| # taz.de -- Bürgerrechtler über Polizeikongress: „Aufrüstung als Selbstzwe… | |
| > Vorhersagesoftware ist der „heiße Scheiß“: In Berlin treffen sich | |
| > Minister, Polizisten und Sicherheitsfirmen. Matthias Monroy kritisiert | |
| > die Veranstaltung. | |
| Bild: Aufrüstung: Hamburgs Polizei hat im November vergangenen Jahres ihre neu… | |
| taz: Herr Monroy, am Dienstag und Mittwoch tagt in Berlin der 20. | |
| Europäische Polizeikongress. Sie kritisieren das Treffen, an dem | |
| Innenminister Thomas de Maizière, Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen | |
| und Frontex-Direktor Fabrice Leggeri teilnehmen. Warum? | |
| Matthias Monroy: Der sogenannte Kongress ist vor allem eine Messe, auf der | |
| Sicherheitsfirmen als Sponsoren auftreten und sich, je nach finanziellem | |
| Aufwand, die Teilnahme an Workshops erkaufen können. Wer genug Geld | |
| ausgibt, darf sich auch auf einem Podium mit Polizeibeamten oder Ministern | |
| zur Weltlage äußern. | |
| Hier kommen alle zusammen: Vertreter der Polizei, die über ihre schlechte | |
| Ausstattung jammern und ständig einen Mehrbedarf anmelden, Entscheider aus | |
| der Politik, die genau das ermöglichen können, und die Scharfmacher aus der | |
| Industrie, die ihre Produkte anpreisen, als ginge ohne sie die Welt unter. | |
| Im Mittelpunkt stehen die neuesten Produkte für die innere Sicherheit. | |
| Müssen Polizei und Politik nicht auf Gefahren reagieren können? | |
| Hier geht es aber um Aufrüstung als Selbstzweck. Nie wird die Frage | |
| gestellt, ob sich nicht einige der 300 Anti-Terror-Maßnahmen in der | |
| Europäischen Union seit den Anschlägen vom 11. September 2001 als | |
| unbrauchbar erwiesen haben. Gibt es vielleicht schon genügend Datenbanken – | |
| und könnte da wieder abgerüstet werden? Greift die Videoüberwachung zu | |
| stark in den Datenschutz ein? Haben sich Taser wirklich bewährt? Diese | |
| Fragen werden nicht gestellt, um eine kritische Reflexion geht es nicht. | |
| Das Thema heißt diesmal „Europa grenzenlos? Freiheit, Mobilität, | |
| Sicherheit“. | |
| Die Verkaufsmesse will Trendsetter sein, dafür werden schon immer alle | |
| Themen zusammengepackt. Große Geschäfte winken etwa mit afrikanischen | |
| Ländern, die nun die [1][Identifikation mittels Fingerabdrücken in | |
| Ausweisdokumenten einführen]. Das hat den Hintergrund, dass die | |
| EU-Mitgliedstaaten gern dorthin abschieben würden, die Behörden aber keine | |
| Papiere ausstellen können, wenn die Person nicht zweifelsfrei | |
| identifizierbar ist. Relativ neu ist der Bereich Smart Policing. | |
| Worum geht es da? | |
| Digitale Spuren sollen mithilfe neuer Technik intelligent und bequem für | |
| die Ermittlungen genutzt werden. Im Vordergrund steht der Umgang mit Daten. | |
| Von ihnen hat die Polizei bereits genügend. Wichtig wird nun, sie mithilfe | |
| von Technologien möglichst gut zu nutzen und zusammenzuführen. Das ist zwar | |
| rechtlich nicht unbedingt erlaubt, da gesammelte Daten immer einem | |
| bestimmten Zweck dienen müssen, aber die Entwicklung geht dahin – für ein | |
| immer besseres Profiling. | |
| Wie schlägt sich der Bereich auf dem Kongress nieder? | |
| Zuletzt wurde die Richtlinie für die Speicherung der Fluggastdaten | |
| beschlossen. In einem Workshop werden Vertreter der Lufthansa, IBM und des | |
| Innenministeriums gemeinsam beraten, wie man diese einsetzen kann. | |
| Beschäftigt wird sich auch mit der Auswertung von Spuren, die wir mit | |
| unseren elektronischen Geräten hinterlassen, wenn etwa beschlagnahmte | |
| Telefone ausgelesen werden. Es geht aber auch um rechtliche Fragen, etwa ob | |
| die Audiodaten, die im Wohnumfeld aufgezeichnet werden, in Ermittlungen | |
| genutzt werden dürfen. Klar ist: Je mehr sich die Polizei an technischen | |
| Mitteln verschafft, desto mehr werden sie auch eingesetzt. | |
| Welche neuen Techniken kommen sonst auf uns zu? | |
| Derzeit rüsten Bundesländer und Bundespolizei ihre Videoüberwachung auf. | |
| Kein Wunder, dass sich unter den Sponsoren zahlreiche Firmen finden, die | |
| entweder hochauflösende Kameras oder Auswertesysteme mit Gesichtserkennung | |
| verkaufen. Auch die Firma Taser ist regelmäßig präsent – angesichts der | |
| Pläne zur [2][Einführung der Elektroschockwaffen in Berlin] und Bremen | |
| offensichtlich erfolgreich. | |
| Wie gut kann die Polizei inzwischen in die Zukunft schauen, also | |
| vermeintliche Risiken im Vorfeld erkennen? | |
| Der heiße Scheiß sind Technologien zur Prognose von Risiken. Einige | |
| Bundesländer haben bereits Vorhersagesoftware für Wohnungseinbrüche | |
| beschafft, nun wird überlegt, wie diese auch für andere Zwecke eingesetzt | |
| werden könnte. Möglich wäre die Einbindung von Kennzeichenlesegeräten oder | |
| auch die Verarbeitung von Personendaten, etwa um eine Prognose zur | |
| Rückfälligkeit von Straftätern zu berechnen. Letztes Jahr haben sich die | |
| Kriminalämter mit einem Anbieter beraten. | |
| Welche Gefahren ergeben sich daraus? | |
| Eine Software gegen Wohnungseinbrüche oder Fahrzeugdiebstähle wird auch die | |
| Vorurteile bei der Polizei verstärken. Denn ein computergestütztes | |
| Vorhersagesystem liefert keine Anhaltspunkte, wie denn vermutete | |
| „Verbrecher“ aussehen oder zu erkennen wären. Es werden die üblichen | |
| Stereotypen bedient, denn kontrolliert werden Menschen mit dunkler | |
| Hautfarbe, Kapuzenpullis und offensichtlich unterprivilegierte Personen. Im | |
| Übrigen zeigt sich durch die Einführung von Prognosesoftware auch im | |
| IT-Bereich der Trend in der Polizeiarbeit, mit immer mehr „Gefahrenabwehr“ | |
| das Vorfeld von Straftaten zu erkunden. | |
| 21 Feb 2017 | |
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| Erik Peter | |
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