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# taz.de -- Schlecht ermittelt gegen IS-Anhänger: Keiner hielt den Islamisten …
> Das Opfer eines Überfalls wirft Bremer Behörden und dem Innensenator
> schlampige Ermittlungen vor. Die Täter reisten nach Syrien und schlossen
> sich dem IS an
Bild: Vernünftig gearbeitet? Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (links)
Bremen taz | Der Bremer Adnan S. wurde lange für tot gehalten, gefallen im
Kampf für die Milizen des „Islamischen Staates“ (IS) in Syrien.
Mittlerweile ist klar, dass er nicht gestorben ist, sondern in der Türkei
im Gefängnis sitzt. Jetzt werden von einem Bremer Überfallopfer Vorwürfe
gegen Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und die Ermittlungsbehörden laut.
Denn Adnan S. war den Behörden bereits vor seiner Ausreise nach Syrien
bekannt.
„Ich habe ein großes Problem mit der Bremer Justiz“, schreibt Karsten P.
per Mail an den Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und schildert
seinen Fall: Am 21. Februar 2014 wurde er nach dem Freitagsgebet vor einem
Discounter in Bremen-Gröpelingen von zwei Männern zusammengeschlagen. 14
Tage lag er im Krankenhaus, fünf Titanplatten und 17 Schrauben setzten die
Ärzte ein, um seinen Kieferknochen zu restaurieren. Die Polizei konnte die
Verdächtigen in der Nähe des Tatorts stellen. 18 Monate später bekam P.
Post von der Bremer Staatsanwaltschaft: Das Verfahren sei eingestellt
wurden. Die Tatverdächtigen seien offenbar tot. Einer von ihnen ist Adnan
S.
Dass der Mann, der ihn überfallen haben soll, gar nicht tot ist, erfuhr P.
aus dem Radio. Die Staatsanwaltschaft informierte ihn nicht. Es ist bisher
auch unklar, ob das Verfahren gegen Adnan S. und den zweiten mutmaßlichen
Täter wieder aufgenommen wird. Heute sagt die Staatsanwaltschaft, sie habe
damals keinen Haftbefehl gehabt. „Wir konnten die Männer deshalb auch nicht
zur Fahndung ausschreiben.“ Es habe kein dringender Tatverdacht bestanden.
Es gab an jenem 21. Februar 2014 aber mehrere Zeugen vor dem Supermarkt,
die aussagten, zwei Männer in traditioneller islamischer Kleidung und eine
verschleierte Frau gesehen zu haben. Sie sollen vom Freitagsgebet aus der
Moschee des Kultur- und Familienvereins (KUF) gekommen sein. Der Verein in
der Seewenjestraße wurde da bereits vom Verfassungsschutz beobachtet, weil
die Mitglieder einer besonders radikalen Ausformung des Salafismus folgten,
bei der die Welt in Gläubige und Ungläubige eingeteilt ist. Aus seinem
Umfeld reisten mehrere Menschen aus, um sich dem Dschihad anzuschließen.
Verboten wurde der KUF aber erst im Februar 2016.
Kurz nach dem Überfall auf P. kontrollierte die Polizei drei Verdächtige in
der Nähe: zwei Männer, eine verschleierte Frau. Weder stellte die Polizei
die Kleidung der Verdächtigen sicher, an der man Blutspuren hätte finden
können, noch kontrollierten die Beamten die Hände der Verdächtigen auf
Schlagspuren oder suchten nach einem Schlagring. „Ich habe den Polizisten
in der Klinik gesagt, dass die Täter auf den Videoaufzeichnungen vom
Supermarkt zu sehen sind, aber die Aufnahmen wurden nicht beschlagnahmt“,
schreibt Karsten P. an Mäurer.
Ein Mitarbeiter des Innensenators antwortete per Mail, er habe das
„Anliegen in die zuständige Fachabteilung gegeben“. Und: „Sie erhalten e…
Rückmeldung, sobald sie mir vorliegt.“ Darauf wartet Karsten P. bis heute.
„Es ist unglaublich, dass man nach so einem Vorfall keine Hilfe und
Unterstützung bekommt“, schreibt er an den Innensenator. Keine Antwort.
Ein Jahr nach dem Angriff auf Karsten P., für den der ermittelnde
Kriminalkommissar einen bedingten Tötungsvorsatz unterstellte, soll Adnan
S. erneut straffällig geworden sein. Im Februar 2015 soll er an einem
Raubüberfall auf ein Ehepaar im niedersächsischen Oyten beteiligt gewesen
sein. Sein Freund Harry S., mit dem er später nach Syrien ausreiste, wurde
für diesen Raubüberfall mittlerweile zu einer Haftstrafe verurteilt.
Es gibt den Verdacht, dass die Clique aus dem Gröpelinger KUF versuchte,
das Geld für die Ausreise nach Syrien durch Überfälle zusammenzubekommen.
Adnan S. soll die treibende Kraft gewesen sein, habe alles vorbereitet,
erklärte Harry S. später vor Gericht. Er war 2015 mit seinem Freund in
Richtung Syrien zum IS gereist, aber nach wenigen Wochen zurückkehrt. Nach
seiner Rückreise wurde er in Bremen festgenommen und 2016 in Hamburg
verurteilt.
Am 8. April 2015 leitete die Bremer Staatsanwaltschaft ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung schwerer
staatsgefährdender Straftaten gegen Adnan S. ein. Es gab Hinweise, dass er
gemeinsam mit anderen eine Entführung plante, wohl wieder um Geld zu
beschaffen. Trotz des Strafbefehls konnte er eine Woche später mit Harry S.
nach Syrien ausreisen. Im August 2015 tauchten die beiden dann auf einem
deutsch-sprachigen IS-Mordvideo auf, aufgenommen in Palmyra in Syrien. Und
dann gibt es noch anderes Video-Material, auf dem zu sehen ist, wie die
beiden den Treue-Eid auf den IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi schwören.
In Ankara wurde Adnan S., dessen Herkunft die Polizei mit Montenegro/Kosovo
angibt, Anfang 2017 festgenommen. Er hatte offenbar versucht, durch eine
Haartransplantation sein Aussehen zu verändern, was die Aufmerksamkeit der
Fahnder erregte.
Karsten P. wirft den Bremer Behörden schlampige Ermittlungen vor. Hätten
sie ihre Arbeit getan, hätte der Überfall auf die Rentner verhindert werden
können, sagt er. „Wir hatten zunächst keinerlei Hinweise, dass es sich bei
dem Beschuldigten um einen radikalen Islamisten handelt“, erklärt hingegen
die Bremer Staatsanwaltschaft.
Für P. bestanden da wenig Zweifel. Die Kleidung der Täter und der Anlass
des Überfalls sind für ihn eindeutig: Er stand mit seinem Begleiter an der
Supermarktkasse, als einer der beiden Männer fragte: „Seid ihr schwul?“
Sein Freund habe geantwortet: „Besser schwul als verschleiert“ und spielte
auf die verschleierte Frau an seiner Seite an. Als sie aus dem Laden
traten, wurden sie zusammengeschlagen.
27 Feb 2017
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Polizei Bremen
Verfassungsschutz
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Schwerpunkt Syrien
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Sicherheitspolitik
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