# taz.de -- Polizei in Berlin: Hände hoch oder es schockt! | |
> Ab sofort testen 20 Streifenpolizisten sogenannte Taser als Alternative | |
> zur Schusswaffe. Kritiker halten die Waffe für hochgefährlich. | |
> Praktikabilität ungewiss. | |
Bild: Ein Stromstoß führt zur sofortigen Muskelkontraktion: der Taser | |
Ein umstrittenes Einsatzmittel hat bei der Berliner Polizei Einzug | |
gehalten: der Taser, fachsprachlich „Distanz-Elektroimpulsgerät“. 20 | |
Polizisten in Mitte und Kreuzberg sind seit Montag damit ausgestattet. | |
Berlin ist das erste Bundesland, das das Gerät für Schutzpolizisten | |
einführt. Bundesweit hatten bisher nur Spezialkräfte der Polizei Taser. | |
Der Probelauf soll nach drei Jahren ausgewertet werden. Die Teilnehmer, die | |
sich laut Polizeipressestelle freiwillig gemeldet haben, wurden in den | |
letzten Wochen für den Umgang mit dem Gerät geschult. Dass sie den | |
Abschnitten 53 und 32 angehören, ist indes kein Zufall. Der frühere | |
CDU-Innensenator Frank Henkel hat das entschieden. Die Reviere in der | |
Friedrichstraße und in der Keibelstraße nahe Alexanderplatz gelten als | |
sogenannte Brennpunktabschnitte. | |
Auch vorher schon war der Gürtel eines Schutzpolizisten gut bestückt: Zu | |
Schlagstock, Reizgas, Handschellen und Pistole kommt nun noch der Taser. | |
Auf den ersten Blick ist das Gerät kaum von einer Schusswaffe zu | |
unterscheiden. Die Mündung ist nur etwas breiter. Abgeschossen werden | |
daraus an Drähten hängende Pfeile mit Widerhaken. Optimal sei ein Abstand | |
von 4 bis 6 Metern von der Zielperson, heißt es. Die Haken krallen sich in | |
deren Bekleidung fest. Ein Stromstoß von 1,3 Milliampere bei einer Spannung | |
von bis zu 50.000 Volt löst bei dem Getroffenen eine sofortige | |
Muskelkontraktion aus. Schreiend vor Schmerz bricht er zusammen. | |
Ist der Strom abgestellt, erholt sich der Getroffene schnell. So berichtete | |
es zumindest der Leiter des Spezialeinsatzkommandos (SEK) am 30. August | |
2016. Das war der Tag, an dem Henkel das Projekt auf den letzten Drücker | |
vor der Abgeordnetenhauswahl auf die Schienen gesetzt hatte. Bis heute sind | |
Linke und Grüne der Meinung, dass der Taser eine hochgefährliche Waffe ist | |
und es vollkommen ausreiche, wenn das SEK damit ausgestattet ist. | |
So gesehen, entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, dass es nun der | |
Innensenator der rot-rot-grünen Koalition, Andreas Geisel (SPD), ist, der | |
den Probelauf startet. In einer Presseerklärung verlieh Geisel am Montag | |
der Hoffnung Ausdruck, „Distanz-Elektroimpulsgeräte können möglicherweise | |
Leben schützen und unsere Polizeikräfte vor traumatischen Situationen | |
bewahren“. | |
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert den Taser für den Streifendienst | |
schon lange. Aus konservativen Kreisen und Teilen der Öffentlichkeit wird | |
der Ruf immer dann laut, wenn Polizisten bei einem Einsatz einen Menschen | |
erschossen haben. 2013 kam auf diese Weise ein mit einem Messer bewaffneter | |
Nackter im Neptunbrunnen im Bezirk Mitte ums Leben, im Herbst 2016 ein | |
irakischer Flüchtling, Ende Januar 2017 ein 25-jähriger mit einem Messer | |
Bewaffneter in seiner Wohnung in Hohenschönhausen. Die Polizei war gerufen | |
worden, weil der Mann zuvor mit Suizid gedroht hatte. | |
Den Fall am Neptunbrunnen nimmt die GdP gern als Beispiel dafür, dass ein | |
Opfer heute vielleicht noch leben würde, hätten die Streifenbeamten vor Ort | |
einen Taser gehabt. Anders beurteilt die GdP die anderen beiden Todesfälle: | |
In Situationen, in denen Beamte vor Ort binnen Sekundenbruchteilen | |
entscheiden müssten, etwa bei einem blitzschnellen Angriff mit einem | |
Messer, sei der Taser nicht geeignet. Der Gebrauch der Schusswaffe sei da | |
wahrscheinlich immer das sicherere Mittel, meint GdP-Sprecher Benjamin | |
Jendro. | |
Im Gesetz ist der Taser der Schusswaffe gleichgestellt und unterliegt damit | |
denselben strengen Einsatzvoraussetzungen: dem Vorliegen von Notwehr und | |
Nothilfe. Die GdP fordert, den Taser wie Schlagstock und Pfefferspray als | |
Hilfsmittel körperlicher Gewalt einzustufen. Das würde die Anwendung für | |
die Polizisten vereinfachen. Dafür wäre aber eine Gesetzesänderung nötig. | |
6 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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