# taz.de -- Ereignisse an spanischen Grenzzäunen: Wir haben eine Wahl | |
> An der spanischen Grenze spielen sich Tragödien ab. Aus Angst vor den | |
> Rechten vergessen wir, dass es in der Migrationsdebatte um Menschen geht. | |
Bild: Entkommen – und dann festgenommen | |
Manche hatten sich alte Decken mit Isolierband um die Arme gewickelt, um | |
den Klingendraht überhaupt anfassen zu können. Andere versuchten es mit | |
bloßen Händen. Die Nacht zum Montag endete für sie mit schweren | |
Verletzungen. Der Draht, den Spanien an der Grenze der Enklaven Ceuta und | |
Melilla verbaut hat, ist eigentlich zum Schutz von Munitionslagern und | |
Atomreaktoren gedacht. | |
Zum zweiten Mal in wenigen Tagen haben Hunderte Afrikaner | |
aneinandergebundene Leitern an die Zäune der einzigen Landesgrenze zwischen | |
Europa und Afrika gestellt. Sofort wurden sie erfasst von Sensoren, | |
Nachtsichtgeräten und Infrarotkameras. Auf der anderen Seite stand die | |
Guardia Civil und trieb die Menschen zusammen. Die meisten der Afrikaner | |
werden nur wenige Stunden in Europa verbracht haben: 2015 hat Spanien ein | |
Gesetz beschlossen, um Flüchtlinge direkt wieder an die marokkanischen | |
Soldaten übergeben zu können, ohne Verfahren, ohne Asylantrag. | |
Dutzende solcher Ereignisse gab es in Ceuta und Melilla in den letzten | |
Jahren, viele Menschen starben, bisweilen wurde gar geschossen. Und Ceuta | |
und Melilla sind nur zwei Punkte der europäischen Grenzen, an denen sich | |
die menschlichen Katastrophen immer weiter auftürmen, so dass ihre Bilanz | |
jene des Eisernen Vorhangs längst in den Schatten stellt. | |
Wer sich damit nicht abfinden will, findet sich heute meist in der | |
Defensive. Der Kulturkampf von rechts diktiert die Politik in Europa, noch | |
befeuert vom Sieg Trumps. Um die Le Pens und Petrys und Wilders von der | |
Macht fernzuhalten, tun die etablierten Parteien immer öfter genau das, was | |
die Rechten wollen. Abschiebungen nach Afghanistan und Lager in Libyen, | |
noch vor kurzem Tabus, stellen diese plötzlich als unausweichlich hin. | |
Die Idee, dass es anders sein könnte, geht in Abwehrkämpfen unter, in denen | |
alles, was man gegen die Rechtspopulisten noch verteidigen kann, schon als | |
Sieg durchgeht. Da lohnt es, auf die zu schauen, die gleichsam antizyklisch | |
an der Idee einer menschenfreundlichen Flüchtlingspolitik festhalten. | |
## Eine Karawane zivilen Ungehorsams | |
Der spanische Verein Casa Vostra, Casa Nostra, (Unser Haus, ihr Haus) zum | |
Beispiel. 170.000 Menschen hat er am Wochenende in Barcelona auf die Straße | |
gebracht, eine gigantische Mobilisierung. #vollemacollir, „wir wollen | |
aufnehmen“, war ihre Losung. Oder das Kollektiv we gan ze haalen (Wir gehen | |
sie holen) aus den Niederlanden. 4.000 Flüchtlinge, das hatte die Regierung | |
in Den Haag versprochen, werde sie aus Griechenland aufnehmen. Nur 600 | |
durften kommen. Den Rest wollen sich die Aktivisten jetzt persönlich | |
abholen. Bald startet ihr Autokonvoi. Eine Karawane zivilen Ungehorsams. | |
Oder Emmanuel Macron, der junge Präsidentschaftskandidat in Frankreich. Er | |
soll der Frau, die für Europa heute die wohl größte Gefahr darstellt und | |
für die die Abschottung vor allem Fremden die höchste Priorität hat, in die | |
Schranken weisen. | |
„Merkel und die ganze deutsche Gesellschaft waren auf der Höhe unserer | |
gemeinsamen Werte. Sie haben unsere kollektive Würde gerettet, indem sie | |
notleidende Flüchtlinge aufgenommen, untergebracht und ausgebildet haben“, | |
sagt Macron. Er besitzt die Chuzpe, Le Pen nicht mit einer abgemilderten | |
Kopie ihrer eigenen Agenda Konkurrenz machen zu wollen, sondern dem | |
Programm des Front National grundsätzlich zu widersprechen: Pro Europa, pro | |
Flüchtlingsschutz. Wenn die Umfragen stimmen, ist Macron heute der | |
beliebteste Politiker des Landes. | |
So durchbrechen die Katalenen, die niederländischen Aktivisten und Macron | |
den Fatalismus. Sie erinnern an das, was über die immer gleichen | |
Nachrichten aus den Randgebieten Europas vergessen zu werden droht: dass | |
wir eine Wahl haben. | |
20 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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