitik von | |
CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble unerwähnt lässt. Dass gerade sie den | |
Zusammenhalt der Europäischen Union, sein vermeintliches „Lebens- und | |
Herzensthema“, massiv bedroht, ist Schulz kein Wort wert. | |
Ohnehin gehört das Europa-Kapitel zu den schwächeren des Buches. So bleibt | |
er in der Analyse der gegenwärtigen Krisensituation ebenso nebulös wie in | |
seinen Lösungsvorschlägen. „Ich bin dafür, dass wir die EU vom Kopf auf die | |
Füße stellen“, schreibt Schulz. „Wir sollten uns nichts weniger vornehmen, | |
als Europa neu zu gründen.“ Sätze für das sozialdemokratische Poesiealbum, | |
aus denen nicht viel mehr folgt, als dass Europa nicht mehr darüber | |
entscheiden sollte, „ob in Italien das Olivenöl in einfachen Glasflaschen | |
auf den Restauranttischen stehen darf oder nicht“. | |
Ähnlich verhält es sich bei seinem zweiten „Großthema“, der sozialen | |
Gerechtigkeit. „Wir müssen mehr Gerechtigkeit wagen.“, schreibt Schulz. | |
Denn sie sei „eine grundlegende Bedingung für eine freie und | |
fortschrittliche Gesellschaft“. Klingt gut. Aber was folgt für ihn daraus? | |
Wenig. Die eigentlich logische Forderung nach einer Umverteilung von | |
gesellschaftlichem Reichtum von oben nach unten gehört nicht dazu. | |
Es gehe nicht darum, alles anders, aber vieles besser zu machen, adaptiert | |
Schulz einen alten Gerhard-Schröder-Slogan. Das dürfte nicht genug sein. | |
19 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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